Adidas: Angriff auf Nike (EurAmS)
Adidas kauft den amerikanischen Konkurrenten Reebok. Damit haben die Franken endlich das, was sie allein nie schafften: ein florierendes US-Geschäft. Jetzt muß Erzrivale Nike kontern.
von Joachim Spiering
Als Adidas-Chef Herbert Hainer am Mittwoch vormittag um Punkt 10.37 Uhr die Telefonkonferenz eröffnete, war die Aufregung in seiner Stimme nicht zu überhören. In dem für ihn typischen Englisch mit ausgeprägtem niederbayerischem Tonfall versuchte der gebürtige Dingolfinger, den zugeschalteten Journalisten und Analysten den Kauf des US-Konkurrenten Reebok schmackhaft zu machen. Und Hainer sparte nicht mit Superlativen. Der heutige Tag sei "einer der bedeutsamsten" in der Unternehmensgeschichte von Adidas, der Mega-Deal biete "enorme Möglichkeiten" für weiteres Wachstum und sei überhaupt "phantastisch".Hainers erhöhter Adrenalinspiegel ist verständlich. Einen größeren Deal hätte Adidas nicht stemmen können. Die Nummer 2 weltweit, vor der Übernahme selbst 6,8 Milliarden Euro wert, kauft die Nummer 3 für 3,1 Milliarden. Nie zuvor hat ein europäischer Konzern soviel Geld für ein amerikanisches Einzelhandelsunternehmen ausgegeben.
Der US-Markt hat für die Sportartikler eine besondere Bedeutung. Zwar sind die Wachstumsraten in Asien deutlich höher, doch mit geschätzten 52 Milliarden Dollar werden über 50 Prozent der weltweiten Umsätze in den USA erzielt. Und: Hier, zwischen New York und Los Angeles, werden die meisten globalen Trends gesetzt. "Der US-Markt ist der wichtigste Markt der Welt", sagt deshalb auch Adidas-Chef Hainer. Der Mega-Deal hat aber noch einen anderen Hintergrund. Hainers größtes Ziel ist es, wieder die Nummer 1 im weltweiten Sportgeschäft zu werden. Deshalb ist der Reebok-Kauf auch ein direkter Angriff auf den Branchenprimus Nike. Immerhin kommen Adidas/Reebok dieses Jahr auf geschätzte 11,8 Milliarden Dollar Umsatz, Nike dürfte 13,7 Milliarden schaffen. Daß die Franken den US-Konzern ausgerechnet auf dessen Heimatmarkt attackieren, dürfte den Nike-Oberen besonders weh tun. Schon wird darüber spekuliert, wie Nike auf den Adidas-Coup reagieren wird. Eine Übernahme von New Balance oder Kswiss, bisher Nummer 3 und 4 auf dem US-Markt, ist auch aus kartellrechtlichen Gründen eher auszuschließen. Um Adidas auf Distanz zu halten, käme für Nike eigentlich nur ein Ziel in Frage: eine Übernahme von Puma.
In der Vergangenheit wurde ein solches Szenario schon öfter gespielt. Von der Größe her könnten die Amis diesen Deal locker stemmen. Allerdings gibt es auch handfeste Gegenargumente. Vielleicht das wichtigste: Puma-Chef Jochen Zeitz will den Adidas-Nachbarn zum dritten großen Player neben Nike und Adidas machen. Davon ist er aber noch ein gutes Stück entfernt.Einer Übernahme durch Nike würde der Top-Manager deshalb kaum zustimmen. "Das liefe auf eine feindliche Übernahme hinaus. Und das ist immer schlechter als eine freundliche Übernahme wie bei Adidas und Reebok", sagt Uwe Janssen, Branchenanalyst bei der Bank UBS. Zudem wäre das Timing schlecht, da Pumas Wachstumsstrategie gerade in einer Phase des Umbruchs steckt. Und es ist offen, ob Großaktionär Mayfair, der 17 Prozent an Puma hält, dem Deal überhaupt zustimmen würde.Dennoch: Nike ist nun klar in der Defensive. Durch den Kauf von Reebok steigert Adidas seinen Marktanteil in den USA von 8,9 auf 21,2 Prozent. Damit sind die Franken zwar noch weit enfernt von Nike (36,6 Prozent). Was aber vielleicht viel wichtiger ist: Adidas kauft sich die Erfahrung ein, wie man sich auf dem schwierigen US-Markt richtig bewegt. Denn in der Vergangenheit hatten die Herzogenauracher jenseits des Atlantiks so ziemlich alles falsch gemacht, was man falsch machen konnte. Daß mit Dirk Nowitzki der einzige deutsche Superstar in der amerikanischen Basketball-Liga ausgerechnet für Nike wirbt, ist dabei nur ein peinlicher Marketing-Flop. Viel schwerer wiegt das jahrelang schlechte Management.
