Freiheit für Palästina!
zuletzt bearbeitet 14.02.2001
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Dank der "Gnade der späten Geburt" (Zitat: Dr. Helmut Kohl) und nach über dreißigjähriger aufmerksamer Beobachtung der Vorgänge in Nahost möchte ich mich als politisch und weltanschaulich ungebundener überzeugter Demokrat endlich sehr persönlich zum Nahostproblem äußern:
1) Ich fordere Gerechtigkeit für die Palästinenser.
Ich fordere eine gleichberechtigte Behandlung der Palästinenser mit den Israelis auf allen öffentlichen und politischen Ebenen in Deutschland, der Europäischen Union, der UNO, den USA.
Ich fordere die Presse in Deutschland auf über die heute geschehenden Verbrechen Israels in den palästinensischen Autonomiegebieten ebenso offen zu berichten, wie über die Verbrechen im Irak oder in Ex- Jugoslawien.
Ich fordere die Regierung Israels auf den in den letzten fünf Jahrzehnten vertriebenen Palästinensern die Rückkehr in ihre Heimat zu ermöglichen oder nach deren Wahl sie angemessen zu entschädigen.
Ich fordere die israelischen Siedler in den besetzten und annektierten Gebieten auf, enteignetes Land den Palästinensern zurückzugeben, sich in ihren Siedlungen palästinensischer Souveränität zu unterstellen oder in das israelische Kernland zurückzukehren.
Ich fordere die Vertreter der jüdischen Glaubensgemeinschaft in Deutschland auf, sich von von der Vorgehensweise der israelischen Armee in Palästina öffentlich zu distanzieren und sich für einen Palästinenserstaat in den angestammten Gebieten des palästinensischen Volkes einzusetzen. Das würde die Glaubwürdigkeit der Vertreter bei Ansprachen anlässlich Gedenkfeiern enorm erhöhen. Es würde auch dazu dienen allen Bürgern unseres Landes klar zu machen, dass es einen wichtigen Unterschied gibt zwischen deutschen Mitbürgern jüdischen Glaubens, israelischen Demokraten in Israel und aggressiv agierenden zionistischen Eiferern in Palästina.
Ich fordere insbesondere die Bundesregierung auf sich offen und nachdrücklich für einen freien, demokratischen Palästinenserstaat in gesicherten, von der UNO gezogenen und garantierten Grenzen einzusetzen. Dies muss sie tun, wohl wissend, dass sie sich nach dieser Forderung Angriffen ausgesetzt sieht, die unsere dunkle Vergangenheit wieder einmal ans Licht der Gegenwart zerrt. Aber wir können nicht die vermeidbaren Verbrechen der Gegenwart decken, um unsere eingestandenen jetzt unabänderlichen Verbrechen der Vergangenheit vergessen zu lassen.
2) Ich gebe zu bedenken
Es ist richtig immer wieder die schrecklichen Verbrechen der Generation unserer Väter zu geißeln, es ist aber scheinheilig, wenn man sich nicht gleichzeitig öffentlich und vehement gegen jetzt stattfindende Vertreibung, Tötung und Unterdrückung in Palästina wendet.
Soldaten und Offiziere der Nationalen Volksarmee werden in Gerichtsverfahren verurteilt, obwohl sie zwar nach geltendem Gesetz der DDR gehandelt haben, aber hätten erkennen müssen, dass dies in "Gesetz gegossenes Unrecht" gewesen sei. Vom kleinen Soldaten der NVA wird vorausgesetzt, dass er das erkennen konnte und danach hätte handeln müssen. Gleichzeitig wissen wir alle und insbesondere unsere Politiker, dass seit Jahrzehnten und bis jetzt in Palästina schreiendes Unrecht geschieht, unsere Politiker versäumen es aber dies ständig öffentlich zu geißeln und Gerechtigkeit in Wort und Tat zu fordern.
Wir beanspruchen für Deutschland den "Frieden in Freiheit" und es ist unsere Pflicht dieses Recht auch für alle anderen Völker einzufordern.
