Internet-Aktien am Scheideweg
Nach den dramatischen Kursstürzen sind Internet-Aktien so billig wie nie. Einige Experten raten daher jetzt zum Wiedereinstieg...
Das Ende einer Erfolgsstory
Für 18 Monate waren sie die Protagonisten einer der ungewöhnlichsten Erfolgsstorys, die die Börse je erlebt hatte - Internetaktien. Vor genau drei Jahren, im Herbst 1998, setzten die Dot.coms plötzlich zu einem bisher nicht gekannten Höhenflug an. Doch nach eineinhalb Jahren exorbitanter Kursgewinne und kurzer Verschnaufpausen wurden Aktionäre von Internetwerten im Frühjahr 2000 aus ihren Träumen gerissen - Kurseinbrüche bis zum Totalverlust waren nicht die Ausnahme.
Drei Jahre nach dem phänomenalen Aufstieg der Internetaktien haben US-FINANCE-Redaktionsleiter Nils Jacobsen und TOMORROW-Business-Redakteur Notker Blechner die Branche noch einmal unter die Lupe genommen.
Der Aufprall war hart: Wer im März 2000 auf der Höhe der Internet-Hausse in Dot.com-Aktien investiert hatte, mag im Vertrauen an die Geldanlageform der Aktie schwer erschüttert worden sein. Das Internet, dieses einst vermeintliche Ticket zum schnellen Reichtum, wurde zur Einbahnstraße der Geldvernichtung. Kaum eine Internetfirma, deren Börsenwert seit dem 10.3.2000 - jenes historische Datum, an dem die Technologiebörse Nasdaq einen Indexstand von 5000 Zählern erreichte - nicht um mehr als 90 Prozent an Wert verloren hat.
Internetwerte mit Zukunft?
Was wird nun aus den einst so heiß geliebten, dann schwer verhassten Internetwerten? Anlässlich der Veröffentlichung der bisher umfangreichsten Studie über Internetwerte der beiden HSBC Trinkhaus-Analysten Klaus Lüpertz und Marcel Wetzels ("Internetaktien - Gewinnstrategien nach dem Crash") hat TOMORROW Business noch einmal eine Bestandsaufnahme des Internetsektors gemacht.
Crash-Analyse: Drei Jahre danach - Aufstieg und Fall der Dot.coms
Jede Spekulationsblase hat einmal ihr Ende. Nach 18 Monaten der ungewöhnlichsten Kurszuwächse seit den 20er Jahren ging den Internetwerten plötzlich über Nacht die Luft aus. US-FINANCE-Redaktionsleiter Nils Jacobsen beleuchtet noch einmal die dramatischen Monate, in denen die Blase platzte...
Das Entsetzen war groß. Selbst erfahrene Trader suchten in jener verhängnisvollen Aprilwoche im vergangenen Jahr nach passenden Vergleichen, als die amerikanische Technologiebörse Nasdaq mehr als tausend Basispunkte beziehungsweise mehr als 25 Prozent ihres Wertes verlor. "Das ist der Crash", waren sich Marktteilnehmer über die fünf Handelstage einig. Als verlustreichste Woche aller Zeiten ging der Kurseinbruch in die Geschichte der Wachstumsbörse ein.
Doch das war nur der Anfang vom Ende der einst so glamourösen Internetaktien. Zwar ließ ein kurzer Rebound der Nasdaq im Sommer 2000 die Dot.com-Aktionäre auf die baldige Rückkehr alter Höchststände hoffen, doch viele Internetaktien blieben förmlich auf ihren Tiefs kleben. Nachdem Barron's mit seinem mittlerweile berüchtigten "Burning Fast"-Artikel die erste aller Todeslisten geliefert hatte, rissen die Hiobsbotschaften für Internet-Unternehmen nicht mehr ab. Nicht nur Start-ups gerieten unter Dauerbeschuss der Presse und Analysten: Auch Blue Chips wie Cisco, Yahoo oder Amazon wurden beträchtlich die Flügel gestutzt - die Werte tendieren deutlich unter den Niveaus der ersten Internet-Euphorie von 1998.