Die Strahlkraft der Marke Adidas war Ende der 90er Jahre auf ein Minimum geschrumpft. Viele Schuhe fanden sich auf den Wühltischen von Supermärkten zwischen Schlüpfern und Schlabberhosen wieder. Zwar hat Hainer von Anfang an versucht, das US-Geschäft auf Vordermann zu bringen, doch auch er machte Fehler. Als die Franken zu Nike aufschließen und ebenfalls hochpreisige Sportschuhe verkaufen wollten, kippte ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt der Markt für die teuren Treter. Auch unterschätzte Hainer lange Zeit die Macht der großen Handelsketten wie Footlocker, die sich weigerten, Adidas-Schuhe besser zu positionieren. Ihre Begründung: Beweist mir, daß sich dadurch die Treter besser verkaufen, dann machen wir das. Sonst nicht.Auch aus diesem Grund hat Adidas in den vergangenen Jahren einen eigenen Adidas-Shop nach dem anderen hochgezogen. "Wir wollen damit dem Einzelhandel zeigen, daß sich unsere Produkte ausgezeichnet verkaufen, wenn man sie richtig präsentiert", so Hainer in einem früheren Gespräch mit EURO. Ende 2003 zog Hainer die Notbremse und schickte seinen langjährigen Weggefährten, Vertriebs-Chef Erich Stamminger, zum Aufräumen in die US-Zentrale nach Portland. Ein Schachzug, der langsam Wirkung zeigt. In Nordamerika stieg der Konzernumsatz im ersten Halbjahr währungsbereinigt um 18 Prozent. Dennoch hätte es Adidas aus eigener Kraft wohl nie geschafft, auch nur annähernd zu Nike aufzuschließen. "Wir haben in der Vergangenheit viel Energie für das US-Geschäft aufgewendet und es hat nicht immer geklappt", räumte Hainer bei der Telefonkonferenz ein.Dafür werden jetzt Nägel mit Köpfen gemacht. Zwar zahlen die Franken einen stattlichen Preis für eine Firma, die vergangenes Jahr drei Milliarden Dollar Umsatz und einen operativen Gewinn von 237 Millionen Euro machte. Doch aus strategischer Sicht macht die Übernahme Sinn. Zum einen ist Reebok genau dort stark vertreten, wo Adidas eher schwächelt. Nämlich in den uramerikanischen Sportarten Baseball, American Football, Basketball und Eishockey. Reebok hat mit allen Verbänden sehr lukrative Verträge, an die Adidas sonst nie rangekommen wäre. Zudem gilt Adidas als männliche Marke, während Reebok eher Frauen anspricht. Und: Die neue Tochter hat in der Vergangenheit mehrfach bewiesen, daß sie sehr schnell auf aktuelle Trends reagieren kann. So setzte Reebok sehr früh auf den einstigen Aerobic-Boom und zog im Zuge dieses Mega-Trends zeitweilig sogar an Nike vorbei."Reebok ist extrem stark in der Kommerzialisierung sportlicher Trends", sagt Hainer. Von dieser Schnelligkeit will Adidas lernen, ohne die Identität von Reebok und Adidas aufzugeben. "Beide Marken werden erhalten bleiben", so Hainer gegenüber EURO (siehe Interview).
Die Reebok-Übernahme ist der vorerst jüngste Deal in einer Branche, die nicht nur wegen ihrer Produkte in Bewegung ist. So hatte Nike 2003 den traditionsreichen US-Sportschuh-Hersteller Converse gekauft, da dem erst 1962 gegründeten Weltmarktführer die richtigen Produkte für die Retro-Welle fehlten. Auch Puma kündigte vergangene Woche Zukäufe an. Und Adidas selbst hatte sich vor kurzem von seiner erfolglosen Outdoor-Marke Salomon getrennt.Zwar glänzen Nike, Adidas und Puma seit Jahren mit hohen einstelligen oder zweistelligen Wachstumsraten, ein Selbstläufer ist das Sportgeschäft allerdings nicht. Vor allem in den etablierten Märkten USA und Europa ist das Wachstum schwach. So wird dieses Jahr der US-Markt um schätzungsweise zwei Prozent zulegen. Um so härter wird um Marktanteile und Moneten gekämpft. Ein Konkurrenzkampf, der auch bei den Adidas-Leuten Spuren hinterläßt.So kann der sonst sehr entspannte Herbert Hainer, der am liebsten ohne Anzug und Krawatte auftritt, sehr schnell sehr humorlos werden, wenn man ihn auf die Erfolge von Puma anspricht. Und als im vergangenen Jahr Nike für einige Wochen Adidas als oberste Fußballmacht in Europa ablöste, lagen die Nerven in der Firmenzentrale in Herzogenaurach blank. Jetzt hat Adidas wieder Oberwasser. "Glauben Sie mir, wir werden auch weiterhin die Nummer 1 im Fußballgeschäft bleiben", sagt Hainer selbstbewußt. Das ist längst nicht alles, Hainer will mehr. Adidas soll vor Nike weltweit wieder die Nummer 1 werden.
Gruß Moya