Michael O’Leary, Chef des Billig-Fliegers Ryanair, im Interview mit der WirtschaftsWoche über Wettbewerber, seinen Aktienkurs, die Konkurrenz zur Bahn und neue Zusatzgeschäfte.
Herr O’Leary, der Wettbewerb zwischen den Billigfluglinien wird immer härter, die Preise geben weiter nach. Macht das dem Marktführer Ryanair Sorgen?
Unsinn. Ich freue mich über mehr Wettbewerb. Denn uns macht das nur noch stärker als wir ohnehin schon sind. Wir haben die niedrigsten Kosten, wir sind mit einer Umsatzrendite von mehr als 25 Prozent die profitabelste Fluglinie der Welt. Wir wachsen kräftig, zuletzt mit mehr als 40 Prozent pro Jahr. Das honoriert auch die Börse, denn mit einer Börsenkapitalisierung von fünf Milliarden Euro ist Ryanair mittlerweile mehr wert als Lufthansa und British Airways zusammen.
Aber im Moment sieht es so aus, als würden etwa die TUI-Tochter Hapag-Lloyd Express (HLX) und die Lufthansa-Beteiligung Germanwings mit Preisen von unter zehn Euro Ihre Airline unterbieten. Wie passt das zusammen?
Das sind doch nur Sonderaktionen, die zeigen, wie schwer es die Neulinge am Markt haben. Das bringt denen überhaupt nichts, es vergrößert nur die ohnehin schon riesigen Verluste. Und am Ende hilft es uns, denn wer einmal billig geflogen ist, hört nie wieder damit auf. Nur kommt er das nächste Mal zu Ryanair.
Was passiert Ihrer Meinung nach mit HLX und Germanwings?
Ich bin gespannt, wie lange sich die Mütter das anschauen werden. TUI hat kein schönes Jahr, und da freut sich kein Aktionär über ’zig Millionen Euro zusätzliche Verluste. Auch Lufthansa kann sich die roten Zahlen auf Dauer nicht leisten. Ich glaube, dass HLX und Germanwings irgendwann geschlossen oder übernommen werden.
Wenn die beiden Konzerne mit diesen Verlusten aber ihr Kerngeschäft sichern, weil sie die anderen Billigflieger in Deutschland klein halten, lohnt sich das doch.
Ach was. Die halten uns nicht auf. Wir haben die niedrigeren Kosten und lassen uns nicht verjagen. o.k., TUI und Lufthansa haben vielleicht Easyjet abgeschreckt, die Deutsche BA zu übernehmen. Aber die tauchen in ein paar Jahren wieder auf und kaufen dann halt Germanwings, HLX oder sonstwen. Alle diese Pseudobilligflieger kommen doch nie aus den roten Zahlen. Und wer in unserem Geschäft Verluste macht, wird übernommen. Nur die Kostenführer überleben.
Ihre Marktkapitalisierung entspricht etwa dem sechsfachen Jahresumsatz, ein Wert der eher an die New-Economy-Blase erinnert. Muss Ihr Aktienkurs nicht bald Luft ablassen?
Nein. Wir halten seit elf Jahren eine Umsatzrendite von gut 20 Prozent, besitzen ein Nettovermögen von einer Milliarde Euro und hatten im vorigen Jahr einen Gewinn nach Steuern von mehr als 230 Millionen Euro. Wir können es natürlich auch vermasseln, doch wir haben alle Voraussetzungen, es zu packen. Es gibt eine fast unerschöpfliche Nachfrage nach billigen Flügen, die keiner so gut befriedigt wie wir. Hält das Modell noch ein Jahr? Sicher. Noch fünf Jahre? Wahrscheinlich. Noch 50 Jahre? Keine Ahnung. Aber im Augenblick denkt ja auch fast kein Anleger weiter als drei Monate in die Zukunft.
Wegen des Irakkrieges und SARS hat die Börse Airlineaktien abgestraft. Auch Ihre durchschnittlichen Ticketpreise sinken. Fürchten Sie keinen Angriff von Hedge-Fonds, die versuchen, den Kurs der Ryanair-Aktie mit Leerverkäufen zu drücken, um sich später billig wieder einzudecken?
Den hatten wir bereits.
Und?
War kein Problem. Die Leerverkäufer haben Lehrgeld gezahlt. Als unser Kurs kurzfristig gesunken ist, haben das die Anleger zum Einstieg genutzt.