Inzwischen scheint sich der viel gescholtene Merrill-Lynch-Staranalyst Henry Blodget mit seiner These zu rehabilitieren, dass 75 Prozent aller Internetfirmen in drei Jahren von der Bildfläche verschwinden sein werden. Die ersten Pleiten im großen Stil wie eToys und Boo.com wurden noch als "notwendiger Ausleseprozess" schöngeredet. Doch spätestens als Cisco-CEO John Chambers auf der Weltwirtschaftskonferenz in Davos im Januar von einer Jahrhundert-Flut sprach, die über das einst hoch bewertete Unternehmen hereinbrach, wurde den letzten Internet-Optimisten der Ernst der Lage klar.
Der Rest liest sich als fast makaberer Epilog der viel herbeigesehnten neuen Wirtschaft: Seit Jahresbeginn machen sich die prominentesten Internetpleiten fast im wöchentlichen Rhythmus Konkurrenz - ein Sterben mit Ansage, dem die "Wirtschaftswoche" inzwischen die regelmäßige Rubrik "DOT.gone" gewidmet hat.
Drei Jahre nach dem euphorischen Beginn einer neuen Ära hat sich eine Katerstimmung breit gemacht, die alles verteufelt, was ein Dot.com im Firmennamen trägt. Doch wie so oft an der Börse, scheint die wahre Bewertung zwischen Hoffnung und Gier zu liegen...
Die fünf Legenden
Die beiden Analysten Klaus Lüpertz und Marcel Wetzels haben ihrem Buch "Internet-Aktien - Gewinnstrategien nach dem Crash" (Gabler-Verlag) die größten fünf Legenden zusammengefasst, die sich um das Thema Internet ranken.
Legende 1: "Das Internet wird die Welt verändern - dot.com oder not.com " - "B2B or NOT2B" - nutze das Netz, oder Du wirst untergeben."
Diese und ähnliche Äußerungen hört man häufig von Leuten aus der Branche. Inhaber von Internetunternehmen und Venture Capitalisten in diesem Bereich warnen immer wieder davor, dass die Dynamik des Internets unterschätzt wird. Sie glauben an die Aussagen und prophezeien allen Unternehmen, die das Internet nicht einsetzen, den sicheren Untergang. Es wird versucht den Anschein zu erwecken, dass niemand den Anschluss verlieren darf.
Fakt: Das Verhalten der Netzbefürworter ist in vielen Fällen recht durchschaubar - und auch sehr eigennützig. Durch solche Äußerungen verschaffen sich die Leute die Aufmerksamkeit der Presse. Je provokativer die Aussage, desto höher die Auflage. Dabei haben viele Teilnehmer dieses Spiels nur eins im Sinn: die Wertsteigerung der eigenen Anteile.
Zweifellos gab es, gibt es und wird es immer Unternehmen geben, die vom Internet überproportional profitieren, bzw. deren Geschäftsmodell und Erfolg ohne das Internet undenkbar wären. Die prominentesten Beispiele sind Cisco und Dell.
Das Internet kann, bei entsprechendem Einsatz, ohne jeden Zweifel die Effizienz und Effektivität häufig auftretender operationaler Prozesse verbessern und durch die Automatisierung einiger Vorgänge die gesamte Fehlerquote senken. Viele Branchen suchen aber heute noch nach den "Killerapplikationen", die nur über das Internet zu realisieren sind. Einige andere Sektoren realisieren bereits heute, dass die Euphoriewelle in der jüngsten Vergangenheit deutlich zu hoch gelaufen ist. Im e-Commerce wollten viele Startups die traditionellen Zwischenhändler ersetzen. Es kam anders als erwartet, denn die Zwischenhändler haben nur marginale Marktanteile verloren.
Legende 2: "E-Commerce wird schon bald einen sehr großen Anteil am Welthandel haben und das Bild des Welthandels grundlegend ändern."
