Herr Flach, Sie sind seit 1999 Mitglied des Vorstandes von WCM und sind seit Juli 2001 Vorstandsvorsitzender. Sie waren zuvor im kaufmännischen Bereich tätig. Können Sie uns etwas mehr über Ihren beruflichen Hintergrund mitteilen?
Ich habe meine berufliche Laufbahn im Alter von 20 Jahren begonnen. Den überwältigen Teil meines beruflichen Lebens verbrachte ich in bedeutenden Großunternehmen des deutschen Handels. Nach meiner Traineezeit und sich daran anschließender Berufstätigkeit war ich dann ab dem 30. Lebensjahr Mitglied von Geschäftsleitungen in verschiedenen Handelskonzernen, dort zunächst zuständig für die Ressorts Einkauf und Verkauf. Mit 35 habe ich für ein renommiertes Unternehmen die Leitung des Beteiligungsbereiches, also aller Beteiligungsbereiche dieses Konzerns, als verantwortlicher Geschäftsführer übernommen. In dieser Funktion erwarb ich Gesellschaften, leitete diese und habe Firmen auch verkauft. In meiner letzten beruflichen Station vor Eintritt in die WCM AG war ich Vorstand eines Handelsunternehmen mit ursprünglich einmal 4 Mrd. DM Umsatz. Sie sehen, ich kenne das Beteiligungsgeschäft seit meinem 30. Lebensjahr ebenso wie die Praxis der Unternehmensführung. Heute bin ich 58 Jahre alt.
In welchen Unternehmen haben Sie gearbeitet?
Ich arbeitete längere Zeit in den Häusern Neckermann und Hertie, die von mir angesprochene letzte berufliche Station vor WCM war der Nürnberger Bund eG, die spätere Nürnberger Bund AG. Dieses Unternehmen war in den gerichtlichen Vergleich geraten. Auf Wunsch der Banken habe ich die Aufgabe übernommen, die Gesellschaft durch diesen schwierigen Weg zu führen.
"Eine klare Sprache und Berechenbarkeit - das sind die Grundvoraussetzungen, die es erst ermöglichen, Mitarbeiter nachhaltig zu motivieren und deren Freude an der Arbeit zu steigern."
Wie motivieren Sie Ihre Mitarbeiter?
Das ist eine sehr allgemeine Frage. Eine klare Sprache und Berechenbarkeit - das sind die Grundvoraussetzungen, die es erst ermöglichen, Mitarbeiter nachhaltig zu motivieren und deren Freude an der Arbeit zu steigern.
Noch eine sehr allgemeine Frage: Wie definieren Sie Erfolg?
In unserer heutigen wirtschaftlichen Situation kann ein Erfolg durchaus auch schon allein das Überleben eines Unternehmens sein. Letztlich definiert sich Erfolg für Konzerne im Schaffen von Gewinnen und Ressourcen. Nur so können Unternehmen als juristische Personen dauerhaft lebensfähig bleiben. Am Beispiel unserer Gesellschaft, der WCM AG, können Sie erkennen, was dies in der Realität bedeutet: Trotz aller offenkundigen aktuellen und auch historischen Schwierigkeiten ist das Unternehmen jetzt schon 250 Jahre alt und hat alle Turbulenzen überstanden. Das ist eine beachtliche Leistung.
Wie hoch ist der Einfluss von Herrn Ehlerding auf die Unternehmensstrategie in der Vergangenheit gewesen, wie groß ist er gegenwärtig?
Herr Ehlerding war und ist zusammen mit seiner Familie der bedeutendste Anteilseigner der WCM AG, auch wenn heute ein Großteil seiner und der Familie gehörenden Aktien bei Banken verpfändet ist. Herr Ehlerding ist immer ein maßgeblicher Faktor bei bedeutenden Transaktionen des Konzerns gewesen. Er trat aber eher stets in der Funktion eines Ideenauslösers in Erscheinung und war nicht im operativen Geschäft eingebunden. Ansonsten besteht seine Aufgabe in der Wahrnehmung seines Aufsichtsratsmandates. Herr Ehlerding ist ein exzellenter Kenner der Börse und der Branche, ein vorzüglicher Berater, aber er setzt die Unternehmenspolitik nicht um, das ist die Aufgabe des Vorstands.