Aber sind Sie nicht zum Wachsen verdammt, wenn Sie Ihre Kostenführerschaft und Ihren Börsenkurs halten wollen?
Nicht verdammt. Wir müssen wachsen, um endlich all die vernachlässigten Märkte zu bedienen. Wir werden im Mai gegenüber dem Vorjahr mehr als 50 Prozent zulegen.
Müssen Sie dabei nicht statt Masse endlich mehr Klasse, also mehr Geschäftsreisende bekommen, die deutlich teurere Tickets kaufen als Touristen? In Deutschland machen die im Moment noch einen Bogen um Ryanair.
Im Rest von Europa nicht. Bei uns sind längst 46 Prozent aller Kunden Geschäftsreisende. Egal, was Lufthansa sagt: Wir bieten Managern mehr als sie. Wir schenken morgens um sieben zwar keinen schlechten Champagner aus. Doch dafür sparen unsere Kunden viel Geld, haben mehr Verbindungen zur Auswahl und verlieren am Flughafen weniger Zeit. Deshalb gibt es in fünf Jahren in Europa auch keine Businessclass mehr, sondern nur noch Economy. In England ist es bereits schick, hinten zu sitzen.
In Deutschland nicht.
Aber nicht mehr lange. Ich verstehe euch Deutsche einfach nicht. Eure Wirtschaft schmiert ab und die Manager der Verlustmacher achten nicht auf ihre Bilanz, sondern verpulvern das Geld ihrer Aktionäre, weil sie für 500 Euro Businessclass fliegen statt für 80 Economy. Ihr müsstet mal recherchieren, für welche Unternehmen diese Leute da vorn arbeiten und dann für deren Aktien Verkaufsempfehlungen schreiben.
In Deutschland gibt es eine politische Strömung gegen die Billigflieger, weil sie keine Steuern zahlen und der umweltfreundlichen Bahn die Kunden stehlen.
Was für ein unglaublicher Blödsinn. Keiner zahlt doch heute höhere Abgaben als ein Flugpassagier. Ob Sicherheitskontrollen, Abfertigung, Start, Überflug, Landung: An jedem verdammten Punkt der Reise kassiert irgendwer Steuern in empörender Höhe. Und dass wir der Bahn die Kunden klauen ist der gleiche Unfug. Wenn die weniger Kunden haben, liegt das nicht an uns, sondern an ihren überhöhten Preisen. Die Bahnen brauchen jetzt endlich mal Konkurrenz, damit sie billiger werden.
Die Pläne gehen aber eher in Richtung höherer Steuern auf Flüge.
Das ist doch unglaublich. Glauben eure Politiker wirklich, sie können euch das Reisen verleiden, jetzt wo sich auch die Deutschen ans billige Fliegen gewöhnt haben? Die Bahn kann doch nicht allen Ernstes fordern, Fliegen künstlich zu verteuern. Deren Manager müssen endlich einsehen, ihre Feinde sind nicht die bösen Fluglinien, sondern das Sofa daheim. Wir wissen: Die Hälfte unserer Kunden wäre ohne billige Tickets gar nicht gereist. Die Entscheidung ist also nicht „Zug oder Flug?“, sondern „Sehe ich mir das Fußballspiel zu Hause im Fernsehen oder in einer anderen Stadt im Stadion an“? Die Bahnen in ganz Europa müssen endlich das Reisen billiger machen und ihre gewaltigen Kosten senken. Das machen wir ja auch.
Sie senken nicht nur Kosten. Sie verdienen auch immer mehr mit Nebengeschäften. Auf Ihrer Internetseite verkauft Rynair Übernachtungen, Telefonkarten und CDs. Wie wichtig ist das für Sie?
Es wird immer wichtiger. Inzwischen machen wir so 16 Prozent unserer Umsätze und einen noch größeren Teil der Gewinne. Drei Viertel unserer Kunden nutzen das Angebot schon. Und wir sind erst am Anfang.
Schädigt ein solcher Gemischtwarenladen nicht die Marke Ryanair?