Fakt 2: Im Jahr 2000 nahm E-Commerce gerade einmal einen Anteil von O,5 Prozent am Welthandel ein. Dieser Anteil wird in den nächsten Jahren zwar wachsen, aber lange nicht so stark, wie von vielen "Gurus" prognostiziert. Bis der Anteil bei über 10 Prozent liegt, wird es noch mehr als fünf Jahre dauern. Von daher ist in den nächsten Jahren nicht mit grundlegenden strukturellen Änderungen im Welthandelssystem zu rechnen. Wenn überhaupt ein Bereich Einfluss haben wird, ist dies der B2B-Sektor. Viele Prognosen im Bereich B2C sind auch heute noch viel zu optimistisch. Das Problem dabei ist, dass viele Unternehmensmodelle auf diesen überzogenen Erwartungszahlen beruhen.
Legende 3: "Netzwerke werden Konzerne ersetzen."
Viele Internetjünger sehen das Internet als ein Werkzeug, mit dessen Hilfe die Auflösung der Konzernstrukturen erreicht werden kann. Dabei glauben sie an die Vision, dass sich große Unternehmensverbünde schon bald auflösen werden. Sie werden wieder in eine Vielzahl kleiner Einheiten zerfallen. Die Zukunft wird dann den virtuellen Firmen gehören, deren Spezialisten in aller Herren Länder verteilt sitzen und je nach Projekt zusammenarbeiten werden. An dieser Stelle wird häufig das neue Berufsbild des E-Lancers eingeworfen, eines Freiberuflers, der nach Auffassung der Internetfans wie ein Söldner gegen Bezahlung mal für diese, mal für jene Firma tätig wird.
Fakt 3: Viele Konzerne haben schon lange reagiert und sich auf das Internet eingestellt. Beispielhaft sei hier nur die Deutsche Lufthansa AG genannt. Die Web-Seite des "deutschen Kranichs" ist vorbildlich. Mittlerweile werden viele Tickets via Web gekauft und der Kunde kann sich sehr ausführlich über neue Dinge informieren oder sein Guthaben auf dem Bonuskonto überprüfen. Dabei profitieren die Großkonzerne zum einen von den bereits vorhandenen Kunden und Lieferanten und zum anderen auch davon, dass neben der Einführung des kostendämpfenden Vertriebsweges immer noch Erträge aus dem traditionellen Geschäft sprudeln. Im Gegensatz dazu haben es viele Internetfirmen schwer, überhaupt einmal schwarze Zahlen zu schreiben.
In hohem Maße wahrscheinlich ist, dass das Internet nicht die Großkonzerne auflösen wird, sondern sogar deren Position stärkt. Dafür sprechen zwei Gründe: Erstens bietet das Internet neue Kommunikationswege und baut noch stärker die geografischen Hürden ab.
Und zweitens: Die Konzerne der Old Economy genießen vielfach ein großes Vertrauen bei ihrer Kundschaft und können so vorhandene Kunden eher mal zu einem Ausflug in das Internet bewegen. Die Newcomer der letzten Jahre haben spätestens seit dem Crash den Großteil ihrer Glaubwürdigkeit verspielt und deshalb noch größere Probleme bei der Kundengewinnung.
Die Konzerne werden die Gewinner und keinesfalls die Verlierer der neuen Net-Technologien sein. Dagegen werden es die ehemaligen Startups schwer haben.
Legende 4: "Der Kunde wird zum mächtigsten Glied der Kette und bestimmt allein die zukünftigen Gewinner und Verlierer."
Ein weit verbreitetes Merkmal der zukünftigen Internet-Ökonomie soll die vollkommene Markttransparenz sein, die einzelnen Kunden oder Verbrauchergemeinschaften die Möglichkeit des Preisdiktats einräumt.
Fakt 4: Geschäftsmodelle, die diese These stützen, gibt es schon einige. Klassisch gehören dazu die Preisvergleichsdienste, die dem Kunden das günstigste Angebot für ein spezielles Produkt heraussuchen, und die Seiten für Powershopping, die besondere Preisnachlässe für große Käufergruppen erreichen.
Zu bezweifeln ist allerdings, dass sich die Unternehmen auf eine Fortentwicklung der jüngsten Trends einlassen werden. Zum einen wird bei einem bestimmten Preisniveau lieber auf Geschäft verzichtet als defizitär gearbeitet. Hinzu kommt, dass die Unternehmen zu einer Individualisierung ihrer Angebote übergehen werden, das heißt, zu einem speziellen Produkt gibt es eine Beigabe gratis (drei CDs beim Kauf eines CD-Players etc.). So wird die Transparenz wieder eingeschränkt und die Firmen haben die Möglichkeit, nutzerspezifische und somit zielgruppenorientierte Angebote zu machen.
