Internationaler Finanzmarkt
Die Fed forciert weitere Dollar-Abwertung
Fast alle sind sich einig: Eine abermalige quantitative Lockerung wird kommen. Damit setzt sich auch der Kapitalstrom in die Schwellenländer fort. Nähern sich die Märkte schon wieder einer Übertreibung?
Von Bettina Schulz, London
17. Oktober 2010 Es sind nur noch wenige Wochen und die beiden großen angelsächsischen Notenbanken machen ernst: in beiden Zentralbanken neigen immer mehr Geldpolitiker zu einer zweiten Welle der quantitativen Lockerung. Dabei wird mit Hilfe des Kaufs von Staatsanleihen versucht, die mittel- und langfristige Kapitalmarktrendite zu senken, um der Wirtschaft Hilfestellung für ein bisher ausgebliebenes stärkeres Wachstum zu geben.
Mit der Veröffentlichung des Protokolls der letzten Sitzung der amerikanischen Notenbank vom 21. September ist die Überzeugung der Märkte gestiegen, dass die Federal Reserve (Fed) nun eine zweite Welle der quantitativen Lockerung vorbereitet. Die Zinsstrukturkurve am amerikanischen Kapitalmarkt hat sich steiler ausgebildet, denn die Aussicht auf die bevorstehende Lockerungsmaßnahmen drückt die kurz- und mittelfristigen Renditen am Kapitalmarkt. Die Inflationsbefürchtungen lassen dagegen längerfristige Renditen steigen.
Der Dollar wird weiter abwerten
Die reale Renditedifferenz von Dollaranlagen hat sich deshalb gegenüber Anlagen in anderen Währungen zu Lasten des Dollar zurückgebildet. Dies könnte sich nur bei einem derzeit unwahrscheinlichen Wachstumsschub in den Vereinigten Staaten ändern. Deshalb sind nahezu alle Fondsmanager in der Londoner City und der Wall Street überzeugt, dass sich die Abwertung des Dollar fortsetzen wird und andere Währungen an Wert gewinnen werden. Der Dollar verlor daher auch in der vergangenen Woche mit relativer Leichtigkeit und Geschwindigkeit gegenüber dem Euro auf 1,41 Dollar. Gegenüber dem britischen Pfund fiel der Dollar auf 1,60 Dollar, gegenüber dem australischen Dollar sank die amerikanische Währung fast auf Parität, gegenüber dem Yen auf 81 Yen. Dies ist nicht mehr weit entfernt von dem Rekordtief von 79,90 Yen. Gegenüber dem chinesischen Yuan verlor der Dollar bis auf 6,65 Yuan.
„Solange die Federal Reserve glaubwürdig bleibt und die Märkte von ihrer Politik einer Re-Inflationierung überzeugt sind, wird dies negativ für den Dollar bleiben“, heißt es bei der Deutschen Bank. Goldman Sachs prognostiziert, dass der Dollar in den kommenden zwölf Monaten um weitere 4,7 Prozent auf sein historisches Tief - gemessen an seinem handelsgewichteten Index - nachgeben wird. Gegenüber dem Euro werde der Dollar in dieser Zeit auf 1,55 Dollar abwerten, also nochmals 13 Prozent vom jetzigen Niveau aus verlieren.
Brasilien unter erheblichem Aufwertungsdruck
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Die Erwartung einer auf Dauer extrem expansiven Geldpolitik und damit niedriger Anleiherenditen lässt das Kapital mit großer Geschwindigkeit an höherrentierliche Märkte wachstumsstarker Regionen fließen: das sind die Schwellenländer, allen voran Asien und Brasilien, deren Aktienmärkte stark zulegen und deren Währungen angesichts des Kapitalzuflusses unter erheblichem Aufwertungsdruck stehen - mithin die Warnung Brasiliens vor einem „Währungskrieg“.