Nein, denn wir sind ja reine Vermittler. Und wenn wir es nicht machen, kassiert jemand anders das Geld unserer Passagiere. Da machen wir das Geschäft doch lieber selbst. Inzwischen tun sich da Felder auf, an die wir nie gedacht hätten, wie Hypotheken. Als wir das Angebot bekamen, dachte ich zuerst, „Verzieht euch“. Heute verkaufen wir zwei Immobilienfinanzierungen im Monat und kassieren eine ordentliche Provision. Außerdem werden wir unsere Kooperation mit Vodafone weiter ausbauen: Wir verkaufen an Bord deren Telefonkarten, mit denen die Passagiere im Zielland billiger telefonieren.
Wird bei den vielen Angeboten auf Ihrer Web-Site der Flug nicht bald zur Nebensache?
Das Fliegen nicht, aber vielleicht die Einnahmen daraus. Zu unserem Geschäftsplan gehört es, dass die durchschnittlichen Ticketpreise jährlich um fünf Prozent oder mehr sinken. Und je mehr wir woanders verdienen, umso billiger wird das Fliegen.
Hat das nicht eine natürliche Grenze?
Nein. Ich sehe keinen Grund, warum nicht bald alle unsere Passagiere gratis fliegen und jemand anders zahlt. Ein Telefonunternehmen sponsort die Ansagen an Bord, eine Autovermietung das Kerosin. Jeder, der im Flugzeug einen Kaffee oder eine Zeitung kauft, leistet einen Betrag. Die Flughäfen werden ohnehin immer mehr zu Einkaufspassagen. Warum sollen die nicht dafür zahlen, dass wir ihnen Kunden bringen. In Irland gibt es ja auch kostenlose Rundfahrten für Touristen. Da halten die Busfahrer an bestimmten Läden und kassieren eine Provision für den Umsatz, den ihre Fahrgäste da machen. Ich glaube, wir brauchen einfach ein völlig neues Denken.
Portrait:
Michael O’Leary ist seit 1994 Chef von Europas größter Billigfluglinie Ryanair. Als Steuerberater bei KPMG betreute er Ryanair-Gründer Tony Ryan. Der holte ihn 1988 in seine defizitäre Vollserviceairline, die O’Leary zur Billiglinie umwandelte. Auf seiner Farm bei Dublin züchtet der 42-Jährige Rinder und Pferde. Dank seines Ryanair-Anteils von zuletzt acht Prozent zählt er zu den reichsten Iren.
RÜDIGER KIANI-KRESS
22.4.2003
Viele Grüße
aus dem Ruhrpott
Herr O’Leary, der Wettbewerb zwischen den Billigfluglinien wird immer härter, die Preise geben weiter nach. Macht das dem Marktführer Ryanair Sorgen?
Unsinn. Ich freue mich über mehr Wettbewerb. Denn uns macht das nur noch stärker als wir ohnehin schon sind. Wir haben die niedrigsten Kosten, wir sind mit einer Umsatzrendite von mehr als 25 Prozent die profitabelste Fluglinie der Welt. Wir wachsen kräftig, zuletzt mit mehr als 40 Prozent pro Jahr. Das honoriert auch die Börse, denn mit einer Börsenkapitalisierung von fünf Milliarden Euro ist Ryanair mittlerweile mehr wert als Lufthansa und British Airways zusammen.
Aber im Moment sieht es so aus, als würden etwa die TUI-Tochter Hapag-Lloyd Express (HLX) und die Lufthansa-Beteiligung Germanwings mit Preisen von unter zehn Euro Ihre Airline unterbieten. Wie passt das zusammen?
Das sind doch nur Sonderaktionen, die zeigen, wie schwer es die Neulinge am Markt haben. Das bringt denen überhaupt nichts, es vergrößert nur die ohnehin schon riesigen Verluste. Und am Ende hilft es uns, denn wer einmal billig geflogen ist, hört nie wieder damit auf. Nur kommt er das nächste Mal zu Ryanair.
Was passiert Ihrer Meinung nach mit HLX und Germanwings?
Ich bin gespannt, wie lange sich die Mütter das anschauen werden. TUI hat kein schönes Jahr, und da freut sich kein Aktionär über ’zig Millionen Euro zusätzliche Verluste. Auch Lufthansa kann sich die roten Zahlen auf Dauer nicht leisten. Ich glaube, dass HLX und Germanwings irgendwann geschlossen oder übernommen werden.
Wenn die beiden Konzerne mit diesen Verlusten aber ihr Kerngeschäft sichern, weil sie die anderen Billigflieger in Deutschland klein halten, lohnt sich das doch.