Die Kostensenkungen, die in vielen Bereichen möglich sind, werden die Anbieter auch nur zum Teil an die Kunden weitergeben, Dieses Vorgehen hat überhaupt nichts mit einem möglichen Machtzuwachs der Verbraucher zu tun!
Legende 5: "Das Internet ist für alle, die sich damit beschäftigen, der Schüssel zu großem Reichtum."
Fakt 5: Zweifellos hat das Internet beim Anhäufen großen Reichtums geholfen. Allerdings sollte über zwei Aspekte einmal intensiv nachgedacht werden:
• An wen ist dieser Reichtum verteilt worden?
• Wie viel von diesem Reichtum ist heute noch vorhanden?
Die Antwort auf Frage eins ist sehr leicht. Offensichtlich haben einige Manager und wenige wagemutige Investoren, die seit den Anfangstagen investiert waren und dank glücklicher Umstände kurz vor dem Kursgipfel ausgestiegen sind, gutes Geld verdient. Auch die Venture Capitalisten im Sektor haben ihren Anteil bekommen. Die meisten Anleger dagegen haben per heute eine negative Performance zu verzeichnen.
Bei Betrachtung der Kursverläufe seit dem Frühjahr 2000 ist leicht nachvollziehbar, dass die Depots der Aktienkäufer bzw. Firmeninhaber massive Abschläge erfahren haben und der Löwenanteil der ehemaligen Vermögen nicht mehr vorhanden ist; damit ist auch Frage zwei ernüchternd beantwortet.
Branchencheck: Totgesagte leben länger
In weniger als fünf Jahren entwickelte sich das WWW vom Kommunikationskanal für Wissenschaftler zum größten wirtschaftlichen Hype der letzten 50 Jahre. Der Aufstieg war rasant, der Absturz noch dramatischer. Trinkaus-Analyst Klaus Lüpertz untersucht, welche Internetsektoren überlebensfähig sind.
Erinnern Sie sich noch an "Nasdaq: 5000"? Dieser Indexstand der amerikanischen Technologiebörse vom 10. März 2000 ist inzwischen legendäres Synonym für eine märchenhafte Ära geworden, in der der "Dot" im ".com" die Lizenz zum Gelddrucken bedeutete. Eine Ära, in der sich über hundert IPOs am ersten Handelstag mindestens verdoppelten. Eine Ära, in der 25-jährige College-Absolventen die Unternehmenskultur reformierten und Baggy Pants, Sneakers und Skateroller salonfähig machten.
Doch die Hippness trog: In einem Internet-Start-up zu arbeiten, war nicht nur Spaß - sondern auch häufig genug 14-16 Stunden Arbeit am Tag, in der Hoffnung, mit Stock Options schnell reich zu werden. Mit "Land gewinnen" beschreibt Steve Harmon, einer der intimsten Kenner der Branche, diese frühe Phase der Internetrevolution. Geschwindigkeit war alles, Geld spielte keine Rolle - die Expansion war schließlich börsenfinanziert.
Am 14. April 2000 änderte sich all das schlagartig: Die Illusion des Reichmachers Internet brach an diesem Tag unwiderruflich zusammen wie das viel zitierte Kartenhaus: An einem jener legendären Triple-Witching-Freitage, an dem Optionen ausgeübt werden können, brach die Nasdaq um mehr als zehn Prozent ein - der TheStreet.com-Internet-Index gar um mehr als 15 Prozent.
Der Rest ist traurige Börsengeschichte: Internetaktien notierten derzeit nur noch bei einem Bruchteil ihres einstigen Wertes - und sind als Penny Stocks nicht selten vom Ausschluss an den Technologiebörsen bedroht. Dennoch trennt sich die Spreu vom Weizen - denn Vorzeigeunternehmen wie AOL oder eBay haben den Sprung zu echten Wachstumstiteln geschafft. Im Branchenüberblick macht Trinkaus-Analyst Klaus Lüpertz eine Bestandsaufnahme der verschiedenen Internetsektoren - und ihren Zukunftsaussichten.