3) Ursache und Wirkung
Auf diese grundsätzliche Betrachtung "Ursache und Wirkung" werden fast alle weiteren Aussagen zurückkommen, denn alle Ungerechtigkeiten, Grausamkeiten, Vertreibungen und Massaker beider Seiten haben ihre Ursache in der bis heute fortgesetzten Vertreibung der Palästinenser durch die Zionisten aus ihren angestammten Siedlungsgebieten. In Palästina geschieht bis heute unter den Augen der ganzen Welt ein Verbrechen am Volk der Palästinenser, wie es an jedem anderen Ort der Welt auf das Schärfste verurteilt oder gar mit Waffengewalt durch von den Vereinten Nationen beauftragten Truppen verhindert würde. Die Palästinenser kämpfen in ihrer verzweifelten Situation praktisch unbewaffnet gegen die hochgerüstete israelische Armee, welche völkerrechtlich annektierte Gebiete, völkerrechtswidrig in besetztem Gebiet errichtete Siedlungen zionistischer Siedler vor dem Zugriff der rechtmäßigen Eigentümer beschützt. Innerhalb Israels selbst kämpfen Palästinenser israelischer Staatsbürgerschaft gegen die offene und verdeckte Diskriminierung, gegen die Enteignung ihres Landes und für einen gerechten Anteil an den natürlichen Resourcen z.B. dem Wasser. Es kämpft der palästinensische David gegen den israelischen Goliath.
4) Ursache der Ursache?
Gerade wir Deutschen sind schnell bei der Hand das Verhalten der Zionisten in Palästina und Israel mit den geschichtlich ohne Vergleich dastehenden rassistischen Verbrechen der Generation unserer Väter an den Europäischen Juden zu rechtfertigen.
Diese Verbrechen verpflichten uns bis heute dazu für Wiedergutmachung an Individuen und deren Familien zu sorgen. Die Verbrechen verpflichten uns nicht ein Staatswesen zu unterstützen, das weder die Mehrheit ihrer Glaubensbrüder noch die Mehrheit der geschädigten Opfer repräsentiert, das hingegen seinerseits nach rassischen Gesichtspunkten im Inneren und Äußeren unterscheidet.
Diese Verbrechen verpflichten uns auch dazu heute stattfindende Vertreibung und Diskriminierung in anderen Ländern, z.B. in Israel und durch Israel in den besetzten Gebieten zu verurteilen.
Diese Verbrechen verpflichten uns natürlich auch, mehr als jedes andere Land der Erde, vertriebenen und verfolgten Menschen aus allen Länder der Erde Asyl zu gewähren. Das Recht auf Asyl hat wegen unserer Vergangenheit Verfassungsrang und darf nicht durch ins Ausland verlegte Verwaltungsakte (Asylantrag an die Deutsche Botschaft im Heimatland des Verfolgten) verfassungswidrig im Vorfeld ausgehöhlt werden.
5) Deutschland in den UN Sicherheitsrat?
Die Deutsche Bundesregierung strebt zwar einen ständigen Sitz im UN Sicherheitsrat an, enthält sich aber bei Abstimmungen in der Vollversammlung der UN zu Resolutionen gegen die exzessive Gewalt israelischer Truppen in den besetzten Gebieten der Stimme und sanktioniert damit diese Gewalt. Wozu aber einen Sitz im UN Sicherheitsrat, wenn man selbst in der UN Hauptversammlung keine Meinung hat oder sie nicht ausspricht?
6) Die einzige Demokratie im Nahen Osten?
Immer wieder wird Israel als die einzige Demokratie im Nahen Osten bezeichnet. Ist ein Staat demokratisch regiert, wenn ein Großteil der von ihr beherrschten Bevölkerung, die Palästinenser in den besetzten Gebieten, nicht wählen darf und auch keinen anderen Einfluss auf seine Geschicke hat? Selbst wenn man postuliert Israel sei eine Demokratie, kann dann die Welt darauf Rücksicht nehmen, dass dieser Staat mit Mehrheit seiner wahlberechtigten Bürger für die Besetzung von Teilen seiner Nachbarländer, für die Annexion von Gebieten dieser Länder stimmt. Kann die Welt akzeptieren, dass sich die Regierung dieses Landes von zionistischen Siedlern das Heft aus der Hand nehmen lässt, die in besetzten Gebieten an strategisch wichtigen und wirtschaftlich nützlichen Punkten siedeln und sich dann von der israelischen Armee schützen lässt?
