Das dürfte aber nicht mehr lange ein Trost sein. Am siebten Juli erreichte der Light Sweet Crude Future August angesichts des Säbelrasselns aus dem Iran und aus Nordkorea im elektronischen Handel an der Nymex einen Rekordstand von 75,78 Dollar pro Barrel. Obwohl die Preise im Laufe des Handelstages noch sanken, könnte diese Entwicklung dennoch ein Zeichen dafür sein, daß hohe Energiepreise in Amerika in absehbarer Zeit eine harte Tatsache bleiben werden.
Rekordnachfrage nach Benzin in Amerika
Phil Flynn, Analyst und Händler beim Futures-Brokerhaus Alaron in Chicago, sagt, daß die Ölpreise jährlich um etwa zehn Dollar gestiegen sind. „Wenn die Wirtschaft weiter wächst, werden wir im nächsten Jahr bei 80 Dollar pro Barrel sein“, prognostiziert er. Die wachsende Wirtschaft hat größtenteils mit der Entwicklung des Ölpreises mitgehalten oder ihn sogar überholt, sagt er. Die hohen Energiepreise haben „die Konjunktur ein wenig verlangsamt, sie aber keinesfalls gestoppt“.
Es ist natürlich klar, daß hohe Ölpreise die Nachfrage in diesem Bereich nicht schwächen. Laut der Energy Information Administration (EIA) des amerikanischen Energieministeriums lag die amerikanische Nachfrage nach Benzin im Juni bei einem Rekordstand von 9,5 Millionen Barrel pro Tag.
Ebenso wie Flynn, weist David Wyss, Chef-Ökonom bei Standard & Poor's, darauf hin, daß auch die steigenden Erdgaspreise keine massiven Auswirkungen auf die Wirtschaft als Ganzes gehabt haben. Er merkt jedoch an, daß Preise von über drei Dollar pro Gallone für die Verbraucher schwerer zu schlucken waren. Die Gaspreise haben „den Lohnanstieg in den vergangenen zwölf Monaten zunichte gemacht“.
Angesichts der momentan nachgebenden Konjunktur könnte sich die Lage allerdings verschlechtern, sagt Wyss, ganz zu schweigen von der Möglichkeit einer weiteren Schwächung des Dollar im Vergleich zu den wichtigsten internationalen Währungen. Er erwartet, daß die Ölpreise die Marke von 80 Dollar pro Barrel erreichen werden, wollte sich aber auf keinen genauen Zeitpunkt hierfür festlegen.
Wenn sich diese Trends fortsetzen, so sind sich Wyss und Flynn einig, werden sich aus der aktuellen Situation bei Angebot und Nachfrage allein keine dramatischen Probleme für die wirtschaftliche Entwicklung ergeben. Es sind aber bestimmte Szenarien denkbar, die die Situation deutlich verschlechtern könnten. Wyss sagt, daß ein Krieg zwischen Amerika und dem ölreichen Iran und die daraus resultierenden Turbulenzen auf den internationalen Ölmärkten zu einer Verdopplung des Ölpreises führen könnten.
Der Grund für die steigenden Ölpreise ist kein Geheimnis. Doug MacIntyre, Senior Analyst bei der EIA, sagt, daß die weltweiten Restkapazitäten in der Ölproduktion zwischen einer und 1,5 Millionen Barrel pro Tag liegen, also unterhalb der vom Iran produzierten Menge Öl, wobei es im Vergleich dazu 2002 noch 5,5 Millionen Barrel waren.
Angespannte Lage scheint noch eine Weile anzuhalten
Die Restkapazitäten werden wahrscheinlich wieder steigen, wenn neue Reserven auftauchen und die Nachfrage sinkt, aber MacIntyre sagt, daß die EIA, wie die meisten Marktbeobachter, davon ausgeht, daß die deutlich angespannte Lage auf den Märkten bis 2007 anhalten wird. Das bedeutet, daß auch die Gaspreise hoch bleiben werden. Der Gaspreis wird von einer Vielzahl von Faktoren beeinflußt, aber ein Preisanstieg von einem Dollar pro Barrel Rohöl hat einen Preisanstieg von etwa 2,4 Cents pro Gallone Gas zur Folge.
Die politischen Spannungen in ölproduzierenden Staaten wie Nigeria und Venezuela könnten das Problem zusätzlich verschärfen. Das starke globale Wirtschaftswachstum verknappt das Angebot ebenfalls, besonders in wachsenden Volkswirtschaften wie Indien und China.
Jenseits der politischen Faktoren spielt auch die Natur eine Rolle, das heißt, der Ölmarkt reagiert auch empfindlich auf die Hurrikan-Saison. Im vergangenen Jahr gab es in dieser Zeit Tage, an denen die Kapazitäten im Golf von Mexiko in Höhe von 1,5 Millionen Barrel praktisch verloren waren und ein Teil der Schäden war monatelang zu spüren. Ein weiterer heftiger Sturm im Golf in diesem Jahr könnte ebenso verheerende Auswirkungen haben. „Auf diese Weise gehen die Reservekapazitäten verloren“, sagt MacIntyre und bezieht sich dabei auf die globale Ölindustrie.
Ein kleiner positiver Aspekt ist, daß es mit den Vorräten an Heizöl laut MacIntyre für den kommenden Winter relativ gut aussieht, was weitere Preiserhöhungen mit dem Einsetzen der Heizperiode weniger wahrscheinlich macht. Er weist jedoch warnend darauf hin, daß es für eine abschließende Einschätzung noch zu früh sei, da die Nachfrage eng an die Witterungsbedingungen geknüpft ist.
Bei so vielen möglichen Einflußgrößen haben die Verbraucher kaum eine andere Wahl als das Ganze durchzustehen und zu hoffen, daß die Gaspreise nicht weiter steigen. „Da wir in diesem Land noch immer keine realistische Energiepolitik haben, sind wir dem Ganzen ziemlich schutzlos ausgeliefert“, sagt Wyss.
Quelle: faznet.de