Yukos: Krieg und Befriedung
Selbst nach dem Liquidationsbeschluss des russischen Konzerns hören die Klag en im Umfeld von Yukos nicht auf
Eine Russin hält ein Bild mit dem Konterfei und Initialen Chodorkowskis an ein Busfenster: eine Solidaritätsbezeugung, während das Verfahren in Moskau läuft. Foto: epa
Von Konstanze Walther
Ex-Manager und Aktivisten bleiben unter Beschuss.
EuGH: Anfechtung.
Moskau. Yukos ist tot, es lebe Yukos: Am 1. August 2006 beschloss ein Moskauer Gericht die Liquidierung des russischen Ölriesen und setzte damit dem langen Ringen ums Überleben von Yukos zumindest einen vorläufigen Endpunkt. Doch das zerschlagene Unternehmen, das nur noch 30 Prozent des ehemaligen Konzerns ausmacht, gibt nicht auf. "Wir haben noch eine offene Klage beim EuGH, die jetzt prioritär behandelt wird", so Yukos-Pressesprecherin Claire Davidson zur "Wiener Zeitung".
Bis gestern, Montag, gab es jedoch keine Neuigkeiten aus dem Europäischen Gerichtshof. Kernpunkt des Verfahrens ist die ehemals wichtigste Yukos-Produktionstochter Yuganskneftegas, die mittlerweile Symbolcharakter im Kampf um Yukos erlangt hat. Politische Beobachter gingen spätestens seit 2004 davon aus, dass der Kreml den Konzern zerschlagen will. Damals wurde Yuganskneftegas bei einer Zwangs-auktion versteigert. Hintergrund: Der Konzern war nicht liquide genug, um seine Steuerschulden zu begleichen – da sämtliche Konten zuvor von der russischen Regierung eingefroren worden waren. 76,8 Prozent von Yuganskneftegas wurden von einem bis dahin völlig unbekannten Unternehmen gekauft, später verleibte sich der staatliche Energiekonzern Rosneft das ehemalige Herzstück von Yukos ein.
"Es handelte sich um eine staatlich orchestrierte Auktion, bei der ein staatlich orchestriertes Unternehmen Yuganskneftegas bekam, und nun haben wir einen staatlich orchestrierten Bankrott", kritisiert Davidson. "Wir waren über die Jahre rund 2000 Mal bei einem russischen Gericht, und haben nie gewonnen – außer das eine Mal, wo die Richterin den Tag darauf von der Richterbank verbannt wurde, und ihr Urteil aufgehoben worden ist."
Begonnen hat der Konflikt zwischen Yukos und dem Kreml im Jahr 2003.
Sturz Chodorkowskis
Der damalige Eigentümer des Konzerns, Chodorkowski, stellte sich öffentlich gegen den Präsidenten Wladimir Putin und dessen "Abwendung von der Marktwirtschaft". Im Vorfeld der Duma-Wahlen 2003 fing Chodorkowski an, oppositionelle Parteien zu finanzieren. Kurze Zeit später begannen die Razzien in der Yukos-Zentrale.
Im Oktober 2003 wurde Yukos-Chef Michail Chodorkowski festgenommen. Dem reichsten Mann Russlands wurden Betrug, Steuerhinterziehung und Dokumentfälschung vorgeworfen. Kurz danach trat er als Konzernchef zurück. Parallel dazu beschlagnahmte die Staatsanwaltschaft einen Großteil der Yukos-Aktien. In der Folge erhoben die Behörden Steuernachforderungen gegen Yukos in Höhe von mehr als 20 Milliarden Dollar.
"Niemand von uns hatte vorhergesehen, dass die Spannungen zwischen Chodorkowski und dem Kreml direkte Auswirkungen auf die Firma Yukos und ihre 100.000 Angestellten haben würden", sagte bereits 2005 ein enttäuschter Steven Theede, damaliger Yukos-Vorstandschef. Ein Jahr später trat auch Theede zurück, kurz vor dem Liquidationsbeschluss. Der als Konkursverwalter bestellte Eduard Rebgun rechnete vor, dass es zur Liquidation keine Alternative gebe. Nach seinen Angaben stehen 14,5 Milliarden Dollar an Schulden bei der Steuer und dem staatlichen Konzern und Konkurrenten Rosneft einem momentanen Unternehmenswert von knapp 14 Milliarden gegenüber. "Theede wollte die Liquidierung nicht mittragen", heißt es von Yukos über dessen Rücktritt. Der Amerikaner versuchte zwei Jahre lang die Firma mittels Klagen zu verteidigen, nachdem er 2004 Chodorkowski als Vorstandschef gefolgt war. Jetzt hat ihn selbst die russische Justiz eingeholt: Am 17. August leitete die Staatsanwaltschaft gegen ihn und zwei andere Yukos-Manager Ermittlungen wegen Geldwäsche und Veruntreuung ein.
Doch nicht nur an dieser Front kommt es zu neuen Klagen. Auch beim "Zentrum für Internationalen Schutz", einer russischen Institution, die Bürgerrechte vor dem EuGH vertritt, klopfte die Justiz diesen Sommer an: Die Non-ProfitOrganisation wurde aufgefordert, Steuern nachzuzahlen. Sie wird von einer Juristin geleitet, die auch Michail Chodorkowski verteidigt hatte.
Chronologie:
25. Oktober 2003: Yukos-Chef Michail Chodorkowski wird festgenommen.
7. Dezember 2003: Wahl der Duma. 222 von 450 Sitzen gehen an Putins Partei „Einiges Russland“. Im März 2004 wird Putin als Präsident wiedergewählt.
26. Mai 2004: Der Konzern muss 3,6 Milliarden Dollar Steuern für das Jahr 2000 nachzahlen. Drei Wochen später beginnt das Verfahren gegen Chodorkowski.
1. Juli 2004: Die Geschäftskonten von Yukos werden eingefroren. Zugleich fordern die Finanzbehörden weitere 3,4 Milliarden Dollar Nachzahlungen für 2001, die später sogar auf 6,7 Milliarden erhöht werden.
31. Mai 2005: Chodorkowski wird zu neun Jahren Haft verurteilt. Das Strafmaß wird später um ein Jahr reduziert.
20. Oktober 2005: Der ehemalige Yukos-Eigentümer wird in ein sibirisches Straflager verlegt.
28. März 2006: Das Moskauer Schiedsgericht erklärt Yukos für zahlungsunfähig. Das Unternehmen wird einem Konkursverwalter unterstellt.
1. August 2006: Das Gericht beschließt die Auflösung von Yukos. Sie soll binnen eines Jahres abgeschlossen sein.
> Vom Aufstieg und Fall der Oligarchen
> Chodorkowski sitzt bis 2011 in sibirischer Haft