Führende Investmenthäuser prognostizieren nun endgültig das Ende der Börsenrally. Die globale Kreditkrise berge zu viel Unsicherheit - aus diesem Grund werde nun auch die Realwirtschaft geschwächt.
"Die Risiken für den Dax nehmen zu. Der Index mag nicht teuer sein, aber wir erwarten, dass die Unternehmensgewinne aufgrund des starken Euro und der Rohstoffpreise leiden werden", schreibt die US-Bank Goldman Sachs in ihrem Ausblick. Zudem seien die Finanzakteure nicht mehr bereit, Risiken einzugehen.
Mit Teun Draaisma, der Europa-Strategen von Morgan Stanley, ist nun auch der bislang letzte Optimist ins Lager der Bären gewechselt. "Wir waren seit Mitte August bullish, doch jetzt ist eine Rezession wahrscheinlich", sagt Draaisma, der noch vor zwei Wochen eine Mega-Rally an den Börsen prophezeit hatte. Die Aussichten sind also schlecht, was auch zum Wochenschluss spürbar wurde, als die globalen Aktienindizes zum Teil nachgaben.
Die Mehrheit der Strategen geht davon aus, dass es trotz weiterer Zinssenkungen in den USA dort zu einer Rezession kommt. Dabei dämpften die US-Währungshüter am Freitag erneut Spekulationen auf weitere schnelle Zinssenkungen. So sagte Fed-Gouverneur Randall Kroszner, die US-Wirtschaft werde nun eine "schwere Zeit" durchmachen". Die derzeitige geldpolitische Haltung sollte aber helfen, das durchzustehen.
Auch der Chef der regionalen Fed St. Louis, Willliam Poole, zweifelte die Notwendigkeit weiterer Zinssenkungen an. Die Fed scheint verhindern zu wollen, dass sich die Märkte auf eine erneute Zinssenkung am 11. Dezember derart einschießen, dass ein Ausbleiben für Turbulenzen sorgen würde. Offenbar geht die Fed von einem sehr schwachen vierten Quartal aus, so dass dies nicht automatisch zu weiteren Zinssenkungen führen müsste. Die Fed San Francisco erwartet etwa nur annualisiert 1,25 Prozent Wachstum.
"Die Finanzmärkte befinden sich weiterhin in einer Phase erhöhter Volatilität. Das wird sich nicht ändern, solange die Folgen der Subprime-Krise auf die Bilanzen der Finanzinstitute unklar bleibt", sagen Experten der Deutschen Bank. In der vergangenen Woche hatten erneut zahlreiche Banken hohe Verluste aus ihren Kreditgeschäften gemeldet.
Es grassiert die Furcht vor weiteren Abschreibungen auf hochriskante und wenig liquide Papiere, da diese Assets von den Banken selbst mit eigenen Berechnungsmethoden in der Bilanz bewertet werden, was eine Prüfung der Werthaltigkeit für Investoren erschwert. "Kurzfristig sind die Risiken groß, dass es zu einem US-Abschwung kommt. Dort könnte das Wachstum von 4,9 Prozent im dritten Quartal auf 1 Prozent im vierten Quartal sinken", schreiben Strategen von JP Morgan.
Spannung vor Wachstums- und Inflationsprojektionen
Mit Spannung erwarten Beobachter nun die neuen Wachstums- und Inflationsprojektionen der US-Notenbank bis 2009, die sie am Dienstag vorlegt. Überraschend schwache Daten zur US-Industrieproduktion nährten am Freitag Sorgen um die US-Konjunktur. "Es ist nicht mehr nur der Häusermarkt", sagte Ian Shepherdson, US-Chefvolkswirt bei High Frequency Economics. An der Wall Street will die Nervosität deshalb nicht abreißen.
Der Volatilitätsindex VIX, ein Maß für die Unsicherheit am Markt, stieg vergangene Woche auf den höchsten Stand seit 2003. Mehr Ruhe wird wohl auch die anstehende verkürzte Handelswoche nicht bringen. Wegen des Feiertags ist die Börse geschlossen, am Freitag ist sie nur wenige Stunden geöffnet. "Die Händler werden gespannt auf das Verbrauchervertrauen am Dienstag warten", sagte Nick Perry, Analyst bei den Investmentberatern Schaeffer's Research.