Wie charakterisieren Sie Ihr persönliches Verhältnis zu Herrn Ehlerding? Gerüchte sprechen von tiefen Animositäten.
Mein Verhältnis zu Herrn Ehlerding ist ganz hervorragend, das gilt für die Vergangenheit genauso wie für die Gegenwart. Wir haben nie Probleme miteinander gehabt. Ich kenne diese negativen Gerüchte bezüglich angeblicher Animositäten. Diese werden immer von ein und demselben Journalisten gestreut, der eigene Interessen damit verfolgt und unsere Geschäfte stören möchte. Nichts davon ist wahr.
BRANCHE
Wie beurteilen Sie in der augenblicklichen Situation die Aussichten für Ihre Immobiliensparte im nächsten Jahr? Gibt es wirklich ernsthafte Zeichen der Erholung oder ist der von Ihnen bisher diesbezüglich verbreitete Optimismus nicht das berühmte Pfeifen im Walde?
Manchmal braucht man auch das Pfeifen im Walde. Aber auf unseren Bestand an Wohnungen sehe ich überhaupt keine Schwierigkeiten zukommen. Unsere Leerstandsquote hält sich im Durchschnitt zwischen 3 und 4 Prozent in Grenzen, das ist der Rahmen einer üblichen Fluktuation, zudem liegen unsere Wohnungen ausschließlich in Westdeutschland. Hier können wir uns also überhaupt nicht beschweren. Die Lage wird sich in diesem Segment mit Sicherheit auch nicht verschlechtern. Für den Bereich Gewerbliche Immobilien bin ich vorsichtiger. Ich kann dort noch keine wirkliche Trendwende erkennen.
"Wir bemühen uns, interessante Programme für die Mieter in unseren verschiedenen Gesellschaften aufzulegen."
Was sind die Besonderheiten im Bereich Wohnimmobilien (so wie Sie das Geschäft betreiben)?
Strategische Besonderheit ist, dass wir unsere Wohnungsbestände in ehemals gemeinnützigen Wohnungsgesellschaften halten. Das bringt uns vor allem bei der Privatisierung erhebliche Steuervorteile. Im Vermietungsgeschäft gibt es keine wirklichen Besonderheiten. Wir sind verlässliche Vermieter und als solche auf unsere Mieter angewiesen. Wir bemühen uns, interessante Programme für die Mieter in unseren verschiedenen Gesellschaften aufzulegen. Da geht es zum Beispiel um Reparaturhilfe für die Mieter und ähnliches. Auf diese Weise wollen wir die Mieter stärker an ihre Wohnungen binden.
Welche Auswirkungen haben die Pläne der Bundesregierung, die Eigenheimzulage zu streichen auf die Immobilienbranche?
Die Privatisierungsbemühungen werden dadurch natürlich nicht erleichtert. Entscheidend erschwert werden sie aber auch nicht.
WCM kauft und verkauft Wohnimmobilien aber ist auch Vermieter. Wie weitreichend darf Mieterschutz sein?
Wir haben keine Wahl, der Mieterschutz ist ja gesetzlich vorgegeben. Für einen privaten Vermieter ist der Mieterschutz aber immer problematischer als für einen institutionellen Vermieter wie WCM. Wir brauchen unsere Mieter und bemühen uns wie gesagt auch sehr stark um sie, deshalb ist der Mieterschutz für uns auch keine große Behinderung. Für uns gibt es ja nicht die Schwierigkeiten etwa beim Eigenbedarf, die ein privater Vermieter hat.
"Es gibt im Augenblick natürlich äußerst interessante und preisgünstige Gelegenheiten. Warten Sie es ab, dann werden Sie unsere neuen Engagements schon sehen."
