Wandelanleihen: Der Aktienkurs verleiht Flügel (EuramS) | 24.08.2003 09:30 | |
Die Natur macht’s vor: Aus lahmen Raupen werden wundervolle Schmetterlinge. Wunder der Verwandlung gibt es auch an der Börse: Aus langweiligen Anleihen können Highflyer werden. Mit Wandelanleihen setzen Anleger eigentlich auf Aktien. Und das fast ohne Risiko. Ganz schön clever von Jens Castner Raupen und Anleihen haben eines gemeinsam: Sie kriechen. Wenn am Anleihemarkt von dynamischen Kursbewegungen die Rede ist, geht es gerade mal ein paar Zehntelprozentpunkte hin und her. Ganz anders Aktien: Nicht selten werden an einem Tag zehn Prozent Gewinn oder oder Verluste realisiert. Aktien sind wie Schmetterlinge: Sie können hoch fliegen, aber auch abstürzen - ein flatterhaftes Anlage-Instrument. Aus Raupen werden irgendwann Schmetterlinge. Und es gibt Anleihen die sich in Aktien verwandeln, wenn der Anleger es will. Diese Zwitterwesen heißen Wandelanleihen - englisch: Convertible Bonds - und sind, so beschreibt es Alexander Mueller von der Fondsgesellschaft Credit Suisse Asset Management, "die billigsten Garantieprodukte der Welt". Der unschlagbare Vorteil: Anleger kaufen jetzt - indirekt - eine Aktie und müssen sich erst Jahre später entscheiden, ob sie diese tatsächlich haben wollen. "Mit Wandlern können Sie fast ohne Risiko auf Aktien setzen und müssen - im Gegensatz zu anderen Garantieprodukten - nicht auf Performance-Chancen verzichten", schwärmt Credit-Suisse-Experte Mueller. Zwar gilt für Wandelanleihen die Faustregel, dass sie in Aufschwungphasen nur zwei Drittel der Aktien-Performance mitmachen. Dafür vollziehen sie aber auch jede Abwärtsbewegung nur etwa zu einem Drittel mit. Langfristig bedeutet das einen klaren Rendite-Vorsprung. Im Zehn-Jahres-Rückblick brachte der MSCI-World-Aktienindex eine Rendite von rund 40 Prozent. Der von der schweizerischen Großbank UBS berechnete Convertible-Bond-Global-Index hingegen legte um knapp 90 Prozent zu. Ähnliches gilt für Wandelanleihen-Fonds. Der Convertible-Fonds der DWS etwa brachte es auf eine Durchschnittsrendite von 8,6 Prozent pro Jahr - und liegt damit im Rahmen der Renditeerwartung von sieben bis neun Prozent, die Aktienfonds auf lange Sicht nachgesagt wird. Die volle Garantie ist aber weg, wenn die Aktie gestiegen ist. Da Wandelanleihen fast immer - wie andere Bonds auch - in Prozent notiert werden, gibt es die volle Kapitalgarantie nur dann, wenn das Papier unter dem Rücknahmekurs gekauft wird. Dieser liegt in der Regel bei 100 Prozent. Jedoch müssen Anleger beachten, dass jede Wandelanleihe sich im Prinzip aus einer Unternehmensanleihe und einer Option zusammensetzt. Die Option, die Anleihe zu einem festgelegten Zeitpunkt zu einem bestimmten Wandlungspreis in Aktien zu tauschen, gewinnt an Wert, sobald sich der Aktienkurs dem Wandlungspreis annähert, was nicht selten zu Notierungen über 100 Prozent führt. Sollte die Aktie dann wieder fallen, geht es auch mit dem Kurs der Wandelanleihe bergab. Für Anleger, die absoluten Kapitalschutz suchen, empfiehlt es sich deshalb, nur Wandelanleihen zu kaufen, die unter 100 Prozent