vwd Extra/UMTS - die Cash Cow ist aufs Eis geraten
- von vwd Redakteurin Irmgard Peterek -
Frankfurt (vwd) - Cash Cow oder Flop? Mobiles Eldorado oder
technologisches Mauerblümchendasein? An UMTS scheiden sich die Geister,
sowohl die der Finanzexperten als auch die der technischen Fachleute. "Ohne
UMTS-Lizenzen schneidet sich jeder Netzbetreiber von der Technologie der
Zukunft ab." Das war die These der uneingeschränkten Befürworter der mobilen
Dienste der dritten Generation, die nach dem Motto "Koste es, was es wolle"
bereit waren, bei der Versteigerung der Lizenzen bis in schwindelnde Höhen
mitzubieten.
"Die Technologie wird sich nie rentieren, die finanziellen Risiken können
einst solventen Telekommunikationskonzernen das Rückgrat brechen." So
warnten die eher skeptischen Geister, die sich übrigens durch die
Entwicklung der vergangenen Monate in ihrem Pessimismus bestärkt sehen.
Aber nun sind die Würfel ohnehin gefallen, die meisten großen "Player"
der europäischen Telekommunikationsbranche, die sich in dieser Region an
mehreren Auktionen beteiligt haben, weisen einen beachtlichen Schuldenstand
auf. Dafür lagern sie in ihren Tresoren die "Goldenen Lizenzen", die das
ganz große Geld versprechen. Ob sich beides jemals die Waage halten wird -
darüber gehen die Meinungen zurzeit auseinander. Verstärkt durch die
dahinschwindende Internet-Euphorie und die damit einhergehende
Wiederentdeckung eher traditioneller Bewertungsmaßstäbe scheinen momentan
die Kritiker die Oberhand gewonnen zu haben.
Immer wieder neue Verzögerungen bei der Einführung der neuen Technik -
sowohl beim Aufbau der Netz als auch bei den Handyproduzenten und den
Betreibern - werten sie als klares Indiz dafür, dass es bei diesem Poker
letztlich nur einen Gewinner gab: Die Finanzminister zumindest einiger
europäischer Staaten, die bei der Lizenzversteigerung stattliche Summen
kassierten.
Angepriesen wird UMTS als omnipräsentes Online-Dasein. Durch den Aufbau
von paketvermittelten Datennetzen werden sich die Netzbetreiber quasi in
eine andere Welt katapultieren, so die Meinung von Technikern. UMTS
ermöglicht die Herstellung von sogenannten Standleitungen, die in der Lage
sind, ein "mobiles Paradies" zu schaffen. Mobile Videokonferenzen,
Shopping-Dienste, interaktive Videospiele oder Video-on-Demand - alles über
das Handy, so die Versprechungen der voraussichtlich beteiligten
Telekommunikationskonzerne an die Endkonsumenten.
Carsten Kratz, Berater bei Boston Consulting, stellt jedoch den
ökonomischen Nutzen in den Vordergrund: "Man kann die jetzigen Diskussionen
um UMTS mit den Debatten vor einigen Jahren über die Einführung von
CAD-Systemen im Maschinenbau vergleichen", zieht der Experte Parallelen.
"Und kennen Sie heute noch einen einzigen ernstzunehmenden Maschinenbauer,
der ohne CAD-Systeme auskommt?" folgt die provokative Frage. Den Grund sieht
er einfach in dem Produktivitätsfortschritt, der mit neuen Technologien
einhergeht.
Seiner Meinung nach wird auch UMTS einen solchen Sprung in der
Telekommunikation bewirken - trotz der Kosten und den Risiken bei der
Einführung. "Nehmen Sie als Beispiel den kostspieligen Außendienst", wird
Kratz konkret. "Mit Hilfe von UMTS kann die Zentrale ihre Leute ständig mit
neuen Informationspaketen versorgen, ohne dass jedes Mal eine Verbindung
aufgebaut werden muss." Die neuen Kapazitäten werden seiner Meinung nach
ganz neue Dienste ermöglichen, die international Standards setzen werden.
Wenn es demnach zu den Grundideen von UMTS gehört, global eine andere
Dimension in der Kommunikation zu ermöglichen, so war die Vergabe der
UMTS-Lizenzen in Europa geradezu ein Paradebeispiel für das Gegenteil.
Um eine Bravourleistung, die den Fortschritt bei der Integration Europas
demonstrierte, hat es sich keinesfalls gehandelt. Während Großbritannien und
Deutschland ihre Lizenzen in einer Auktion versteigerten, wurden die
Eintrittskarten für die Mobilfunkdienste der dritten Generation in
Frankreich, Italien und Spanien auf Basis eines "Beauty Contest" vergeben.
Das von den Bewerbern vorgeschlagene Konzept und die Finanzkraft wurden von
der staatlichen Vergabestelle geprüft, die Vergabe der Lizenz erfolgte auf
dieser Basis. Die Gewinner zahlten eine geradezu läppische Eintrittsgebühr
verglichen mit den Summen, die sie bei einer Auktion hätten aufbringen
müssen.
Verständlich also, dass die benachteiligten Konzerne über die daraus
entstehende Wettbewerbsverzerrung klagen. "Es ist nicht nachvollziehbar,
dass in einzelnen Ländern die Lizenzen quasi zum Nulltarif an heimische
Unternehmen vergeben werden, während in anderen Ländern extreme Summen dafür
aufzuwenden sind", mokierte sich beispielsweise Ron Sommer,
Vorstandsvorsitzender der Deutschen Telekom AG, bereits vor dem Beginn der
Auktion in Deutschland. Dennoch bot er in Mainz mit - bis zur
Schmerzensgrenze von 16 Mrd DEM. Blieb ihm eine andere Wahl?
(mehr/vwd/ip/zwi)