7) Zionistische Siedler bauen auf besetztem Land, Häuser von Palästinensern werden gesprengt.
Palästinensischen Einheimischen wird durch die Besatzungsmacht Israel Baugenehmigungen auf ihrem ureigensten Grund und Boden verweigert und deren notgedrungen errichtete "Schwarzbauten" gesprengt. Gleichzeitig werden Dutzende aus den USA stammende zionistische Siedler, die trotz ausdrücklichen Verbotes in besetzten Gebieten bauen nicht bestraft, sondern mit Haushaltsmitteln Israels finanziert und von Hunderten israelischer Soldaten beschützt. Die Haushaltsmittel sind wiederum zum Teil durch die Deutsche Bundesregierung finanziert, bzw. deren Kredite verbürgt. Israel lässt es sich pro Siedler und Jahr 500.000 NIS (ca. 250.000 DM) kosten palästinensisches Land zu besetzen, enteignen und dann vor dem Zugriff der rechtmäßigen Eigentümer, der Palästinenser zu schützen.
8) Israelis "Volk ohne Raum?"
Der Staat Israel droht in der aktuellen Situation der zweiten Intifada nicht nur ständig mit dem militärischen Overkill, sondern auch damit diejenigen Palästinenser, welche im Kernland Israels ihren Lebensunterhalt bestreiten auf Dauer von der Arbeit in Israel auszusperren und durch Arbeitskräfte z.B. aus Asien zu ersetzen. Wäre es nicht logisch sie zögen die Siedler aus den palästinensischen Gebieten zurück und böten diesen an die Arbeit zu verrichten, für die im Kernland Israels offensichtlich nicht genug einheimische Arbeitskräfte zur Verfügung stehen.
Einerseits durch das Anwerben von jüdischen Bürgern z.B. der USA oder der ehemaligen Sowjetunion die Bevölkerung zu vermehren, andererseits zu beklagen man habe nicht genug Platz und müsse im Westjordanland und Gazastreifen Siedlungen errichten passt logisch nicht zusammen, sondern klingt auch für mich, der mit dem "Privileg der späten Geburt" versehen ist nach "Volk ohne Raum - Politik", die wir rückblickend auf die eigene Vergangenheit stets zu verurteilen pflegen.
So schreibt DER SPIEGEL in Heft 47/2000 auf Seite 218: "Doch der Siedlungsbau ging weiter. Fast die Hälfte der heute 200.000 Siedler kam erst nach der Oslo-Vereinbarung, von der Regierung durch niedrige Wohnpreise gelockt." und einig Zeilen weiter: "Im nächsten Haushaltsjahr sind 666 Millionen Mark für Siedlungen eingeplant".
9) Wo liegt das Problem? Die Palästinenser haben doch Ihre Autonomie!
Auf wenigen Prozent ihres angestammten Siedlungsgebietes wurde den Palästinensern die Selbstverwaltung eingeräumt und die Überwachung der inneren Sicherheit übertragen. Auf dem Rest der Fläche gelten die verschiedensten Formen der Beherrschung durch die israelische Staatsgewalt bis hin zur völkerrechtlich unzulässigen Annexion eines noch dazu ungeheuer aufgeblähten Großraumes "Jerusalem" einschließlich heiliger Stätten des Islam.
10) Was weltweit geächtet und verboten ist bleibt bei Israel unbeanstandet.
Israel verfügt über die Atombombe und unterzeichnet den Atomsperrvertrag nicht.
Israel entwickelt und produziert chemische Waffen.
Israel inhaftiert ihnen verdächtig erscheinende Palästinenser auf viele Jahre ohne Anklage zu erheben und folglich ohne Urteil. Wer nicht rechtskräftig verurteilt ist gilt in jeder Demokratie und hat ein Recht auf Freiheit.
