Jedes Dorf hat mittlerweile einen Kebabstand. Sieben türkische Brüder versorgen Europa von Frankfurt aus mit den Fleischspiessen.
Önder Tütüncübasi hat in Deutschland Volkswirtschaftslehre studiert, ist 38 Jahre alt und Finanzchef der Karmez GmbH. Zusammen mit seinen sechs Brüdern führt er das prosperierende Familienunternehmen im Frankfurter Stadtteil Riederwald. Die Produktion platzt bereits aus allen Nähten und wurde darum Anfang Jahr massiv erweitert.
Dönerkebab heisst wörtlich übersetzt «sich drehender Braten». Vor dreissig Jahren trat der Kebab von Berlin aus seinen Siegeszug durch Deutschland an. Mittlerweile zählt das gefüllte Fladenbrot zum beliebtesten Fingerfood Europas. In Deutschland wurden 1997 über 720 Millionen Portionen des gewürzten Spiessfleisches verdrückt. Die Imbissstände setzten mit über drei Milliarden Mark mehr um als McDonald’s Deutschland.
Die Geschichte des Ur-Döners reicht aber weit zurück. Vor etwa 170 Jahren soll Chefkoch Hamdi Usta aus der nordanatolischen Stadt Kastamonu erstmals auf die Idee gekommen sein, marinierte Tranchen des traditionellen Lammbratens drehend in der Vertikalen zu grillieren. Wenig später schuf Koch Iskender aus der westanatolischen Stadt Bursa unabhängig von seinem Kollegen ein ähnliches Gericht, das er Dönerkebab nannte.
Fixfertige Spiesse als Marktlücke
Angefangen haben die Gebrüder Tütüncübasi ganz bescheiden. Anfang der Achtzigerjahre eröffneten sie einen Lebensmittelladen. Das Geschäft lief nur schleppend. Eine Wirtschaftskrise lag bleiern über Deutschland. Viele Türken verloren ihren Job und machten sich in der Not selbstständig - zum Beispiel als Besitzer eines Kebabstands.
Während dieser Zeit bauten die Gebrüder Tütüncübasi den Fleischverkauf über die Theke zum Grosshandel aus. Sie deckten sich direkt beim Schlachthof ein, verarbeiteten die Tiere und belieferten damit die umliegenden Lebensmittelläden. Auch Betreiber von Döner-Imbissen kauften bei ihnen Fleischplätzchen ein, um daraus selber ihre Fleischkegel für den Grill in mühevoller Handarbeit herzustellen.
Die Brüder erkannten die Marktlücke und boten versuchsweise fixfertig produzierte Kebabrohlinge am Spiess an. Zuerst gingen davon täglich nur 20 Kilo über den Ladentisch. Die Produkte der Tütüncübasis waren so erfolgreich, dass sich die Fleischhändler ab 1989 ganz auf die Herstellung von Kebab konzentrierten. Zwei Jahre nach diesem Entschluss eröffneten sie die Dönerfabrik Karmez in Frankfurt. Der Name des Unternehmens setzt sich zusammen aus den türkischen Wörtern Kardesler (Gebrüder) und Mezbaha (Schlachterei). Sieben Tonnen Fleischspiesse stellten sie damals täglich her. Nach Abschluss des Ausbaus werden es 35 Tonnen sein.
130 Personen arbeiten für die Firma Karmez. Drei Viertel davon sind Landsleute der Tütüncübasis, die übrigen Arbeiter stammen aus Spanien, Italien, Jugoslawien, Afrika oder Brasilien. «Die meisten unserer Angestellten in der Produktion mussten wir anlernen, was ein Jahr dauert. Es ist sehr schwierig, ausgebildete Kebab-meister zu finden», erzählt Önder.
Einen schönen Dönerkebab herzustellen, ist nämlich eine Kunst. Er soll kompakt, fest und stabil sein. «Legt man mehrere Fleischstücke mit hohem Fettgehalt übereinander, wird der Turm instabil und fällt zusammen», erklärt Önder.
Es sei auch wichtig darauf zu achten, dass beim Aufschichten keine Löcher entstünden. Und verwende man zu kleine Fleischstücke, könnten sie beim Abschneiden im Grill herausfallen. Die kleinsten Kebabs von Karmez wiegen zehn Kilo, die grössten 120 Kilo. Eine Stunde lang türmt ein Routinier Fleischstücke aufeinander, bis ein durchschnittlicher Spiess fertig ist.
