Türkische Börse - anhaltende Rallye oder Korrektur
3. Türkische Börse – anhaltende Rallye oder Korrektur?
An der türkischen Börse ging es heiß her in der vergangenen Woche. Nach anfänglichen deutlichen Kursgewinnen setzte eine Korrektur ein. Nun stellt sich die Frage: Ist dies die Trendwende nach der rasanten Klettertour der vergangenen Monate oder doch nur eine Konsolidierung im Aufwärtstrend?
Grund für die zunächst deutlich anziehenden Notierungen in der Vorwoche war der Start der EU-Beitrittsverhandlungen. Die türkischen Börsianer ließen sich dabei zum Wochenauftakt nicht von der zermürbenden EU-Krisendiplomatie in Luxemburg beirren. Noch bevor der politische Deal über die Aufnahme von Beitrittsgesprächen mit der Türkei in trockenen Tüchern war, feuerte die Börse in Istanbul ein Kursfeuerwerk ab. Das nationale Kursbarometer ISE 100 schnellte am Montag um 2,9% nach oben und schloss auf Tageshöchststand. Und auch der ISE 30, der ähnlich wie beim deutschen DAX die 30 nach Marktkapitalisierung größten Unternehmen zusammenfasst, kletterte um 3%. Am Dienstag setzte sich die Rekordjagd beim ISE 100 um weitere 3,9% auf einen neuerlichen Rekordstand von 35.624 Punkten fort. Im Handelsverlauf lag der Index sogar noch höher und erreichte in der Spitze mehr als 35.800 Punkte. Der ISE 30 markierte bei 46.264 Punkten den bisher höchsten Stand.
Börsianer bejubeln Start der Verhandlungen
Die türkischen Investoren feierten die aufgenommenen Beitrittsverhandlungen der Türkei zur EU. Zunächst sah es dabei so aus, als wenn sie am Widerstand Österreichs scheiterten. So wurde mit Erstaunen registriert, dass nicht etwa Griechenland oder Zypern, sondern gerade Österreich eine so starke Position gegen den EU-Beitritt Ankaras eingenommen hatte. Ironie der Geschichte: Schon früher hatten sich die Türken die Zähne an den Österreichern ausgebissen. Zum ersten Mal scheiterte das osmanische Reich, der Vorgänger der Türkei, 1529 bei der Belagerung von Wien. Ein Wintereinbruch hatte die Belagerer hier gezwungen, den Feldzug abzubrechen. Dennoch wurde Österreich als Folge dieses Konflikts langfristig tributpflichtig. 1683 unternahm man dann nochmals einen Versuch, Wien zu erobern. Was aber schon in der Blütezeit des Osmanischen Reiches 150 Jahre vorher nicht gelang, wurde nun zum Desaster und zum Wendepunkt der Auseinandersetzung mit den europäischen Staaten.
Friedliche Annäherung
Einige hundert Jahre später ist die Türkei nun dabei, sich der EU auf freundlichem Wege zu nähern. Nachdem Österreich seinen Widerstand aufgegeben hat, haben die Gespräche begonnen. Für die Türkei bedeutet dies nach Ansicht der Investoren einen Riesenschritt. Schon in den vergangenen Jahren hatte das Land die Ärmel hochgekrempelt. Politische Stabilität, hohes Wirtschaftswachstum und sinkende Inflation haben den Staat am Bosporus zu einem begehrten Wirtschaftsstandort gemacht. Ausländische Investoren, die sich früher eher rar gemacht hatten, kommen mittlerweile in Scharen. Die Entscheidung der EU, mit der Türkei über einen Beitritt zu verhandeln, könnte nun weitere ausländische Kapitalgeber anlocken.
Reichlich Reformbedarf
Allerdings gibt es auch noch einige Baustellen, die es zu bearbeiten gilt und den Investoren wurde im weiteren Wochenverlauf klar, dass die Verhandlungen schwer und lang werden könnten. Es besteht noch reichlich Reformbedarf. So müssten Rechtsstaat, Meinungsfreiheit und die Rechte von Frauen, Religionsgemeinschaften und Gewerkschaften zur alltäglichen Realität in jedem Winkel des Landes werden. Und auch die Differenzen im Zypernkonflikt sind noch nicht ausgeräumt. Den Investoren wurde im weiteren Wochenverlauf daher klar, dass der Weg in die EU lang und steinig werden dürfte. Ob diese schwierig anmutenden Themen die Stimmung an der türkischen Börse im Wochenverlauf eintrübten, oder ob es an den schwachen Vorgaben anderer Börsen lag, ist offen. Sicherlich war es ein Mix aus beidem. Zudem sind Gewinnmitnahmen auf dem hohen Niveau nicht verwunderlich, und hier könnte die Börsenweisheit "Sell on good news!" zur Begründung herangezogen werden. Nun stellt sich die Frage: Wird die Konsolidierung fortgesetzt oder wird die Rallye wieder aufgenommen?