Ach was. Die halten uns nicht auf. Wir haben die niedrigeren Kosten und lassen uns nicht verjagen. o.k., TUI und Lufthansa haben vielleicht Easyjet abgeschreckt, die Deutsche BA zu übernehmen. Aber die tauchen in ein paar Jahren wieder auf und kaufen dann halt Germanwings, HLX oder sonstwen. Alle diese Pseudobilligflieger kommen doch nie aus den roten Zahlen. Und wer in unserem Geschäft Verluste macht, wird übernommen. Nur die Kostenführer überleben.
Ihre Marktkapitalisierung entspricht etwa dem sechsfachen Jahresumsatz, ein Wert der eher an die New-Economy-Blase erinnert. Muss Ihr Aktienkurs nicht bald Luft ablassen?
Nein. Wir halten seit elf Jahren eine Umsatzrendite von gut 20 Prozent, besitzen ein Nettovermögen von einer Milliarde Euro und hatten im vorigen Jahr einen Gewinn nach Steuern von mehr als 230 Millionen Euro. Wir können es natürlich auch vermasseln, doch wir haben alle Voraussetzungen, es zu packen. Es gibt eine fast unerschöpfliche Nachfrage nach billigen Flügen, die keiner so gut befriedigt wie wir. Hält das Modell noch ein Jahr? Sicher. Noch fünf Jahre? Wahrscheinlich. Noch 50 Jahre? Keine Ahnung. Aber im Augenblick denkt ja auch fast kein Anleger weiter als drei Monate in die Zukunft.
Wegen des Irakkrieges und SARS hat die Börse Airlineaktien abgestraft. Auch Ihre durchschnittlichen Ticketpreise sinken. Fürchten Sie keinen Angriff von Hedge-Fonds, die versuchen, den Kurs der Ryanair-Aktie mit Leerverkäufen zu drücken, um sich später billig wieder einzudecken?
Den hatten wir bereits.
Und?
War kein Problem. Die Leerverkäufer haben Lehrgeld gezahlt. Als unser Kurs kurzfristig gesunken ist, haben das die Anleger zum Einstieg genutzt.
Aber sind Sie nicht zum Wachsen verdammt, wenn Sie Ihre Kostenführerschaft und Ihren Börsenkurs halten wollen?
Nicht verdammt. Wir müssen wachsen, um endlich all die vernachlässigten Märkte zu bedienen. Wir werden im Mai gegenüber dem Vorjahr mehr als 50 Prozent zulegen.
Müssen Sie dabei nicht statt Masse endlich mehr Klasse, also mehr Geschäftsreisende bekommen, die deutlich teurere Tickets kaufen als Touristen? In Deutschland machen die im Moment noch einen Bogen um Ryanair.
Im Rest von Europa nicht. Bei uns sind längst 46 Prozent aller Kunden Geschäftsreisende. Egal, was Lufthansa sagt: Wir bieten Managern mehr als sie. Wir schenken morgens um sieben zwar keinen schlechten Champagner aus. Doch dafür sparen unsere Kunden viel Geld, haben mehr Verbindungen zur Auswahl und verlieren am Flughafen weniger Zeit. Deshalb gibt es in fünf Jahren in Europa auch keine Businessclass mehr, sondern nur noch Economy. In England ist es bereits schick, hinten zu sitzen.
In Deutschland nicht.
Aber nicht mehr lange. Ich verstehe euch Deutsche einfach nicht. Eure Wirtschaft schmiert ab und die Manager der Verlustmacher achten nicht auf ihre Bilanz, sondern verpulvern das Geld ihrer Aktionäre, weil sie für 500 Euro Businessclass fliegen statt für 80 Economy. Ihr müsstet mal recherchieren, für welche Unternehmen diese Leute da vorn arbeiten und dann für deren Aktien Verkaufsempfehlungen schreiben.
In Deutschland gibt es eine politische Strömung gegen die Billigflieger, weil sie keine Steuern zahlen und der umweltfreundlichen Bahn die Kunden stehlen.
Was für ein unglaublicher Blödsinn. Keiner zahlt doch heute höhere Abgaben als ein Flugpassagier. Ob Sicherheitskontrollen, Abfertigung, Start, Überflug, Landung: An jedem verdammten Punkt der Reise kassiert irgendwer Steuern in empörender Höhe. Und dass wir der Bahn die Kunden klauen ist der gleiche Unfug. Wenn die weniger Kunden haben, liegt das nicht an uns, sondern an ihren überhöhten Preisen. Die Bahnen brauchen jetzt endlich mal Konkurrenz, damit sie billiger werden.