Das bestgehütete Geheimnis der Firma Karmez ist die Gewürzmischung für die Marinade. Nur zwei Brüder und der Gewürzmeister kennen deren Zusammensetzung. «Die Würzmischung ist ein wichtiger Erfolgsfaktor», sagt Önder. Einen Tag lang liegen die Fleischstücke in der Marinade, bevor sie weiterverarbeitet werden.
Die Angestellten in der Produktion - mit Mundschutz bewehrt und bei 12 Grad Raumtemperatur arbeitend - sprechen wenig miteinander. An einem Tisch stellen drei Männer Hackfleischkebab her. Zwischen dicke Hackfleischlaiber legen sie ganze Fleischstücke. Der Hackfleischanteil darf höchstens 60 Prozent betragen. Der Rest muss aus ganzen Fleischstücken bestehen. Dies schreibt die deutsche Hackfleischverordnung vor.
In der Schweiz darf Kebab aus hundert Prozent Hackfleisch bestehen. Ein reiner Hackfleischkebab bringt dem Imbissbudenbesitzer ökonomische Vorteile: Er ist günstiger als ein Kebab aus ganzen Fleischstücken und es lassen sich im Grill neun statt sechs Portionen von einem Kilo in die Brottasche raspeln. 22 verschiedene Sorten Kebab stellt Karmez her: Kalbfleischkebab, Pouletkebab, Rindleischkebab, Kebab mit Gemüse und alle möglichen Mischvarianten. Schweinefleisch ist tabu. Kebab aus Schaffleisch, wie er in der Türkei und in England bevorzugt gegessen wird, ist im übrigen Europa nicht beliebt.
Europaweit, aber nicht in die Schweiz
Der Original-Dönerkebab wird bei Karmez aus «Milchkalb» hergestellt. «Unser Premiumprodukt», sagt Önder stolz. Kalbfleisch eigne sich geschmacklich für Döner am besten. Es sehe auch am Grill schöner aus als Rindfleisch, dass sich dunkler verfärbe. Rund 14 Mark kostet das Kilo.
Döner aus Pouletfleisch hat den Nachteil, dass es wegen seines geringeren Fettgehalts beim Braten schnell austrocknet. Darum liegt auf dem Poulet-Dönerkebab eine Kappe aus Fett, die während des Grillierens aufs Fleisch tropft und es saftig hält. Karmez exportiert seine Produkte in fast alle europäischen Länder. Ausser in die Schweiz - wegen der «hohen Zölle».
tagesanzeiger (CH)
Gruß
Happy End
Önder Tütüncübasi hat in Deutschland Volkswirtschaftslehre studiert, ist 38 Jahre alt und Finanzchef der Karmez GmbH. Zusammen mit seinen sechs Brüdern führt er das prosperierende Familienunternehmen im Frankfurter Stadtteil Riederwald. Die Produktion platzt bereits aus allen Nähten und wurde darum Anfang Jahr massiv erweitert.
Dönerkebab heisst wörtlich übersetzt «sich drehender Braten». Vor dreissig Jahren trat der Kebab von Berlin aus seinen Siegeszug durch Deutschland an. Mittlerweile zählt das gefüllte Fladenbrot zum beliebtesten Fingerfood Europas. In Deutschland wurden 1997 über 720 Millionen Portionen des gewürzten Spiessfleisches verdrückt. Die Imbissstände setzten mit über drei Milliarden Mark mehr um als McDonald’s Deutschland.
Die Geschichte des Ur-Döners reicht aber weit zurück. Vor etwa 170 Jahren soll Chefkoch Hamdi Usta aus der nordanatolischen Stadt Kastamonu erstmals auf die Idee gekommen sein, marinierte Tranchen des traditionellen Lammbratens drehend in der Vertikalen zu grillieren. Wenig später schuf Koch Iskender aus der westanatolischen Stadt Bursa unabhängig von seinem Kollegen ein ähnliches Gericht, das er Dönerkebab nannte.
Fixfertige Spiesse als Marktlücke
Angefangen haben die Gebrüder Tütüncübasi ganz bescheiden. Anfang der Achtzigerjahre eröffneten sie einen Lebensmittelladen. Das Geschäft lief nur schleppend. Eine Wirtschaftskrise lag bleiern über Deutschland. Viele Türken verloren ihren Job und machten sich in der Not selbstständig - zum Beispiel als Besitzer eines Kebabstands.
Während dieser Zeit bauten die Gebrüder Tütüncübasi den Fleischverkauf über die Theke zum Grosshandel aus. Sie deckten sich direkt beim Schlachthof ein, verarbeiteten die Tiere und belieferten damit die umliegenden Lebensmittelläden. Auch Betreiber von Döner-Imbissen kauften bei ihnen Fleischplätzchen ein, um daraus selber ihre Fleischkegel für den Grill in mühevoller Handarbeit herzustellen.
