Die Mitarbeiter in den Konsortialabteilungen der Deutschen Bank und von Goldman Sachs trauten ihren Augen nicht. Die Börsen-Aktie zog in der abgelaufenen Woche Aufträge geradezu magisch an. Am Freitag war das Buch mehr als 20 Mrd. Euro schwer, was einer Überzeichnung um das 25- bis 30fache entspricht. Absoluter Wahnsinn. Doch der Run auf die Börsen-Aktie hat nur bedingt etwas mit ihrer Attraktivität zu tun. In der Hoffnung, durch den Börsengang einen schnellen Euro zu machen, sind in den vergangenen Tagen viele Institutionelle in die Emission gesprungen. Da wäre der Vorstand der Börse gut beraten, die Preisspanne nicht auszureizen. Wer Werner Seifert kennt, weiß, dass ihm das schwer fallen wird. Doch der, der Kapitalmärkte organisiert, muss lernen, mit dem Kapitalmarkt umzugehen. Und die Investoren verzeihen zu eng gepreiste Deals nicht, wenn die Sekundärmarkt-Performance zu wünschen übrig lässt. Auch 320 Euro wären ein stolzer Preis. Von Montag an ist der Ausgabekurs die Messlatte für den Erfolg.
Die starke Nachfrage zeigt aber auch, dass der Vorstand auf der Roadshow hohe Erwartungen geweckt hat. Es gilt, sie nicht zu enttäuschen. Denn Investoren sind weitaus gnadenloser dem Management gegenüber, als es je eine "Vereinsführung" sein kann. Auch aus diesem Grund wäre Bescheidenheit bei der Festlegung des Ausgabekurses nicht die schlechteste Zierde.
Abgesehen vom sehr wichtigen Fein-Tuning, muss der Börse zum erfolgreichen IPO gratuliert werden. Die Taktik, sich als erste größere Neuemission des Jahres zu präsentieren, ist voll aufgegangen. Sollte es mit der Zweitmarkt-Performance klappen, darf sogar bezüglich des Schönheitsfehlers der Neunmonatszahlen, mit denen der Börsengang durchgezogen wurde, ein Auge zugedrückt werden.
Für die Nostalgiker am Finanzplatz mag es eine besondere Genugtuung sein, dass der erste Kurs für die Börse auf dem Frankfurter Parkett - und nicht in Xetra - zustande kommen wird. Das sehen die Vorschriften für den Amtlichen Handel vor, heißt es. Die System-Fans müssen sich ihren ersten Kurs von Menschen machen lassen. Das ist die Ironie der Geschichte. Trotzdem geht am Montag eine Epoche zu Ende. Die Aktionäre sind nicht mehr unbedingt die Nutzer der Börse. Für Loyalität mit der eigenen Börse gibt es kaum noch Anlass. Die Anforderungen an das Management wachsen. Es muss nicht mehr nur die Kunden, sondern auch die Aktionäre zufrieden stellen. Letztere fordern zu Recht, dass den vollmundigen Versprechungen Taten folgen. Die eingenommene Milliarde Euro muss Gewinne abwerfen. Der Kurs wird den Scharfrichter spielen.