- EU-Automobilindustrie fordert Abkehr vom Verbrennerverbot.
- China dominiert den Markt für Batterien und Rohstoffe.
- Neuzulassungen für Elektroautos in Deutschland steigen erheblich.
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Nicolas Fuchs
Nicolas Fuchs
Kurz vor der Internationalen Automobilausstellung (IAA) in München am 9. September bringt sich die europäische Automobilindustrie erneut in Stellung: Die beiden Branchenvertreter Ola Källenius (Mercedes-Benz, ACEA-Präsident) und Matthias Zink (Schaeffler, CLEPA-Präsident) fordern eine Abkehr vom starren Kurs der EU-Kommission. Besonders das geplante Verbot neuer Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren ab dem Jahr 2035 stößt in der Industrie weiterhin auf Widerstand.
Beide Manager betonen, dass sie Elektromobilität grundsätzlich unterstützen. Sie fordern jedoch technologieoffene Lösungen. Vollelektrische Antriebe sollen zwar künftig die zentrale Rolle spielen, doch insbesondere der Übergang dorthin müsse wirtschaftlich und geopolitisch tragfähig gestaltet werden.
Die Kernaussage: Ein vollständiger Verzicht auf Verbrenner ohne technologische Alternativen gefährde nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Automobilindustrie, sondern führe zu einer kritischen Abhängigkeit von asiatischen und insbesondere chinesischen Lieferketten.
Die Batterie gilt als Herzstück der Elektromobilität. Und genau hier hat sich über Jahrzehnte eine klare Dominanz Chinas herausgebildet. Insbesondere beim Abbau, der Verarbeitung und Veredelung von Lithium, Kobalt und Grafit verfügt China über nahezu monopolartige Marktstellungen.
Nach Angaben der Marktforschungsfirma SNE Research decken die beiden größten chinesischen Zellhersteller CATL und BYD zusammen über 55 % des Weltmarkts ab. Weitere asiatische Hersteller wie LG Energy, SK On, Samsung SDI und Panasonic (Panasonic Aktie) kommen gemeinsam auf rund 22 %. Auch diese Unternehmen beziehen den Großteil ihrer Rohstoffe aus China. Europa spielt in dieser Wertschöpfungskette bislang nur eine marginale Rolle.
Simon Lux vom Fraunhofer-Institut für Batteriezellfertigung warnt daher: "Geopolitische Spannungen oder Exportbeschränkungen könnten zu massiven wirtschaftlichen Schäden führen." Europas strategische Autarkie sei dadurch gefährdet.
Branchenexperten sehen die Hauptursache für die aktuelle Situation in strukturellen Fehlern der Vergangenheit. Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach kritisiert: „Viele Hersteller haben Batteriezellen als austauschbare Massenware betrachtet, statt sich frühzeitig in die Technologie und Produktion einzuklinken.“
Die Folgen dieser Fehleinschätzung werden jetzt sichtbar: China hat seit den 2000er Jahren gezielt den Ausbau der Batterieindustrie gefördert und sich damit einen technologischen und wirtschaftlichen Vorsprung gesichert. Europa hinkt sowohl bei der Rohstoffverarbeitung als auch bei der Zellproduktion hinterher.
Källenius und Zink fordern daher von der EU-Kommission einen Kurswechsel: Statt einer Fixierung auf vollelektrische Antriebe sollte die Regulierung mehr technologische Offenheit .etwa für synthetische Kraftstoffe, Hightech-Benziner und Plug-in-Hybride ermöglichen.
Zink argumentiert, dass der Markt andernfalls einen vorgezogenen Run auf Verbrenner erleben werde, was klimapolitisch kontraproduktiv sei. Zudem könnten insbesondere kleine und mittelständische Zulieferer unter einer zu abrupten Transformation leiden. Dies hätte erheblichen Folgen für Arbeitsplätze und industrielle Wertschöpfung.
Die Neuzulassungszahlen für Elektroautos in Deutschland haben sich im August 2025 deutlich verbessert: Laut Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) wurden rund 39.400 neue batterieelektrische Fahrzeuge zugelassen was ein Plus von fast 46 % im Vergleich zum Vorjahresmonat enstpricht. Damit lag der Anteil an den Gesamtzulassungen bei etwa 19 %.
Doch der Blick hinter die Zahlen zeigt ein differenziertes Bild. Zum einen ist die starke Wachstumsrate auch auf das niedrige Vorjahresniveau zurückzuführen, denn 2024 hatte der Wegfall staatlicher Förderungen den Absatz deutlich eingebremst. Zum anderen bleibt die Nachfrage von Privatkunden laut dem Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK) weiterhin verhalten.
ZDK-Präsident Thomas Peckruhn mahnt: „Der Markt wird nach wie vor künstlich durch Eigenzulassungen von Herstellern und Händlern aufgebläht.“ Die Absatzzahlen seien daher kein Indikator für eine nachhaltige Trendwende.
Interessant ist der Blick auf einzelne Hersteller: Während chinesische Marken in Deutschland Marktanteile hinzugewinnen, verliert Tesla deutlich an Boden. Im August 2025 wurden lediglich rund 1.400 Tesla-Fahrzeuge neu zugelassen. Dies ist ein Rückgang von fast 40 % gegenüber dem Vorjahr. Kumuliert über das Jahr liegt das Minus sogar bei 56 %.
Chinesische Anbieter wie BYD oder MG profitieren hingegen von aggressiver Preisgestaltung, attraktiven Leasingmodellen und technologischem Vorsprung. Dies zeigt: Der Wettbewerb auf dem europäischen E-Auto-Markt wird härter und kommt zunehmend aus Asien.
Trotz struktureller Herausforderungen zeigen sich erste Anzeichen einer Stimmungsaufhellung in der deutschen Automobilindustrie. Der Geschäftsklimaindex des ifo Instituts für die Branche stieg im August auf -15,5 Punkte – nach -23,0 im Juli. Zwar liegt der Wert weiterhin im negativen Bereich, doch die Tendenz zeigt nach oben.
Vor allem die Geschäftslage wird laut ifo-Expertin Anita Wölfl positiver bewertet. Insbesondere die Nachfrage nach E-Fahrzeugen habe im ersten Halbjahr 2025 neue Höchstwerte erreicht – trotz der wirtschaftlichen Unsicherheiten und geopolitischen Spannungen.
Am 12. September treffen sich Vertreter der EU-Kommission mit Branchenführern in Brüssel. Im Raum steht die Überprüfung der Klimaziele für den Verkehrssektor. Der Blick wird hier insbesondere auf das Verbrennerverbot 2035 gehen.
Dass nun auch führende Politiker konservativer Parteien eine Aufweichung des Verbots fordern, verleiht den Argumenten der Industrie zusätzliche Schlagkraft. Beobachter rechnen damit, dass zumindest eine Flexibilisierung der Regulierung etwa durch Technologieoffenheit auf die Agenda kommen könnte.
Ob dies reicht, um die strukturellen Herausforderungen zu meistern und die strategische Unabhängigkeit Europas zu stärken, bleibt offen. Klar ist jedoch: Die Debatte um die Zukunft des Automobils ist noch lange nicht abgeschlossen und nimmt gerade wieder erneut Fahrt auf.
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