Die Brüder erkannten die Marktlücke und boten versuchsweise fixfertig produzierte Kebabrohlinge am Spiess an. Zuerst gingen davon täglich nur 20 Kilo über den Ladentisch. Die Produkte der Tütüncübasis waren so erfolgreich, dass sich die Fleischhändler ab 1989 ganz auf die Herstellung von Kebab konzentrierten. Zwei Jahre nach diesem Entschluss eröffneten sie die Dönerfabrik Karmez in Frankfurt. Der Name des Unternehmens setzt sich zusammen aus den türkischen Wörtern Kardesler (Gebrüder) und Mezbaha (Schlachterei). Sieben Tonnen Fleischspiesse stellten sie damals täglich her. Nach Abschluss des Ausbaus werden es 35 Tonnen sein.
130 Personen arbeiten für die Firma Karmez. Drei Viertel davon sind Landsleute der Tütüncübasis, die übrigen Arbeiter stammen aus Spanien, Italien, Jugoslawien, Afrika oder Brasilien. «Die meisten unserer Angestellten in der Produktion mussten wir anlernen, was ein Jahr dauert. Es ist sehr schwierig, ausgebildete Kebab-meister zu finden», erzählt Önder.
Einen schönen Dönerkebab herzustellen, ist nämlich eine Kunst. Er soll kompakt, fest und stabil sein. «Legt man mehrere Fleischstücke mit hohem Fettgehalt übereinander, wird der Turm instabil und fällt zusammen», erklärt Önder.
Es sei auch wichtig darauf zu achten, dass beim Aufschichten keine Löcher entstünden. Und verwende man zu kleine Fleischstücke, könnten sie beim Abschneiden im Grill herausfallen. Die kleinsten Kebabs von Karmez wiegen zehn Kilo, die grössten 120 Kilo. Eine Stunde lang türmt ein Routinier Fleischstücke aufeinander, bis ein durchschnittlicher Spiess fertig ist.
Das bestgehütete Geheimnis der Firma Karmez ist die Gewürzmischung für die Marinade. Nur zwei Brüder und der Gewürzmeister kennen deren Zusammensetzung. «Die Würzmischung ist ein wichtiger Erfolgsfaktor», sagt Önder. Einen Tag lang liegen die Fleischstücke in der Marinade, bevor sie weiterverarbeitet werden.
Die Angestellten in der Produktion - mit Mundschutz bewehrt und bei 12 Grad Raumtemperatur arbeitend - sprechen wenig miteinander. An einem Tisch stellen drei Männer Hackfleischkebab her. Zwischen dicke Hackfleischlaiber legen sie ganze Fleischstücke. Der Hackfleischanteil darf höchstens 60 Prozent betragen. Der Rest muss aus ganzen Fleischstücken bestehen. Dies schreibt die deutsche Hackfleischverordnung vor.
In der Schweiz darf Kebab aus hundert Prozent Hackfleisch bestehen. Ein reiner Hackfleischkebab bringt dem Imbissbudenbesitzer ökonomische Vorteile: Er ist günstiger als ein Kebab aus ganzen Fleischstücken und es lassen sich im Grill neun statt sechs Portionen von einem Kilo in die Brottasche raspeln. 22 verschiedene Sorten Kebab stellt Karmez her: Kalbfleischkebab, Pouletkebab, Rindleischkebab, Kebab mit Gemüse und alle möglichen Mischvarianten. Schweinefleisch ist tabu. Kebab aus Schaffleisch, wie er in der Türkei und in England bevorzugt gegessen wird, ist im übrigen Europa nicht beliebt.
Europaweit, aber nicht in die Schweiz
Der Original-Dönerkebab wird bei Karmez aus «Milchkalb» hergestellt. «Unser Premiumprodukt», sagt Önder stolz. Kalbfleisch eigne sich geschmacklich für Döner am besten. Es sehe auch am Grill schöner aus als Rindfleisch, dass sich dunkler verfärbe. Rund 14 Mark kostet das Kilo.
Döner aus Pouletfleisch hat den Nachteil, dass es wegen seines geringeren Fettgehalts beim Braten schnell austrocknet. Darum liegt auf dem Poulet-Dönerkebab eine Kappe aus Fett, die während des Grillierens aufs Fleisch tropft und es saftig hält. Karmez exportiert seine Produkte in fast alle europäischen Länder. Ausser in die Schweiz - wegen der «hohen Zölle».
tagesanzeiger (CH)
Gruß
Happy End