Die Umfrage unter 5000 US-Haushalten ist ein Indikator dafür, ob sich die Finanz- zu einer Konsumkrise ausweiten könnte. Die ersten Zeichen gebe es bereits, sagte Perry. Die Kaffeehauskette Starbucks erwartet zum Beispiel für die nächsten Monate schwächeres Wachstum. Wer seine Hypothek nicht bezahlen kann, überlege zweimal ob er für einen Becher Kaffee bis zu 5 $ zahlt, begründet das der Analyst. Im Fokus der Investoren steht deshalb vor allem der Einzelhandel. Die Angst sei groß, sagte Perry, dass das Weihnachtsgeschäft die Erwartungen nicht erfüllt. Es startet nach dem Feiertag Thanksgiving an diesem Donnerstag.
In den Vorjahren sei das Weihnachtsgeschäft oft mit einer Rally am Dow Jones einhergegangen. "Die bleibt dieses Jahr aus", erwartet Peter Cardillo, Chefökonom bei Avalon Partners. Er schließt sich damit den Meinungen der großen US-Banken an. Gestützt könnte seine Prognose spätestens im Dezember werden. Dann entscheidet die Notenbank Fed über eine erneute Zinssenkung. Bleibt die aus, würden die Erwartung der Investoren nicht erfüllt und "dann geht es für den Dow Jones weiter bergab", ist Cardillo überzeugt.
Am Devisenmarkt wird sich das Auf und Ab zwischen dem Aufbau und der Auflösung von Carry Trades diese Woche voraussichtlich fortsetzen. Die Unsicherheit der Anleger machte sich zuletzt in sehr kurzfristigen Richtungsänderungen bemerkbar, die auf die Schwankungen in der Anlegerstimmung zwischen steigender und sinkender Risikoscheu zurückzuführen waren. Dies sorgt für starke Kursschwankungen vor allem beim Yen. Devisenstrategen sind sich aktuell höchstens darin einig, dass die Volatilität bei den Carry Trades anhalten und der Yen weiter zulegen wird, sollte die Risikoaversion bestehen bleiben. Ansonsten gehen ihre Prognosen auseinander.
Dollar bleibt der Prügelknabe
Der Dollar legte vergangene Woche eine Verschnaufpause ein und bewegte sich gegenüber den meisten Währungen in einer engen Spanne. Eine stärker aufflammende Risikoscheu könne die US-Währung zwar kurzfristig nach oben treiben, so Martin McMahon, Devisenstratege bei Credit Suisse. "Wir sehen die mittelfristigen Aussichten für den Dollar aber abwärtsgerichtet." Auch für die Analysten der DZ Bank bleibt der Dollar "trotz der in den letzten Tagen zu beobachtenden leichten Stabilisierung der Prügelknabe".
"Da diese Woche einige Daten zum US-Immobilienmarkt, der großen Achillesferse der US-Volkswirtschaft, veröffentlicht werden, lockt die Chance auf ein neues Allzeithoch des Euro zum Dollar", schreiben sie in ihrem Wochenausblick. Dagegen ist Stefan Schilbe Chefvolkswirt von HSBC Trinkaus & Burkhardt eher negativ für den Euro gestimmt und sieht durchaus die Gefahr eines Rückschlags, der die Gemeinschaftswährung unter 1,45 $ drücken könnte.
Risikoscheu an den Rentenmärkten
Auch an den Rentenmärkten ist die Risikoscheu weiterhin der beherrschende Faktor. Sie hängen dabei am Gängelband der Aktien und den Konjunktur- sowie Zinsaussichten in den USA. Strategen sind dabei über die weitere Richtung uneins.
Aus Sicht der DZ-Bank-Experten fällt es den Staatsanleihen momentan sehr schwer, weitere Kursgewinne zu erzielen. Sie rechnen diese Woche mit einer Abwärtsbewegung, "da die Wirtschaftsprognosen der US-Notenbank wohl tendenziell die Inflationssorgen betonen werden und daher enttäuschen dürften". Schilbe von HSBC erwartet dagegen, dass die US-Daten erneut schwach ausfallen und die Fantasie auf weitere Zinssenkungen der Fed wach halten, auch wenn die US-Notenbanker versuchten, hier gegenwärtig verbal gegenzusteuern.
Sollte sich die Diskussion um eine größere Abschwächung der US-Wirtschaft verstärken und der Bund-Future die Marke von 114,73 Punkten überwinden, dann würde sich aus seiner Sicht erhebliches Aufwärtspotential eröffnen. Am Freitag schloss der Bund-Future schon im Plus.
Von Markus Zydra, Mark Schrörs, Doris Grass (Frankfurt) und Claas Tatje (New York)
Quelle: Financial Times Deutschland
gruß scalper
Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin, daß er tun kann was er will, sondern daß er nicht tun muß, was er nicht will. (Jean-Jacques Rousseau)