Das Kapital fließt derweil auch an die europäischen Märkte, allen voran den deutschen Markt. Dies erklärt, warum der Dax-Index als Leitindex der stärksten europäischen Volkswirtschaft nach monatelanger Seitwärtsbewegung in der vergangenen Woche über das Niveau von 6400 Punkten hinaus ausgebrochen ist und am Freitag bei 6492 Punkten geschlossen hat. Ende dieser Woche wird der Ifo-Geschäftsklimaindex zeigen, wie die deutsche Industrie auf die starken Währungsbewegungen reagieren wird.
Welle von Absicherungskäufen
Die Aussicht darauf, dass die Fed nun das zweite Mal Maßnahmen vorbereitet, um Geld in den Markt zu pumpen, erklärt zudem, warum Hedge-Fonds in den vergangenen Wochen ihre Leerverkaufspositionen an den Aktienmärkten eingedeckt haben und angesichts bisher guter Quartals-Berichtssaison in Amerika Netto-Kaufpositionen eingegangen sind. Entsprechend ist der amerikanische Aktienmarkt gestiegen, dessen Index S&P 500 am Freitag bei 1176 Punkte schloss.
Der abwertende Dollar bewirkt jedoch ein Weiteres: nicht nur die Federal Reserve und - noch zögernd - die Bank von England liebäugeln mit expansiver Geldpolitik und Währungsabwertung. Andere Notenbanken stellen mit Blick auf den schon bestehenden Aufwertungsdruck auf ihre Währungen eine eigentlich notwendige restriktive Geldpolitik zurück. All dies führt zu Inflationsängsten und mithin einer Welle von Absicherungskäufen gegen Inflation in Gold, Silber und in den Rohstoffen, die gleichzeitig von der Nachfrage der wachstumsstarken Schwellenländer gestützt werden wie Kupfer. Der Goldpreis stieg in der letzten Woche auf einen Rekord von 1387 Dollar je Feinunze, ebenso Silber. Der Kupferpreis ist mittlerweile wieder auf dem Niveau von vor der Finanzkrise angelangt.
Schon wieder eine Übertreibung?
Am Mittwoch wird der britische Schatzkanzler George Osborne das härteste Sparprogramm des Landes seit dem zweiten Weltkrieg präsentieren. Das jüngste Sitzungsprotokoll der Bank von England dürfte am Mittwoch zeigen, dass sich auch die Stimmung innerhalb der britischen Notenbank zugunsten einer zweiten Welle der quantitativen Lockerung dreht. Auf dem Treffen der Finanzminister der G20 am nächsten Wochenende wird voraussichtlich deutlich, dass trotz aller Rhetorik auf der ganzen Welt die Akzeptanz steigt, dass der Dollar abwerten wird und den anderen Ländern kein anderer Ausweg bleibt als aufzuwerten, wollen sie nicht unentwegt intervenieren oder Kapitalverkehrskontrollen einführen.
Singapur hat daher vergangene Woche verkündet, dass es die Bandbreite für eine Aufwertung seiner Währung ausweitet. Russland ist denselben Weg gegangen. Japan hat sich eher mit Interventionen zurückgehalten und Korea gar wegen seiner Interventionen kritisiert. Gleichzeitig lässt sich die Europäische Zentralbank (EZB) von der Euroaufwertung nicht beirren. Im historischen Vergleich ist der Euro zudem noch lange nicht überbewertet.
Nähern sich die Märkte schon wieder einer Übertreibung, zumal fast alle Fondsmanager auf die gleiche Entwicklung an den Märkten setzen? J.P. Morgan meint, die Aktien und Währungen der Schwellenländer sind am weitesten von einer Blasenbildung entfernt; auch hochrentierliche Anleihen und die Abwertungsbewegung des Dollar deuten noch nicht auf eine Übertreibungen des Marktes, wohl aber die künstlich hohe Kapitalzufuhr an die Anleihemärkten der Schwellenländer und vor allem den Markt für amerikanische Staatsanleihen.
Text: F.A.Z.
Bildmaterial: F.A.Z.
www.faz.net/s/...21A924637D17E29A73~ATpl~Ecommon~Scontent.html