Goldene Regeln
Welche Regeln sollte ein Internet-Investor zukünftig befolgen, um die nächste Kursblase besser zu überstehen? Diese Frage haben die beiden Analysten Klaus Lüpertz und Marcels Wetzels in ihrem Buch "Internet-Aktien - Gewinnstrategien nach dem Crash" (Gabler-Verlag) versucht zu beantworten. Hier die wichtigsten Regeln:
Untersuchen Sie das Umfeld des Unternehmens
Untersuchen Sie den Geschäftsbereich und das Geschäftspotenzial im Subsektor. Die aktuellen Überlegungen zu einzelnen Bereichen (Link zu Kapitel: Kernbereiche der Internet-Branche) sind dafür eine gute Grundlage. Stellen Sie sich dabei immer Fragen der folgenden Art:
- Gibt es einen ausreichend großen Markt für das Produkt oder den Service?
- Können die Firmen nachhaltig einen Preis oberhalb des Breakeven erzielen?
- Wie ist die Konkurrenzsituation?
Nur wenn der Sektor für Kunden interessant ist, das heißt, wenn Produkte oder Services angeboten werden, die langfristig für Kunden interessant sind, lohnt sich ein weiteres Engagement.
"Röntgen" Sie die Firmenstrategie und das Management
Finden Sie Antworten auf folgende Fragen:
- Werden den Kunden komplexe Problemlösungen oder einzelne Produkte angeboten?
- Hat das Unternehmen die Zeit, die Fähigkeit und die Bereitschaft, Kundenwünsche und Probleme aufzunehmen und zu bearbeiten?
- Wie häufig spricht das Unternehmen mit den Kunden?
- Wie hat das Unternehmen in der Vergangenheit reagiert, wenn neue Technologien oder Services im Sektor angeboten worden sind? Hat es im Zweifel ausreichend starke Partner?
- Wie soll die Marktführerschaft erreicht werden?
- Wie häufig wechseln die Mitarbeiter?
- Welchen beruflichen Hintergrund hat das Management?
Häufig lauern die größten Gefahren einer Internetgesellschaft nicht im Markt, sondern in der Gesellschaft selbst. Das Management richtet seinen Fokus zu stark auf die Technologie, erstellt unrealistische Umsatz- und Ertragsschätzungen, überschätzt die eigene Marktposition oder ignoriert zu lange konkurrenzfähige Firmen und Produkte.
Mit den vorgenannten Fragen können Sie einige typische Schwachstellen entlarven. So wird beispielsweise oft der enge Zusammenhang zwischen internettauglichem Human Capital und der Erreichung der teilweise sehr ehrgeizigen Wachstumsziele unterschätzt. Gerade bei jungen Firmen ist das Management neben dem Geschäftsmodell das zentrale Element, das über Erfolg oder Misserfolg entscheidet.
Vertrauen Sie profitablen Unternehmen
Nichts kann nachhaltig erzielbare Margen ersetzen, wenn eine Firma langfristig überleben will. Richten Sie Ihr Handeln nicht ausschließlich an kurzfristigen Daten aus. Quartalszahlen und spezifische Kennzahlen wie die Net Metrics sind wichtig, werden aber häufig überschätzt. Im Internet können und sollen sie nur einen mittelfristigen Trend unterstützen.
Drastische Einbrüche bei Umsatz oder Ertrag sind aber zweifellos ein Warnsignal, denn der Verkauf sollte permanent geschehen und hohe Ausfälle in einem Quartal sind kaum zu kompensieren.
Diversifizieren Sie innerhalb der "Großbaustelle Internet" -aber nicht in jedem Subsektor
Die richtige Aufteilung der eingesetzten Gelder ist sehr wichtig für den Anlageerfolg. Das Internet bietet ausreichend viele Subsektoren, um eine interessante Vorgehensweise zu ermöglichen: Kaufen Sie den Top-Favoriten der interessanten Subsektoren!