notieren. Der Haken an der Sache: Aktienkurs und Wandlungspreis liegen in diesen Fällen meist weit auseinander. Bei SGL Carbon zum Beispiel müsste die Aktie von aktuell 18,50 schon auf 89,10 Euro steigen, damit sich die Wandlung in Aktien zum Ende der Laufzeit im September 2005 rentiert. Bei Ausgabe der Wandelanleihe im September 2000 notierte die SGL-Carbon-Aktie bei 80 Euro. Da eine Rückkehr auf dieses Niveau bis zum Laufzeitende unwahrscheinlich ist, hat die Wandelanleihe ihren Aktiencharakter verloren. Die Option ist fast wertlos, das Papier wird um die 96 Prozent gehandelt - so, als wäre es eine normale Unternehmensanleihe. Trotzdem ist der SGL-Wandler nicht gänzlich uninteressant: Neben der jährlichen Zinsen von 3,5 Prozent (plus vier Prozent Kursgewinn zum Laufzeitende) gibt es die Chance auf ein Wunder gratis dazu. Für Anleger, die eigentlich in Aktien investieren wollen, sind solche Titel interessanter, die näher am Wandlungspreis notieren, weil sie auf Kursbewegungen der Aktien reagieren. Fondsmanager Marc-Alexander Knieß von der DWS etwa räumt zurzeit der Lufthansa-Wandelanleihe gute KursChancen ein, obwohl der Aktienkurs von 12,66 Euro noch um rund 60 Prozent unter dem Wandlungspreis von 20,16 Euro liegt: "Der Kurs reagiert schon. Wenn die Lufthansa-Aktie um ein Prozent zulegt, steigt die Anleihe etwa um 0,35 Prozent." Je näher die Lufthansa-Aktie dem Wandlungspreis kommt, umso stärker nimmt dieses Abhängigkeitsverhältnis zu - in der Fachsprache Delta genannt. Da der Anleihekurs aktuell um die 100 Prozent liegt, haben Anleger eine jährliche Verzinsung von 1,25 Prozent auf jeden Fall sicher, egal ob die Lufthansa-Aktie steigt, seitwärts tendiert oder fällt. Zudem ist diese Anleihe mit dem Recht ausgestattet, sie jeweils zum 4. Januar der Jahre 2006, 2008 oder 2010 zum Kurs von 100 Prozent an die Gesellschaft zurückzugeben. Verluste sind damit ausgeschlossen - außer für den unwahrscheinlichen Fall, dass die Lufthansa Insolvenz anmelden müsste. Auch Wandler, die über 100 Prozent notieren, können reizvoll sein. Ein Beispiel: Ein Aktionär hat auf die DAX-Aufnahme des Auto-Zulieferers Continental gewettet und damit ansehnliche Kursgewinne eingefahren. Nachdem nun der Aufstieg der Aktie in den Deustchen Blue-Chip-Index zum 22. September besiegelt ist, stellt sich die Frage: Wie geht’s weiter? Die Erfahrung lehrt, dass die Party oft vorbei ist, wenn die Index-Aufnahme offiziell verkündet wird. Um das Risiko zu begrenzen, könnte der Anleger nun in die Wandelanleihe umschichten, ohne nennenswert Performance abzugeben. Die Wandelanleihe von 1999 (ISIN: DE000 352650 5) läuft noch bis zum 25. Oktober 2004. Sollte die Conti-Aktie bis dahin über den Wandlungspreis von 25,75 Euro steigen, lohnt es sich für Anleger von ihrem Wandlungsrecht Gebrauch zu machen. Daher wird auch die Wandelanleihe entsprechend zulegen, da die Option an Wert gewinnt. Fällt die Aktie dagegen, kann der Anleihen-Inhaber sein Geld zurückverlangen. Da der jährliche Zinssatz von zwei Prozent eher bescheiden war, zahlt Conti je 1000 Euro Nominale 1066,70 Euro zurück (106,67 Prozent). Dafür gibt es