vor 10 Minuten :Greenpeace übt scharfe Kritik an den Plänen der Bundesregierung: diese unterstützten indirekt Kohle- und Atomkraftwerke.
....Bislang gilt bei der Förderung der Wind- und Solarenergie das Prinzip der fixen Einspeisevergütung: Wer ein Windrad aufstellt, bekommt 20 Jahre lang sechs bis acht Cent pro Kilowattstunde. Daneben gibt es wahlweise bereits die Direktvermarktung. Dies bedeutet: Der Strom wird an der Börse verkauft. Der Staat zahlt pro Monat die Differenz zwischen dem durchschnittlichen Börsenpreis, derzeit knapp vier Cent, und der Einspeisevergütung – das ist die sogenannte gleitende Marktprämie.
Gabriel will das Marktprämienmodell vom nächsten Jahr an bis 2017 schrittweise für fast alle Anlagen, die regenerativ Energie erzeugen, zwingend einführen. Ein radikaler Bruch mit dem alten Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Im Fokus steht dabei die Windkraft an Land. Ziel ist die viel beschworene „Marktintegration“ der Erneuerbaren.
Bislang werden Windparks so konzipiert, dass sie möglichst viele Kilowattstunden erzeugen. Künftig sollen mehr Windräder mit größeren Rotoren und kleineren Generatoren gebaut werden, so
Energiestaatssekretär Rainer Baake auf einer Tagung der Heinrich-Böll-Stiftung. Solche Schwachwindanlagen haben zwar eine geringere Leistung, laufen aber schon, wenn ein laues Lüftchen weht. In solchen Situationen besteht theoretisch die Chance, via Direktvermarktung Strom teuer an der Börse zu verkaufen, was das gesamte Versorgungssystem stabilisieren könnte.
Doch laut einer Studie des Instituts für Zukunftsenergie-Systeme (Izes), die der FR vorliegt, geht die Rechnung nicht auf. Eine Kalkulation mit Mehrerträgen bei schwachem Wind berge zu viele Unwägbarkeiten. Trotz Marktprämie bestehe eine risikoarme Strategie darin, „ganz wie bisher, die Zahl der erzeugten Kilowattstunden zu maximieren“, so die Studie, die im Auftrag von Greenpeace erstellt wurde.
Sylvia Pilarsky-Grosch, Präsidentin des Bundesverbandes Windenergie, schließt sich der Kritik an. Für sie ist die verbindliche Direktvermarktung „ohne erkennbaren Nutzen“. Zugleich würden Finanzierungs- und Transaktionskosten erhöht. Die Autoren der Izes-Studie schlagen in die gleiche Kerbe und erwarten ungünstigere Konditionen bei Krediten für neue Projekte.
Bei Windanlagen an Land kommen derzeit 20 Prozent oder weniger der Investitionssumme als Eigenkapital von den Investoren, der große Rest wird über Bankkredite finanziert. Bei der Einführung einer verpflichtenden Direktvermarktung müsse „eine Erhöhung des Eigenkapitalanteils um zehn Prozentpunkte erwartet werden“, schreiben die Izes-Experten. Hauptrisiko ist, dass der Vermarkter ausfällt, weil er im schlimmsten Fall insolvent geworden ist.
Dann will Gabriel Ausfallzahlungen garantieren, die sollen aber nur 80 Prozent der normalen Vergütung ausmachen. In der Branche wird befürchtet, dass Banken bei der Berechnung von Krediten generell diese 80 Prozent als verlässliche Einnahmen zugrundelegen, wodurch sich die Finanzierung neuer Anlagen merklich verteuert, was es Bürgerprojekten erschweren wird, in Windkraft zu investieren. Das ärgert den Greenpeace-Energieexperten Tobias Austrup: „Mit seiner verpflichtenden Direktvermarktung treibt Gabriel die Kosten der Energiewende hoch und drängt die Bürger aus dem Markt. Das ist weder sozial noch demokratisch.“
Die Izes-Experten sehen bei der Direktvermarktung weitere Faktoren, die vor allem großen Konzernen, die Atom- und Kohlestrom erzeugen, zu Gute kommen: Der Ausbau der Erneuerbaren bedingt, dass immer wieder ein Strom-Überangebot entsteht. Erzeuger müssen dann dafür zahlen, die Energie loszuwerden. In einer solchen Situation werden Windmüller ihre Rotoren künftig flugs aus dem Wind drehen, denn aufgrund des Direktvermarktungsmechanismus müssten sie draufzahlen.
Konventionelle Anlagen wie Braunkohlekraftwerke laufen aber weiter, da der Aufwand immens ist, sie abzuschalten. Die gleitende Marktprämie unterminiere, so die Izes-Experten, deshalb das Grundprinzip des EEG: Den Vorrang Erneuerbaren bei der Stromeinspeisung. Damit wird für Austrup die Energiewende auf den Kopf gestellt: „Saubere erneuerbare Energien werden abgeschaltet, während dreckige Kohle- und Atomkraftwerke durchlaufen."
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