Volkswirte warnen trotz Ifo-Anstieg vor Konjunkturrisiken
Der Ifo-Geschäftsklimaindex ist im Januar zum neunten Mal in Folge gestiegen. Einige Volkswirte zeigten sich von dieser Entwicklung überrascht und warnten vor konjunkturellen Gefahren.
Ifo-Volkswirt Gernot Nerb sieht in einem starken Euro trotz des erneuten Anstiegs des Geschäftsklimaindex im Januar weiter eine Gefahr für die wirtschaftliche Erholung in Deutschland. Nerb sagte am Dienstag dem Sender "Bloomberg TV", bis jetzt deute alles auf eine normale Erholung hin, die in ein stärkeres Wachstum münden sollte. "Aber wenn der Euro Probleme macht, werden die Dinge weniger gut laufen." Dem Sender CNBC sagte er, deutsche Firmen könnten mit einem Euro-Kurs über 1,30 $ Probleme bekommen. Am Dienstag notierte die Gemeinschaftswährung bei Kursen knapp unter 1,25 $.
Der Ifo-Index für Westdeutschland habe auf 97,4 von revidiert 96,9 Punkten im Dezember zugelegt, teilte das Münchner Institut für Wirtschaftsforschung (Ifo) am Dienstag mit. Damit erreichte der Index den höchsten Stand seit genau drei Jahren. Einige Experten hatten erstmals seit April vergangenen Jahres mit einem Rückgang des Index gerechnet. Der Teilindex für die Lagebeurteilung legte auf 84,3 von 83,3 Punkten zu. Der Wert für die Erwartungen stagnierte bei 111,2 Punkten, wobei der Dezember-Wert etwas nach oben revidiert wurde.
Der Ifo-Geschäftsklimaindex gilt als wichtiger Indikator für die konjunkturelle Entwicklung. "Die erneute Besserung des Geschäftsklimaindex in West- wie in Ostdeutschland stützt die Prognose des Ifo-Instituts, dass sich der konjunkturelle Erholungsprozess weiter fortsetzen wird", sagte Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn. In Westdeutschland habe sich vor allem die Stimmung im verarbeitenden Gewerbe, aber auch beim Bau gebessert. Im Einzel- und Großhandel habe sich dagegen das Klima etwas eingetrübt. In Ostdeutschland verbesserte sich das Geschäftsklima auf 105,4 von revidiert 104,7 im Vormonat.
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Auch die Analysten der Investmentbanken sehen in einem zu stark divergierenden Wechselkurs zwischen Euro und Dollar konjunkturelle Probleme. "Ich bin erstaunt, dass sich die Geschäftserwartungen auf diesem hohen Niveau halten konnten", sagte Ulrike Kastens von Sal. Oppenheim. "Im Januar war der Euro ja in Richtung 1,30 $ angestiegen und überhaupt hatte sich die Diskussion intensiviert, ob die starke Aufwertung sich dämpfend auf das Wirtschaftswachstum auswirkt." Ritscher sagte, der starke Euro habe aber auch zu merklichen Kostenentlastung bei den Unternehmen geführt. "Insofern dürfte die Zuversicht bei den deutschen Firmen anhalten."
Andere Analysten bremsten den Optimismus etwas. "Dass sich die Lücke zwischen Lage und Erwartungen schließen wird, ist klar, wobei ich mir auch gewünscht hätte, dass das schneller vonstatten geht", sagte Jan-Paul Ritscher von der HSH Nordbank. Angesichts des hohen Niveaus der Erwartungskomponente des Indexes hatten einige Experten zuletzt eine "Erwartungsblase" befürchtet.
Der Deutsche Aktienindex reagierte am Dienstag mit leichten Kursgewinnen auf den Geschäftsklimaindex. "Der erneute Anstieg des Ifo-Index deutet darauf hin, dass eine Nachhaltigkeit im Aufschwung erreicht wurde", sagte ein Frankfurter Händler.
Und auch der Euro reagierte kurzzeitig auf die Konjunkturdaten aus Deutschland. Am Vormittag notierte der Euro mit 1,2470 $. Und konnte seine Kurskorrektur nach unten nach Veröffentlichung des Ifo-Index etwas verlangsamen. Vor zwei Wochen hatte die Gemeinschaftswährung mit knapp 1,29 $ noch einen Rekordstand erreicht. "Der Ifo-Index hat den Euro etwas gestützt. Ich glaube aber nicht, dass er der Gemeinschaftswährung zu nachhaltigem Schwung verhelfen wird", sagte Devisenhändler Uwe Janz von M.M. Warburg.
ftd.de, Di, 27.1.2004, 10:24, aktualisiert: Di, 27.1.2004, 12:11