GÖRING-VERGLEICH
Jetzt attackiert auch Merz den Bundestagschef
Beleidigt zu werden gehört zum Tagesgeschäft von Politikern. Doch vom Altkanzler als "schlimmster Präsident seit Hermann Göring" bezeichnet zu werden, damit hatte Wolfgang Thierse wohl nicht gerechnet. Jetzt legte auch noch Unionsfraktionschef Merz nach.
Berlin - Merz (CDU) sagte dem "Kölner Stadt-Anzeiger" laut Vorabbericht: "Er ist der schlechteste Bundestagspräsident, den wir je hatten." Thierse übe sein Amt parteiisch zu Gunsten der Koalition aus. Er trenne sein Amt nicht von seinem Posten als stellvertretender SPD-Chef.
Merz sagte, Thierse habe bei der Bundestagsdebatte über die Hilfen für die Hochwasseropfer am vergangenen Donnerstag minutenlang Zwischenrufe von SPD-Abgeordneten während der Rede von Unions-Kanzlerkandidat Edmund Stoiber (CSU) geduldet.
Thierse warf indes Ex-Bundeskanzler Helmut Kohl eine "ungeheuerliche Entgleisung" vor. Nach einem Bericht des SPIEGEL hatte Kohl nach der Bundestagssondersitzung zur Hochwasserkatastrophe letzte Woche im kleinen Kreis über Thierse gesagt: "Das ist der schlimmste Präsident seit Hermann Göring."
Ein Sprecher Kohls wollte die Aussage am Montag nicht kommentieren. Der frühere CDU-Vorsitzende und Bundeskanzler nehme zum Inhalt privater Gespräche nicht Stellung, erklärte er.
Thierse forderte die politisch Verantwortlichen in der Union auf, sich von der Äußerung unverzüglich zu distanzieren. Grünen-Chefin Claudia Roth sagte: "Ich erwarte eine unmittelbare Entschuldigung." Die Bundestagsvizepräsidentinnen Anke Fuchs (SPD), Antje Vollmer (Grüne) und Petra Bläss (PDS) appellierten in einer gemeinsamen Erklärung an die Gemeinsamkeit aller Demokraten, dass eine solche "pamphletische Äußerung nicht ignoriert werden darf".
Sie forderten die Unionsspitze auf, sich von dieser "unglaublichen Attacke auf den zweithöchsten Repräsentanten der Bundesrepublik" zu distanzieren. "Solche Vergleiche sind eines Demokraten unwürdig", betonte Fuchs. Wenn diese Äußerung tatsächlich gefallen sei, handle es sich um eine Beleidigung des gesamten deutschen Parlaments, hatte SPD-Fraktionschef Ludwig Stiegler bereits am Wochenende erklärt.
FDP-Chef Guido Westerwelle wollte den angeblichen Vergleich von Thierse mit Göring nicht kommentieren. Sollte sich aber die Äußerung bewahrheiten, sei sie nicht akzeptabel, unterstrich er.
Nach dem SPIEGEL-Bericht war die Äußerung Kohls am Donnerstag nach der Sondersitzung des Parlaments zu den Hochwasserhilfen im Bundestagsrestaurant gefallen. Hintergrund sei offenbar, dass Thierse während der Rede von Unionskanzlerkandidat Edmund Stoiber spät gegen rot-grüne Zwischenrufe eingeschritten sei. Die Äußerung sei im Beisein von drei bekannten CDU-Politikern und einem Ex-Minister der FDP gefallen, hieß es in dem Bericht. Auf Anfrage des Nachrichtenmagazins wollten die Anwesenden die Äußerung weder kommentieren noch dementieren oder waren für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.
Spiegel