Die Pläne gehen aber eher in Richtung höherer Steuern auf Flüge.
Das ist doch unglaublich. Glauben eure Politiker wirklich, sie können euch das Reisen verleiden, jetzt wo sich auch die Deutschen ans billige Fliegen gewöhnt haben? Die Bahn kann doch nicht allen Ernstes fordern, Fliegen künstlich zu verteuern. Deren Manager müssen endlich einsehen, ihre Feinde sind nicht die bösen Fluglinien, sondern das Sofa daheim. Wir wissen: Die Hälfte unserer Kunden wäre ohne billige Tickets gar nicht gereist. Die Entscheidung ist also nicht „Zug oder Flug?“, sondern „Sehe ich mir das Fußballspiel zu Hause im Fernsehen oder in einer anderen Stadt im Stadion an“? Die Bahnen in ganz Europa müssen endlich das Reisen billiger machen und ihre gewaltigen Kosten senken. Das machen wir ja auch.
Sie senken nicht nur Kosten. Sie verdienen auch immer mehr mit Nebengeschäften. Auf Ihrer Internetseite verkauft Rynair Übernachtungen, Telefonkarten und CDs. Wie wichtig ist das für Sie?
Es wird immer wichtiger. Inzwischen machen wir so 16 Prozent unserer Umsätze und einen noch größeren Teil der Gewinne. Drei Viertel unserer Kunden nutzen das Angebot schon. Und wir sind erst am Anfang.
Schädigt ein solcher Gemischtwarenladen nicht die Marke Ryanair?
Nein, denn wir sind ja reine Vermittler. Und wenn wir es nicht machen, kassiert jemand anders das Geld unserer Passagiere. Da machen wir das Geschäft doch lieber selbst. Inzwischen tun sich da Felder auf, an die wir nie gedacht hätten, wie Hypotheken. Als wir das Angebot bekamen, dachte ich zuerst, „Verzieht euch“. Heute verkaufen wir zwei Immobilienfinanzierungen im Monat und kassieren eine ordentliche Provision. Außerdem werden wir unsere Kooperation mit Vodafone weiter ausbauen: Wir verkaufen an Bord deren Telefonkarten, mit denen die Passagiere im Zielland billiger telefonieren.
Wird bei den vielen Angeboten auf Ihrer Web-Site der Flug nicht bald zur Nebensache?
Das Fliegen nicht, aber vielleicht die Einnahmen daraus. Zu unserem Geschäftsplan gehört es, dass die durchschnittlichen Ticketpreise jährlich um fünf Prozent oder mehr sinken. Und je mehr wir woanders verdienen, umso billiger wird das Fliegen.
Hat das nicht eine natürliche Grenze?
Nein. Ich sehe keinen Grund, warum nicht bald alle unsere Passagiere gratis fliegen und jemand anders zahlt. Ein Telefonunternehmen sponsort die Ansagen an Bord, eine Autovermietung das Kerosin. Jeder, der im Flugzeug einen Kaffee oder eine Zeitung kauft, leistet einen Betrag. Die Flughäfen werden ohnehin immer mehr zu Einkaufspassagen. Warum sollen die nicht dafür zahlen, dass wir ihnen Kunden bringen. In Irland gibt es ja auch kostenlose Rundfahrten für Touristen. Da halten die Busfahrer an bestimmten Läden und kassieren eine Provision für den Umsatz, den ihre Fahrgäste da machen. Ich glaube, wir brauchen einfach ein völlig neues Denken.
Portrait:
Michael O’Leary ist seit 1994 Chef von Europas größter Billigfluglinie Ryanair. Als Steuerberater bei KPMG betreute er Ryanair-Gründer Tony Ryan. Der holte ihn 1988 in seine defizitäre Vollserviceairline, die O’Leary zur Billiglinie umwandelte. Auf seiner Farm bei Dublin züchtet der 42-Jährige Rinder und Pferde. Dank seines Ryanair-Anteils von zuletzt acht Prozent zählt er zu den reichsten Iren.
RÜDIGER KIANI-KRESS
22.4.2003
Viele Grüße
aus dem Ruhrpott