Das sind Firmen, die große Marktanteile haben und häufig auch Markteintrittsbarrieren geschaffen haben. Konzentrieren Sie sich auf die Beobachtung und Analyse weniger guter Werte. Ein Blick auf die Nasdaq zeigt: Die fünf größten Technologieaktien nach Marktkapitalisierung (Cisco, Dell, Intel, Microsoft und Oracle) machen deutlich über 60 Prozent des gesamten Technologiesektors an dieser Börse aus. Die anderen weit mehr als 500 Aktien aus der Branche stellen somit nur knapp 40 Prozent Anteil. Vergessen Sie nicht: die Vorreiter bzw. Marktführer, die sich gegebenenfalls erst nach einiger Zeit abzeichnen, sind häufig die am besten performenden Titel einer neuen Generation. Daraus ergibt sich:
Setzen Sie auf die Marktführer
Big is beautiful - und bleibt es auch. Aus dem zuvor Gesagten leitet sich dies ab. Man kann es aber auch im Alltag nachvollziehen. Viele Menschen kennen den Namen des ersten Menschen, der jemals den Mond betrat. Die Namen der späteren Besucher sind zumeist unbekannt. Ähnlich ist es mit der ersten Atlantiküberquerung per Flugzeug und vielen anderen Phänomenen. Sportfans kennen die Deutschen Fußballmeister der letzten zehn Jahre auswendig. Nach den Vereinen befragt, die in den gleichen Spielzeiten die Plätze zwei bis fünf belegt haben, passen die meisten.
Die Marktführer, die Ersten im Markt, erhalten oft eine sehr hohe Aufmerksamkeit und später dann auch besondere Wertschätzung. In der Wirtschaft und an der Börse besteht diese Wertschätzung aus Kunden, Umsätzen und Anlegergeldern. Die First Mover entwickeln häufig Standards, um die sich die weitere Entwicklung im Sektor dreht. Von daher gilt in vielen Bereichen für die nahe Zukunft: Get big or get out!
Wie wichtig selbst das permanente Screening von Marktführern ist, zeigt das Scheitern überlegener Technologien in der Vergangenheit. Nach Meinung vieler Experten war der Betamax-Standard bei Videorecordern dem heute weit verbreiteten VHS-System weit überlegen, und IT-Experten favorisieren noch immer Apple's Macintosh gegenüber Windows von Microsoft.
Sollten Sie zu einem Sektor keine Meinung haben oder keinen potenziellen Marktführer erkennen, dann kaufen Sie auch keine Aktien! Schon immer galt an der Börse der Spruch: "Es ist mindestens genauso wichtig, große Verlierer zu vermeiden, wie große Gewinner zu kaufen." In einem so wettbewerbsintensiven Umfeld wie dem Internet gilt das sogar verstärkt.
Entscheiden Sie anhand von Fakten
Selbstverständlich müssen Sie bei Ihrer Recherche mit Prognosen arbeiten. Vertrauen Sie aber auf Zahlen anerkannter Marktforschungsinstitute, die mittlerweile auch regelmäßig in der Tagespresse veröffentlicht werden. Nutzen Sie nicht die Chats oder gar die gebührenpflichtigen Telefonhotlines. Die Betreiber leben häufig ausschließlich davon, dass sie Ihnen permanent Aktientipps geben, egal wie gerade die Börse lauft. Vereinzelte Betrugsfälle belegen, dass einzelne Aktien gezielt gepusht werden. Ahnungslose Investoren erfahren in einem Online-Forum den "heißen Tipp". Häufig handelt es sich um verlockende, aber leider völlig falsche Informationen. Prüfen Sie die Seriosität Ihrer Informationsquellen! Natürlich ist nicht jede Hotline oder jeder Chat schlecht, aber: Trennen Sie sich von selbsternannten Aktiengurus, die mit der Euphoriewelle 1998/1999 nach oben gespült worden sind. Zu diesem Zeitpunkt konnte jeder mit fast jedem Tipp Geld verdienen. In der Abwärtsbewegung trennt sich die Spreu vom Weizen.