Welche Branchen bieten sich aus heutiger Sicht für neue Beteiligungsengagements an?
Zu dieser Frage äußere ich mich grundsätzlich nie, wie Sie wissen. Es gibt im Augenblick natürlich äußerst interessante und preisgünstige Gelegenheiten. Warten Sie es ab, dann werden Sie unsere neuen Engagements schon sehen.
UNTERNEHMEN
Welche Auswirkungen auf das Unternehmen hätte eine mögliche Abschwächung der Börsenrallye in den nächsten Monaten, mit der zwar gegenwärtig nicht zu rechnen ist, die aber - besonders wegen der politischen Unwägbarkeiten - niemand ausschließen kann. Wäre WCM wegen seiner Beteiligungsverhältnisse nicht am Ende, wenn es eine weitere schlechte Börsenphase gäbe?
Fallende Kurse sind für uns selbstverständlich alles andere als angenehm. Der DAX lag in diesem Jahr im März bereits bei erschreckenden 2200 Punkten. Die WCM AG hat dies aber ausgehalten. Heute stehen wir wesentlich besser als noch vor wenigen Monaten da. Wir sind auch bei möglichen fallenden Kursen noch lange nicht am Ende, wie sich gezeigt hat.
Wie beurteilen Sie die Neusegmentierung der Indizes? Ist WCM mit seinem Platz im MDAX zufrieden, gibt es Sorge über einen möglichen Abstieg?
Die Neusegmentierung empfinden wir als sehr positiv, die Gefahr eines baldigen Abstiegs aus dem MDAX sehe ich nicht. Unzufrieden bin ich nur mit unserem gegenwärtigen Aktienkurs, die Positionierung im MDAX ist aber sehr erfreulich.
"Die Zinszahlungspflichten erfüllen wir alle. Auf unserer Homepage steht auch eine entsprechende Darstellung. Wir mussten auf die ständig steigende Zahl unsinniger und geschäftsschädigender Gerüchte reagieren."
Ist das Unternehmen auch weiterhin in der Lage, seine Zinszahlungen erfüllen zu können? Sie haben auf Ihrer Web Site eine Gegendarstellung über derartige Berichte.
Die Zinszahlungspflichten erfüllen wir alle. Auf unserer Homepage steht auch eine entsprechende Darstellung. Wir mussten auf die ständig steigende Zahl unsinniger und geschäftsschädigender Gerüchte reagieren. Die Medien sind oft an ausschließlich negativen Nachrichten interessiert. Deshalb haben wir im Internet unsere eigene Erklärung in aller Ausführlichkeit eingepflegt. Es gibt definitiv keine Probleme mit den Zinszahlungen.
Wie hoch stufen Sie den Fair Value des Konzerns ein?
Hier möchte ich keine Zahl nennen, weil ich mit dem Fair Value als Indikator ein prinzipielles Problem habe. Alle Unternehmen, die den Net Asset Value veröffentlichen - besonders Immobilienunternehmen - machen eine ganz bittere Erfahrung: Sie werden in der Presse zwar groß herausgestellt, aber danach ist ihr Börsenkurs für alle Zeiten in der Höhe begrenzt. Das können Sie sehr gut bei englischen Konzernen beobachten. Es muss meiner Ansicht nach immer noch Phantasie im Kurs eines börsennotierten Unternehmens enthalten sein. Wir selbst schätzen den Net Asset Value unseres Unternehmens wesentlich höher ein, als der aktuelle Börsenkurs dies widerspiegelt. Der Kurs wird, bedingt durch die Unklarheiten in der Aktionärsstruktur, momentan künstlich niedrig gehalten.
Das Engagement in Commerzbank Aktien war kurstechnisch gesehen ein Desaster. Wer trägt hierfür die Verantwortung?