Israel foltert palästinensische Gefangene, z.T. bis zum Tode, kein Aufschrei der Weltbevölkerung
Israel schießt 1967 ein Libysches Verkehrsflugzeug über Sinai ab, bis heute keine Sanktionen, keine Strafverfolgung.
Israel sprengt in "Kollektivhaftung" Häuser unschuldiger Menschen, deren Söhne verdächtigt werden Terroristen zu sein. Kein Aufschrei der Weltöffentlichkeit.
Israels Geheimdienst ermordet im Ausland Palästinenser, kein Aufschrei der Öffentlichkeit.
Israel besetzt, annektiert und besiedelt Gebiete seiner Nachbarländer - keine Sanktionen.
Israel eignet sich wichtige Wasservorräte Palästinas an.
Israel missachtet reihenweise gegen das Land gerichtete Resolutionen der UNO. Keine Sanktionen.
11) Alle möchten Frieden in Nahost!
Natürlich sind sich alle Seiten darüber einig, dass in Nahost Frieden herrschen soll, doch wessen Frieden?
"Schalom" für diejenigen, die den Palästinensern ihr Land geraubt haben? Frieden in Form von Friedhofsruhe durch Zementierung des Status Quo mit Vertreibung, Entrechtung, Unterdrückung der Palästinenser, die sich bitte ruhig verhalten sollen, damit wir im Westen unsere Ruhe haben? Wer immer sich etwas unrechtmäßig oder gar durch Gewalt angeeignet hat möchte seine Beute in Frieden genießen, aber wir dürfen ihm keine Ruhe gewähren, sondern müssen diejenigen moralisch, politisch und wirtschaftlich unterstützen, die zum Opfer wurden.
12) Offener Rassismus in Nahost und verdeckter Rassismus im Westen.
Es sind so einfache Zusammenhänge, die zur Unterstützung Israels und damit der Zionisten durch den Westen führen, dass man kaum wagt es schriftlich niederzulegen. Weltweit gerieten und geraten jüdische Bevölkerungsgruppen wegen ihrer Andersartigkeit unter Druck der Bevölkerungsmehrheit, so offensichtlich in der Vergangenheit auch in Deutschland und anderen westlichen Ländern. Was läge da näher, als diese Minderheiten beim Einwandern nach Israel zu unterstützen, solange sie dort nur die uns noch fremder erscheinenden Araber, in diesem Fall konkret die Palästinenser, vertreiben. Die Gnadenlosigkeit, mit welcher der Westen dieser offen betriebenen Vertreibung zusieht, ist sicheres Zeichen dafür, dass wir in Deutschland und dem Westen das Problem rassisch motivierter Politik nicht überwunden haben, sondern in die Ferne verschieben und anderen Völkern aufbürden.
13) Religiöser, völkischer Fanatismus ist extrem gefährlich, wo immer er in Erscheinung tritt.
Die Alleinstellung der eigenen Volksgruppe der eigenen Religion, des eigenen Staatswesens ist ein Problem der Menschheit, egal wo und unter welchem Vorzeichen sie auftritt. Deshalb halte ich folgende Selbsteinschätzungen für fatal:
"Deutschland Deutschland über alles" ("Deutsche Leitkultur")
USA als "God's own Country" und "Good or wrong? My country!"
"Gott ist ein Brasilianer"
China ist das "Reich der Mitte"
Die Juden sind "Das Auserwählte Volk"
Die Engländer leben in "This unique country"
Frankreich ist "La Grande Nation"
Gerade die dümmsten Menschen eines jeden Volkes lassen sich gerne suggerieren sie seien schon allein deshalb besser als andere, weil sie eben Teil dieses Volkes sind. Die Volkszugehörigkeit ist das Einzige, worüber sie verfügen, obwohl sie keine Leistung erbracht haben und was ihnen auch keiner wegnehmen kann. Deshalb ist die Volkszugehörigkeit auch gut dazu geeignet instrumentalisiert zu werden um politische Ziele zu verfolgen.
Wer als Politiker solche Thesen aufstellt, solche Gefühle instrumentalisiert oder solcher Selbsteinschätzung seiner Gesprächspartner nicht widerspricht macht sich mitschuldig an den immer wiederkehrenden Kriegen, Massakern, Vertreibungen.