Türkei im Kommen
Aus fundamentaler Sicht könnte die Aufwärtstendenz der türkischen Börse aber weiter anhalten. Zwar ist das Land schon seit einiger Zeit kräftig im Kommen, und dies zeigt sich auch in der Entwicklung am türkischen Aktienmarkt. Die begonnenen Verhandlungen könnten aber für zusätzliche Impulse für die Wirtschaft sorgen. Die zunehmende Aufwärtstendenz wird auch am Beispiel Deutschland erkennbar. So gehen einige Experten davon aus, dass bis Jahresende rund 2000 deutsche Firmen in der Türkei vertreten sein werden. Damit hätte sich die Zahl den Angaben nach innerhalb von zehn Jahren vervierfacht. Ferner hat sich das deutsch-türkische Handelsvolumen in den vergangenen Jahren kräftig erhöht. Vor allem durch steigende türkische Exporte nach Deutschland. Sie sind von 12 Mrd. Euro im Jahr 2001 auf 20 Mrd. Euro im Jahr 2004 gestiegen. Die große Stärke der türkischen Exportexpansion liegt darin, das sie stark diversifiziert ist und immer mehr Produkte hinzukommen. In weniger beachteten Branchen wie etwa der Sanitärkeramik kommt die Türkei in Europa bereits auf zweistellige Marktanteile.
Anhaltende Rallye oder Korrektur?
Trotz der nach wie vor guten fundamentalen Aussichten könnte es derzeit aber auch eine kleine Pause geben. Vor allem die Charttechnik ist aus kurzfristiger Sicht ein wenig angeschlagen. Die am Freitag und Montag gebildeten Muster im Kerzenchart ("Dojis") deuten dabei auf eine große Unentschlossenheit zwischen Bullen und Bären hin. Sie wurden in etwa auf dem Niveau zweier kurzfristiger Unterstützungen gebildet. Immerhin haben diese gehalten, und die Chancen für eine Fortsetzung der Rallye sind nach wie vor vorhanden. Noch sind die Würfel aber nicht gefallen, und eine ausgedehntere Korrektur ist noch nicht vom Tisch. Möglicherweise bietet diese aber eine gute Möglichkeit, um sich langfristig zu positionieren.
Derivate-Trading
Investoren können dabei auf einige Derivate zurückgreifen. Sie gibt es allerdings nur auf den ISE 30. Und auch hier ist die Auswahl eher mager. Im Angebot sind derzeit zwei Indexzertifikate der Deutschen Bank (WKN: DB0AMD) und ABN Amro (WKN: ABN5TL). ABN Amro hat zudem zwei Hebelzertifikate (WKN: ABN0L2) (WKN: ABN0L6) im Sortiment.
Generell sollten sich Anleger über die erhöhten Risiken beim Handel mit Optionsscheinen bzw. Knockout-Produkten bewusst sein und eine adäquate Limittechnik verfolgen. Anleger sollten verstehen, dass der Handel mit Optionsscheinen unter anderem durch die höhere Reagibilität wesentlich risikoreicher ist als der physische Aktienhandel und vornehmlich der gezielten Nutzung von zeitlich fest definierten Marktchancen dient. Aufgrund der Hebelwirkung ist im Vergleich zum physischen Erwerb der Aktie ferner lediglich ein wesentlich geringerer Kapitaleinsatz erforderlich.
Quelle: "Global Markets Newsletter" Ausgabe #259
Bleck
Türkei vor Beitrittsverhandlungen
21.09.2005
Türkei vor Beitrittsverhandlungen
Commerzbank Corp. & Markets
Für die Türkei gab es in den vergangenen Tagen gleich zwei positive Nachrichten, berichten die Analysten von Commerzbank Corporates & Markets.
