zwar 3 tage alt aber mit Hintergrundinfos
Hände weg - sei vorsichtig mit denen - solange Kreidl und Lieven
Anteile besitzen
Adori: Trümmerhaufen mit einem vollen Tresor im Keller
Morgen fällt Entscheidung über Fortbestand des Regensburger Unternehmens
Von Bernhard Fleischmann, MZ
REGENSBURG. Aufräumen lautet das Motto für die Hauptversammlung der Adori AG morgen im Regensburger Cinemaxx. Die Aktionäre haben die Wahl: Liquidieren oder die Trümmer neu sortieren und auf einen guten Partner hoffen.
Das aktuelle Geschäft der Adori AG ist relativ schnell beschrieben: Sie verwaltet sich selbst und wickelt nebenbei noch die hereintröpfelnden Bestellungen aus dem Online-Shop ab. Doch auch diese letzte operative Tätigkeit steht vor dem Aus. Vom ursprünglichen Geschäftsmodell, dem Komplett-Angebot für InternetDienstleistungen, ist nichts mehr übrig geblieben, vom Börsengang an den Neuen Markt im Mai 2000 dafür umso mehr: In der Kasse des Regensburger Unternehmens schlummern immer noch rund 27 Millionen Euro. Dieses Geld «arbeitet» vorwiegend auf Festgeld- und anderen niedrig verzinsten, aber sicheren Anlagekonten. Die Belegschaft ist inzwischen auf rund zehn Leute geschrumpft, demnächst werden es noch ganze zwei sein: Vorstand Martin Kagerer und eine Mitarbeiterin.
Es klingt wie ein schlechter Witz: Die laufenden Kosten sind so gering geworden, dass Adori ausgerechnet jetzt im Quasi-Koma erstmals schwarze Zahlen schreibt die Zinseinnahmen sind höher als die Ausgaben.
Morgen müssen sich die Aktionäre entscheiden, wie es mit der paralysierten Gesellschaft weiter gehen soll. Entweder bereiten sie dem Jammer ein Ende. Oder sie widmen die Adori auch offiziell zu dem um, was sie faktisch schon ist: ein Verwalter des eigenen Vermögens.
Sollten sich die Anteilseigner zur Beerdigung entschließen, könnten sie um die 2,40 Euro pro Aktie einstreichen. Rechnerisch verteilt sich die Barschaft mit ungefähr 2,65 Euro je Aktie. Davon wären die Kosten für die Liquidation abzuziehen. Das ergäbe ein schönes Plus gegenüber dem aktuellen Kurswert von um die 1,80 Euro. Die meisten Aktionäre haben aber viel mehr bezahlt, der Emissionspreis lag bei immerhin 13,50 Euro.
Die Netcare mauert
Die Alternative, die der Vorstand in der Einladung zur HV vorschlägt, läuft auf Beteiligungsgeschäfte oder eine Verschmelzung mit einem anderen Unternehmen hinaus. Als Verwalter eigenen Vermögens könnte Adori durchaus nennenswerte Beteiligungen erwerben. Firmen mit Kapitalbedarf gibt es zu Hauf, im Vergleich zum Jahr 2000 kosten ihre Anteile einen Spottpreis. Die Frage ist nur, ob sie auch das überhaupt wert sind.
Im Raum steht nach wie vor eine Verschmelzung mit der Plan + Design Netcare AG, die bereits das 23-Prozent-Paket des ehemaligen Adori-Aufsichtsratschefs Theo Lieven übernommen und mit ihren Vorständen Robert Straubinger und Peter Koll im Aufsichtsrat Platz genommen hat. Aber die Verhandlungen mit dem Mobilfunk-Ausrüster ziehen sich mittlerweile über rund ein halbes Jahr. Fortschritte wurden seither keine verkündet. Überdies gibt sich Netcare ungewöhnlich zugeknöpft. Eine Anfrage der MZ zu den üblichen Unternehmensdaten beantwortete die Pressestelle so: «Leider muss ich Ihnen nach Rücksprache mit unserem Vorstand mitteilen, dass wir derzeit eine sehr restriktive Informationspolitik betreiben und daher keinerlei Auskünfte nach außen geben.» Der Internet-Auftritt der Netcare ist geradezu leergefegt von konkreten Angaben.
Für Spannung auf der Hauptversammlung ist gesorgt. Die Richtung werden die Inhaber der größeren Aktienpakete vorgeben, also Netcare, ExVorstand Stefan Kreidl (23 Prozent), die Knorr Capital AG, Viva Media AG, Stadtsparkasse Köln.
Knorr hält nach eigenen Angaben sieben Prozent an Adori und 14 Prozent an der Netcare. Der Wagniskapital-Spezialist hat in jüngster Vergangenheit gewaltige Firmenwert-Abschreibungen verdauen müssen, der Aktienkurs ist binnen eines Jahres um mehr als 90 Prozent abgestürzt. Knorr, Kreidl und Lieven haben die Netcare-Beteiligung eingefädelt. Welches Interesse Kreidl heute verfolgt, ist ungewiss. Der hat zwar bereits seine Stimmrechte abgegeben, verfügt aber mit seinem Aktienpaket noch über Einfluss. Der schillernde Firmengründer ist gegenüber der Öffentlichkeit auf Tauchstation gegangen.
Die Kleinaktionäre viele kommen aus Regensburg und Umgebung sind in dem Spiel nur Passagiere. Auch der letzte verbliebene Vorstand Martin Kagerer muss sich überraschen lassen...
Artikel von befleisc - überstellt am 25.02.2002