Interview mit Buchautor Klaus Lüpertz
"Nur die ganz Großen werden überleben"
"Stellen Sie sich einen neu entdeckten Planeten vor: Sie erhalten das Angebot, auf diesem Planeten zu leben. Dort gibt es alles, was das Herz begehrt: gesunde Natur, freundliche Menschen, intakte Familien. Kurz - das Schlaraffenland, in dem selbst gebratene Hähnchen durch die Luft fliegen. Sie sind begeistert und planen schon den Umzug, da erfahren Sie, dass es dort keinen Sauerstoff gibt. Die Luft zum Atmen fehlt."
So beschreiben die beiden Analysten Klaus Lüpertz und Marcel Wetzels von HSBC Trinkaus & Burkhardt in ihrem neuen Buch "Internet-Aktien - Gewinnstrategien nach dem Crash" (Gabler-Verlag) die Entstehung und das Platzen der Internet-Blase von 1998 bis heute. Lüpertz und Wetzels: "Cash ist der Sauerstoff, den Aktien brauchen." Das Buch ist die wahrscheinlich umfassendste und schonungsloseste Bestandsaufnahme der einstigen Boom-Branche seit der Krise der "New Economy". Anschaulich erklären Lüpertz und Wetzels die Gründe des Börsen-Crash seit März 2000, analysieren die einzelnen Sektoren der Internet-Wirtschaft und geben Anlegern Tipps, wie sie die nächste Kursblase überstehen können. TOMORROW Business unterhielt sich mit Koautor und Analyst Klaus Lüpertz.
Nach den dramatischen Kursstürzen sind Internet-Aktien so billig wie nie. Einige Experten raten daher jetzt zum Wiedereinstieg. Auch Sie?
Lüpertz: Nein. Die Ereignisse vom 11. September haben die Talfahrt der Internet-Aktien beschleunigt. Das einzige, was sich seither wirklich geändert hat, ist die Tatsache, dass wir uns näher am Ende der Rezession befinden. Die meisten Internet-Unternehmen haben zuletzt sinkende Gewinne und steigende Verluste bekannt gegeben. Selbst Prognosen, die leicht korrigiert wurden, sind noch zu optimistisch. Beispiel Internet-Provider: In mehr als 80 Prozent der Aktienkurse dieser Firmen ist die Fantasie bezogen auf das Jahr 2010 eingespeist.
In Ihrem Buch werfen Sie Anlegern vor, blind in einzelne Firmen investiert zu haben - nach der Faustformel: "Je kleiner und unbekannter ein Unternehmen, desto besser". Warum wurde hier gegen die Binsenweisheit verstoßen: "Was der Bauer nicht kennt, frisst er nicht"?
Lüpertz: Michael Douglas hat es im Film "Wall Street" auf den Punkt gebracht: "Was die Märkte bewegt, ist Gier."
Als Netscape und die ersten Internet-Firmen an die Börse kamen, gab es gleich raketenhafte Gewinne. Irgendwann sagten sich Anleger: Da mach ich auch mit! Hinzu kam der Trend-Effekt: Anleger bekamen den Eindruck, dass sie den Trend des Jahrtausends verpassen, wenn sie nicht zugreifen. Bald war die Nachfrage größer als das eigentliche Angebot: Viele Anleger gingen bei Neuemissionen von Internet-Anbietern leer aus.
Sie haben im Gegensatz zu vielen anderen Analysten früh vor einem Crash gewarnt. Warum wurden Sie nicht gehört?
Lüpertz: HSBC Trinkaus hat im Februar 2000 eine regelmäßige Analyse zur Internet-Branche gestartet. Damals waren wir schon sehr vorsichtig und galten als "Dancer in the Dark". Aber man wollte uns nicht hören. Denn die Kurse stiegen weiter. Erst als die Lage ab März drehte, wuchs das Interesse an unseren Analysen etwas.
Sind die Analysten und Journalisten mitschuldig am Börsen-Crash?
Lüpertz: Nein, man kann Analysten und Journalisten nicht schuldig machen. Hätte sich damals, 1999, jemand gegen den Trend gestellt, wäre er ein Jahr falsch gelegen. Andererseits haben viele Analysten und Journalisten die Situation deutlich überschätzt.
In Ihrem Buch prophezeien Sie, dass in fünf Jahren 80 bis 90 Prozent der heutigen Top-500-Internet-Firmen nicht mehr existieren. Warum so pessimistisch?