Zunächst sei es dem bürgerlichen Lager in Deutschland nicht gelungen, bei den Bundestagswahlen eine eigene Mehrheit zu erringen. Die ablehnende Haltung gegenüber einem türkischen EU-Beitritt dürfte sich somit auch im Falle einer Regierungsübernahme kaum mehr vollständig umsetzen lassen. Zudem hätten sich die 25 Mitgliedsstaaten der EU darauf verständigt, dass die Türkei erst nach Beginn der Beitrittsgespräche Zypern völkerrechtlich anerkennen müsse. Wenn nicht noch unvorhersehbare Dinge geschehen würden, dürfte der Aufnahme von Beitrittsgesprächen am 3. Oktober somit nichts mehr im Wege stehen, da auch Zypern seine Zustimmungsbereitschaft signalisiert habe.
Vor diesem Hintergrund überrasche es nicht, dass die türkische Lira seit Wochenbeginn fester tendiere. Da die EU-Verhandlungen ein langer und ergebnisoffener Prozess seien, dürfte sich das Interesse nun wieder stärker auf die Fundamentaldaten verlagern. Ein robustes Wachstum, ein attraktives Zinsniveau und eine weiter zurückgehende Inflationsrate dürften die Lira stützen. Das Interesse richte sich nun auf die derzeit laufenden Verhandlungen mit dem IWF über die Freigabe eines 10 Milliarden-Dollar-Kredites. Die Türkei habe gestern erklärt, die staatlichen Ausgaben im Sozialbereich und in der Landwirtschaft um insgesamt 2 Mrd. Lira kürzen zu wollen, was ebenfalls als positives Zeichen zu werten sei.
www.fondscheck.de
ossi1
Problem Zypern
Solange die Türkei einen EU-Staat wie Zypern nicht anerkennt, dürfte mit der Türkei noch nicht einmal über eine EU-Aufnahme gesprochen werden.
Bleck
Alle EU-Staaten für Verhandlungsstart mit Türkei
Alle EU-Staaten für Verhandlungsstart mit Türkei am 3.Oktober
Zypriotischer Präsident: Keine Einwände
Alle 25 EU-Staaten sind damit einverstanden, dass die Beitrittsgespräche mit der Türkei wie geplant am 3. Oktober beginnen sollen. Zypern, das wegen der Nichtanerkennung durch Ankara damit gedroht hatte, diesen Fahrplan nicht einzuhalten, will sich nach Angaben seines Präsidenten Tassos Papadopoulos dem Verhandlungsbeginn nicht in den Weg stellen, schreibt die APA.
"Es gibt kein Land in der EU, das sagt, dass die Verhandlungen nicht am 3. Oktober beginnen sollen", erklärte Papadopoulos am Dienstag gegenüber Reportern.
"Ich gehe davon aus, dass die Beitrittsverhandlungen zwischen der Türkei und der EU kurz nach Ablauf dieses Jahrzehnts abgeschlossen sein werden und dass ein Beitritt vor 2015 stattfinden kann", meinte BA-CA-Vorstand Willi Hemetsberger am Vormittag in einer Aussendung. Die bisher längste Phase zwischen dem Start von Beitrittsverhandlungen bis zum tatsächlichen Beitritt werde für Bulgarien und Rumänien gelten, nämlich sieben Jahre, wenn sie plangemäss 2007 beitreten.
Nach Kalkulationen der Europäischen Kommission und der BA-CA werden sich die jährlichen Nettokosten eines EU-Beitrittes der Türkei auf 0,07% bis 0,21% des BIP der EU-25 im Jahr 2025 belaufen. Das entspricht dem Betrag für die 10 neuen Mitgliedsstaaten. Damit würden die Beitrittskosten rund 19% des EU-Budgets ausmachen, vorausgesetzt es wächst in der gleichen Geschwindigkeit wie das BIP der EU-25. Bis dahin sind jedenfalls Neuerungen in der EU-Finanzierung zu erwarten, insbesondere in der Landwirtschaft.
"Die EU kann es sich leisten, die Türkei als Mitglied aufzunehmen”, betonte Hemetsberger. Dabei wäre der Beitritt keineswegs eine Einbahnstraße, von dem nur die Türkei profitieren würde. Tatsächlich erhielte die EU eine junge und zunehmend gut ausgebildete Bevölkerung, während die Zahl ihrer eigenen Arbeitskräfte drastisch abnimmt.
http://boerse.wirtschaftsblatt.at