allerdings zum Ablauftag am 25. Oktober 2004 keine Zinsen mehr. Wer die Conti-Wandelanleihe zum aktuellen Kurs von 110,00 Euro kauft, hat ein maximales Verlustrisiko von drei Prozent. Ein aktuelles Beispiel, welche Kursgewinne mit Wandelanleihen möglich sind, liefert der jüngste Convertible Bond von Infineon mit einer Laufzeit bis 2010, der seit seiner Emission am 30. April dieses Jahres bereits um 44 Prozent zulegte. Am 11. August übersprang die Infineon-Aktie zudem nachhaltig den Wandlungspreis von 10,23 Euro und legte seither um 21,5 Prozent zu. Die Wandelanleihe stieg im gleichen Zeitraum von 125 auf 144 Prozent. Das macht unterm Strich zwar nur 11,5 Prozent Gewinn und damit nur etwas mehr als die Hälfte der Aktienperformance. Doch die Tendenz steigt: "Inzwischen hat der Infineon-Bond eine Aktiensensitivität von rund 80 Prozent entwickelt", erklärt DWS-Fondsmanager Marc-Alexander Knieß. Sollte die Infineon-Aktie also um weitere 50 Prozent zulegen, sollten sich die Inhaber der Wandelanleihe auf Kursgewinne von rund 40 Prozent freuen dürfen. "Allerdings", schränkt Knieß ein, "ist dieser Bond hochspekulativ und eignet sich nur zur Depot-Beimischung." Hier zu Lande gibt es nur eine Hand voll reizvoller Papiere. In der Schweiz und in Frankreich dagegen sind Wandelanleihen bereits seit Jahren ein gebräuchliches Mittel für Unternehmen, um sich Kapital zu beschaffen. Zur Freude der Anleger: "Wandelanleihen sind im Prinzip günstig gepreist", findet Credit-Suisse-Experte Mueller. Kein Wunder, dass auch in Deutschland das Interesse erwacht. Vor allem Umtauschanleihen (englisch: Exchangeable Bonds) kommen zunehmend in Mode. Das sind Wandelanleihen, bei denen der Emittent des Bonds und die zu Grunde liegende Aktie nicht identisch sind. Prominentes Beispiel: Die Umtauschanleihe der Kreditanstalt für Wiederaufbau auf die Telekom-Aktie. Auch Versicherungen legen Umtauschanleihen auf Aktien auf, die sie momentan nicht über den Markt verkaufen wollen (etwa Allianz auf RWE). "Hierbei jedoch", sagt Knieß, "müssen Anleger sowohl die Bonität des Emittenten als auch die Entwicklung der zu Grunde liegenden Aktie beachten." Zudem sollten sie den Emissionsprospekt genau studieren. Wichtig ist, dass am Ende der Laufzeit der Anleger entscheidet, ob er die Aktie haben will oder sein Geld zurück. Liegt die Entscheidung beim Emittenten, handelt es sich meist nicht um eine Umtausch-, sondern um eine Aktienanleihe. Diese sind mit höherem Risiko behaftet, bieten allerdings auch höhere Zinsen. Zudem behalten sich manche Emittenten Sonderkündigungsrechte vor, was Anleger hart treffen kann, die zu Kursen über 100 Prozent gekauft haben. Keineswegs vor Verlusten schützen Zwangswandelanleihen wie die jüngste Emission der Deutschen Telekom. Hier wird am Ende der Laufzeit auf jeden Fall die Aktie ins Depot gebucht, eine Kapitalgarantie entfällt. Sollte der Kurs der T-Aktie bis dahin fallen, würden sich Anleger wohl wünschen, der abgestürze Schmetterling könnte sich in eine Raupe zurückverwandeln Das aber geht weder in der Natur noch beim Telekom-Papier. Sondern nur bei echten Wandelanleihen. |