Unionskanzlerkandidat Edmund Stoiber (CSU) macht sich und den Seinen Mut. Kurz vor der Bundestagswahl werde die Stimmung erneut kippen, glaubt der Herausforderer. Meinungsforscher sind da anderer Meinung: Sie sehen keine politische Wechselstimmung mehr.
Berlin - "Ich rechne mit einem klaren Wahlsieg. Da wird es keine Überraschung geben", sagte Stoiber der "Passauer Neuen Presse". Wahlentscheidendes Thema sei nach wie vor die Arbeitslosigkeit, auch wenn dies vorübergehend von der Hochwasserkatastrophe und der Irak-Debatte überlagert werde. Deshalb gebe es keinen Grund, das Wahlziel der Union "40 plus X" zu ändern.
Mit Blick auf die deutsche Debatte um einen möglichen Irak-Krieg sagte Stoiber: "Die Angst wird weichen. Der Realismus wird kommen." Nach der Rede des amerikanischen Präsidenten George W. Bush vor den Vereinten Nationen habe sich die Stimmung in der Bevölkerung bereits geändert. "Die Situation in Deutschland wird jetzt wieder in den Mittelpunkt treten", sagte der bayerische Ministerpräsident der Deutschen Presseagentur.
Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) warf der Union im SPIEGEL-Interview vor, Stoiber habe "zu früh triumphiert". "Das Fell des Bären verteilt man, wenn es erlegt ist. Die Wählerinnen und Wähler nehmen es übel, wenn man das zu früh tut", sagte der Kanzler.
Nach den jüngsten Umfragen hat nach Monaten erstmals wieder die rot-grüne Koalition eine Mehrheit. Stoiber glaubt, dies sei das vor allem auf die Angst der Menschen vor einem Irak-Krieg zurückzuführen. Die Deutschen wollten keinen Militärschlag, "aber auch nicht, dass sich Deutschland von der Uno und der Haltung in Europa entfernt", sagte Stoiber. Diese Einstellung beginne nun die Stimmung zu verändern. Den Bürgern werde klar, dass sich Deutschland durch die Politik von Schröder und Außenminister Joschka Fischer (Grüne) international isoliere.
Emnid-Umfrage: Keine politische Wechselstimmung mehr
Unterdessen hat die SPD nun auch in einer Emnid-Umfrage CDU und CSU überholt. Damit sehen vier der fünf großen Meinungsforschungsinstitute eine Woche vor der Bundestagswahl die SPD vorn.
In der Emnid-Umfrage für das Magazin "Focus" legte die SPD um einen Punkt auf 39 Prozent zu. Die Union verlor zwei Prozentpunkte auf 37 Prozent. Die FDP habe unverändert acht Prozent erreicht, während die Grünen sich um einen Punkt auf sieben Prozent verbessert hätten. Die PDS kämpfe nach wie vor um den Wiedereinzug in den Bundestag und käme auf fünf Prozent, wenn am Sonntag Bundestagswahl wäre. Damit hätte Rot-Grün zwar eine Mehrheit über Schwarz-Gelb, aber keine Regierungsmehrheit.
Von einer politischen Wechselstimmung könne laut Emnid keine Rede mehr sein. Nur noch ein Drittel der Wähler glaube, dass die rot-grüne Koalition durch eine Unions-geführte Bundesregierung abgelöst werde.
Infratest dimap: Mehrheit will Fortsetzung von Rot-Grün
Auch einer Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes Infratest dimap zufolge wünscht sich eine Mehrheit der Bundesbürger eine Fortsetzung der rot-grünen Koalition. Dafür hätten sich 36 Prozent der 1020 Befragten ausgesprochen, berichtet die "Welt am Sonntag". 22 Prozent wünschten sich demnach ein Regierungsbündnis aus Union und FDP, neun Prozent befürworteten eine Koalition aus SPD und FDP und acht Prozent eine große Koalition. Jeweils ein Prozent sprach sich für eine Ampel oder ein rot-rot-grünes Bündnis aus. 21 Prozent wollten sich dem Blatt zufolge noch nicht entscheiden.
Die Geschäftsführerin des Meinungsforschungsinstituts Allensbach, Renate Köcher, führte den Stimmungsumschwung zu Gunsten von Rot-Grün auf die Flutkatastrophe, die Fernsehduelle zwischen Schröder und Stoiber sowie die Diskussion über einen Krieg gegen Irak zurück. "Die Dramatik der Ereignisse der letzten Wochen, die einen stabilen Vorsprung von Schwarz-Gelb in der Endphase des laufenden Wahlkampfs zunichte gemacht haben, ist einmalig", sagte Köcher der "Welt am Sonntag".