Verantwortlich dafür ist klar gesagt der Vorstand von WCM. Dazu stehe ich auch. Keiner hätte im Jahr 2002, als wir die Anteile übernommen haben, mit einer solch katastrophalen Entwicklung bis zum März 2003 gerechnet. Nach unserem Einstieg bei der Commerzbank hatten wir kurzfristig sogar einen Aufschwung in dem Papier erlebt- gekauft haben wir zu 19 EURO, wenige Wochen später notierte die Aktie bei 23 Euro. Dennoch war dieses Engagement bisher kein Erfolg, daran gibt es nichts zu beschönigen. Aber warten wir einmal ab, noch ist die weitere Entwicklung der Commerzbank offen, vielleicht erleben wir ja eine Rallye in den nächsten Jahren.
"Die öffentlichen Klagen darüber, dass der Entscheidungsprozess [bzgl. eines neuen Großinvestors] zu lange dauert, sind absolut verständlich, aber wir als Unternehmensleitung sind der falsche Adressat dafür."
In welchem Zeithorizont soll die Frage nach neuen Großinvestoren endgültig geklärt sein?
Ich sage nach wie vor, dass wir im zweiten Halbjahr mit einer Entscheidung rechnen. Ich alleine kann dies aber nicht entscheiden, obwohl mir interessante Angebote von Investoren vorliegen. Banken und andere Institutionelle, die außerhalb des Konzerns angesiedelt sind, haben hier ein Mitspracherecht. Die öffentlichen Klagen darüber, dass der Entscheidungsprozess zu lange dauert, sind absolut verständlich, aber wir als Unternehmensleitung sind der falsche Adressat dafür.
Stimmt es, dass Morgan Stanley und Fortress die aussichtsreichsten Kandidaten als neue Großinvestoren bei WCM sind?
Ich nenne selbstverständlich keine Namen, das geht in diesem Stadium nicht.
Warten Sie die Veränderung der Eigentümerstruktur ab, bevor weitere wichtige unternehmensstrategische Schritte vorgenommen werden? Ist diese Verzögerung nicht konzernschädlich?
Um die Unternehmensstrategie fortzuführen werden wir die Veränderung der Eigentümerstruktur nicht abwarten. Die wesentlichen Aufgaben des Konzerns liegen operativ bei den Tochtergesellschaften, bei IVG, Klöckner, Maternus et cet. Hier wird uneingeschränkt positiv weitergearbeitet. Die WCM AG ist eine Holdinggesellschaft. Mit substanziellen Großinvestitionen des Unternehmens müssen wir uns bis zur endgültigen Klärung der Besitzrechtsverhältnisse allerdings zurückhalten, das ist leider richtig.
In welcher Größenordnung ist die geplante Kapitalerhöhung vorgesehen?
Dies hängt auch davon ab, ob und welcher Investor einsteigen wird. Jeder hat ein anderes Konzept. Wir streben eine Größenordnung von einigen hundert Millionen Euro an, aber Abschließendes kann ich hier noch nicht sagen.
Sind Stellenstreichungen geplant?
Stellenstreichungen planen wir nicht.
"Im Rahmen der geplanten Portfoliooptimierung haben und werden wir 2003 auch Blockverkäufe [von Wohneigentum] tätigen. Hier stehen weniger die kurzfristig zu erzielenden Erlöse im Vordergrund. Für 2003 rechnen wir mit einer Gesamtverkaufsquote von ca. 5 %."
In welchem Umfang stehen im nächsten Quartal Privatisierungserlöse durch Verkäufe von Wohneigentum in Aussicht?
Ich gehe davon aus, dass wir im gesamten Jahr Privatisierungserlöse aus Verkäufen an Eigentümer haben werden, die sich in etwa auf der Basis von anderthalb Prozent des Bestandes bewegen werden. Im Rahmen der geplanten Portfoliooptimierung haben und werden wir 2003 auch Blockverkäufe tätigen. Hier stehen weniger die kurzfristig zu erzielenden Erlöse im Vordergrund. Für 2003 rechnen wir mit einer Gesamtverkaufsquote von ca. 5 %.
c.u.