Wunderschön finde ich mal wieder die negativen Assoziationen:
Ein Milliarden-Treuhänder wirft viele Fragen auf
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von Melanie Bergermann
11. Juni 2020
Kein Durchblick: Wenn es in Wirecards Konzernzentrale zu fragwürdigen Geschäften kam, mischte oft ein Treuhänder in Singapur mit.
Kein Durchblick: Wenn es in Wirecards Konzernzentrale zu fragwürdigen Geschäften kam, mischte oft ein Treuhänder in Singapur mit.
Bild: WirtschaftsWoche
Wirecard ließ Konten mit angeblich einer Milliarde Euro von einem Treuhänder verwalten, der nun nicht mehr erreichbar ist und ein großes Chaos hinterlässt. Wer ist der Mann? Eine Spurensuche.
Das Geschäftshaus Peninsula Plaza in Singapur wird auch „Klein-Myanmar“ genannt. Auf fünf Etagen residieren Geldwechsler, Reiseagenturen, Telefonläden und Shops mit Lebensmitteln, die typisch für Burma sind. Burmesische Arbeiter, von denen es viele in Singapur gibt, versorgen sich hier. Zum Komplex gehört auch ein 25 Etagen hohes Bürogebäude, das den Charme der Achtzigerjahre ausstrahlt. Die beste Adresse der Stadt ist es wohl nicht.
In diesem etwas schmuddligen Umfeld der asiatischen Boomtown sitzt eine Firma namens Citadelle Corporate Services. Ein Insider sagt, diese Firma habe für den Bezahldienstleister Wirecard treuhänderisch Konten mit rund einer Milliarde Euro verwaltet. Wirecard erklärt, man bestätige die Angaben zum Treuhänder nicht. „Unser Unternehmen macht grundsätzlich keine Angaben zu Einzelunternehmen oder Einzelpersonen.“ Dies diene dem Datenschutz.
Ende vergangenen Jahres jedenfalls quittierte der Treuhänder den Dienst. Seitdem ist er für Wirecard nicht mehr greifbar. Der Wirtschaftsprüfer KPMG kann nicht zweifelsfrei sagen, ob die von ihm betreuten Konten tatsächlich existierten. KPMG erhielt hierzu keine Bestätigung der Bank. So steht es in einem Untersuchungsbericht, den die Wirtschaftsprüfer im Auftrag des Wirecard-Aufsichtsrats erstellten.
Dass Wirecard die Zuverlässigkeit des Treuhänders prüfte, darf bezweifelt werden: KPMG erhielt hierzu keine Nachweise.
Wenn es sich bei dem Treuhänder tatsächlich um Citadelle handelt, wäre eine Überprüfung jedenfalls kaum zum Ergebnis gekommen, dass der Treuhänder eine unabhängige Instanz und über jeden Zweifel erhaben ist. Zu oft, wenn es in den vergangenen Jahren bei Wirecard zu fragwürdigen Geschäften kam, mischten Firmen mit, die mit Citadelle verbunden sind.
Wirecard arbeitet oft mit Partnern. Der Konzern ist zwar ein globaler Player im elektronischen Geldtransfer. Außerhalb Europas braucht der Konzern aber häufig Partner mit entsprechenden Lizenzen, um Zahlungen abzuwickeln.
Umtriebiger Treuhänder
Wirecard sichert die Partnerfirmen dabei über Guthaben auf Treuhandkonten gegen Verluste aus diesen Geschäften ab. Ende 2018 soll auf diesen Treuhandkonten eine Milliarde Euro gelegen haben – sagt Wirecard. KPMG erhielt als Beleg dafür, dass die Mittel tatsächlich da waren, lediglich Dokumente des ehemaligen Treuhänders.
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Der Fall Wirecard verunsichert Anleger. Die Aktionärsvereinigung DSW meldet so viele Anfragen wie zu Zeiten des Neuen Marktes. Denn rund um den Zahlungsabwickler gibt es immer wieder negative Schlagzeilen.
Für Wirtschaftsprüfer ist es normal, zusätzlich eine Bestätigung der kontoführenden Bank anzufordern. Üblicherweise bittet der Treuhänder die Bank einfach, das Dokument an den Wirtschaftsprüfer zu schicken. Einige Wirtschaftsprüfer sagen, Wirecard könne als „wirtschaftlich Berechtigter“ des Kontos den Beleg auch selbst anfordern. Ob und warum das hier nicht möglich war, sagt Wirecard nicht.
Unter der Telefonnummer von Citadelle meldet sich ein Mann, der sagt, Geschäftsführer Rajaratnam Shanmugaratnam sei nicht da. Er wisse nicht, wann der Chef wiederkomme. Eine Mail könne man Shanmugaratnam auch nicht schicken: „Die Adresse ist geheim.“ Macht es Sinn, noch einmal anzurufen? „Nein.“ Auf Nachrichten, die die WirtschaftsWoche an mehrere Mailadressen von Shanmugaratnam geschickt hat, die unter anderem im Handelsregister hinterlegt sind, reagierte er ebenso wenig wie auf ein Fax an sein Büro.
War er Wirecards Treuhänder?
Laut Homepage bietet Citadelle seit 1999 viele Dienste für kleine und mittlere Unternehmen an. Citadelle gründet für Kunden Firmen, führt die Bücher, kümmert sich um die Steuern und bietet eben auch Treuhanddienste an.
Das Handelsregister zeigt für Geschäftsführer und Eigentümer Shanmugaratnam Verbindungen zu rund 350 Unternehmen. Für einen Dienstleister, der bei Firmengründungen hilft, ist das nicht ungewöhnlich. Viele Unternehmen scheint er nur gegründet und dann abgegeben zu haben. Es bleiben aber immer noch viele Firmen übrig, für die Shanmugaratnam lange tätig war oder es bis heute ist. So manche dieser Firmen hat ziemlich viel mit Wirecard zu tun:
So wird Shanmugaratnam etwa als „Secretary“ einer Tochter der Senjo Group geführt. Jedes Unternehmen in Singapur muss die Position des Secretary besetzen. Er kümmert sich um die Verwaltung, ist etwa dafür verantwortlich, dass alle erforderlichen Eintragungen im Handelsregister erfolgen, Bilanzen und Sitzungsprotokolle erstellt und abgegeben werden.