Lüpertz: Die Internetbranche wird sich wie jede ehemalige Boombranche konsolidieren; ein gutes Beispiel dafür, wie es vermutlich laufen wird, ist der Computersektor. Das ist ein ganz normaler Prozeß. Zu den wenigen Überlebenden der Branche kommen dann noch neue Player, die auch dominante Positionen einnehmen können. Microsoft ist so ein Beispiel: Erst nach Bereinigung der Softwarebranche kam Bill Gates mit seiner Firma an den Markt und schaffte es innerhalb kurzer Zeit bis an die Spitze. Am Ende des Tages, wenn Internet ein Sektor wie (fast) jeder andere sein wird, bleiben nur noch die ganz großen übrig, zum Beispiel Firmen wie Cisco.
Glauben Sie, dass sich die Internet-Blase eines Tages wiederholt?
Lüpertz: Ja, sie wird sich in anderen Branchen wiederholen. Sobald eine Branche wieder einen Trend verspricht, werden Anleger wieder wie wild Aktien kaufen.
Welche Branche wird das sein?
Lüpertz: Vielleicht könnte es die Nanotechnik-Branche sein.
Fünf Internetwerte für die Zukunft
Nach den zermürbenden letzten 18 Monaten werden Internet-Unternehmen inzwischen kaum noch beachtet: Wie bei einer aussterbenden Spezies dokumentieren die Fachblätter Woche für Woche nur noch akribisch genau das Ableben vieler Start-ups. Doch so viel Skepsis beinhaltet auch eine Chance, glaubt US-FINANCE-Redaktionsleiter Nils Jacobsen.
Es ist schon fast ein Gesellschaftsspiel geworden: Tippen Sie die nächste Internetpleite. Seit Monaten wird die Berichterstattung über Internetfirmen fast hämisch begleitet von süffisanten Anekdoten über "Pink Slip"-Partys oder Websites wie FuckedCompany.com, auf der sich gefeuerte Dot.comer den Internetfrust von der Seele schreiben. Doch so viel Negativität ruft den Kontrainvestor auf den Plan: Der allgegenwärtig negative Gesprächsstoff, der die Online-Branche beherrscht, könnte auch eine echte Chance für Langfristanleger bedeuten - das Medium wird zu früh abgeschrieben.
Denn was Internetwirtschaft auch bedeuten kann, beweisen zwei rentable Profiteure, die gegen den Nasdaq-Trend 2001 sogar zulegen konnten: Expedia und eBay. Die Internetfirmen, die es schaffen, nachhaltig profitabel zu agieren und trotzdem nichts an Wachstumstempo einbüßen, könnten zu ähnlich bedeutungsvollen Hightech-Unternehmen heranreifen, wie die PC-Hersteller in den frühen Achtzigern.
Entgegen der vorherrschenden Skepsis scheint es für ausgewählte Internetwerte also doch eine Zukunft zu geben: AOL macht gerade vor, wie die besten aller Welten für ein Dot.com aussehen kann - der gelungene Schulterschluss mit den traditionellen Medienunternehmen der Old Economy.
Es gibt noch mehr Hoffnung: Denn die Marktführer haben in dieser dräuenden Ebbe-Phase eine enorme Auswahl an Übernahmemöglichkeiten. Fast alle vergleichbaren Konkurrenten werden deutlich unter Emissionskurs gehandelt - Zeit für die Big Player, auf Shopping-Tour zu gehen.
Willkommen also zum Internet-Business 3.0 - eine Ära der Konsolidierung, Bewährung und Reife! In den nächsten drei bis fünf Jahren sollten sich wahre Gewinner der Internetrevolution herauskristallisieren. Wie vor der großen Dot.com-Euphorie gilt: Diese Phase bietet Unternehmen und Investoren gleichsam hohe Renditechancen, wenn sie rechtzeitig die kommenden Marktführer identifizieren können. Fünf zukunftsweisende Investments hat US-FINANCE-Redaktionsleiter Nils Jacobsen für TOMORROW Business herausgesucht:
Guidance
Bea Systems
Brocade
eBay
Expedia
Juniper Networks
Gruß
Happy End