Russland wird zahlen

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calexa:

Russland wird zahlen

 
29.01.03 18:25
Über 100 Milliarden Dollar schuldet Russland dem Ausland, davon ein Fünftel dem deutschen Fiskus. Die Vizechefin der russischen Zentralbank, Tatjana Paramonova, versichert nun, dass ihr Land pünktlich zahlen wird, allein in diesem Jahr 1,8 Milliarden Euro an die Bundeskasse. Zugleich prophezeit sie dem Euro Auftrieb: Die EU-Währung erobert Russlands Außenhandel.



SPIEGEL ONLINE: Frau Paramonova, wissen Sie, wie viel Geld der russische Staat deutschen Banken und dem deutschen Staat schuldet?
Tatjana Paramonova: Selbstverständlich, die Summe beträgt rund 26,5 Milliarden Dollar, etwa ein Viertel der gesamten russischen Auslandsschulden.

SPIEGEL ONLINE: Die Bücher der deutschen Regierung verzeichnen nur 21 Milliarden Euro Außenstände gegenüber Russland.

Paramonova: Das ist richtig, der übrige Betrag ergibt sich aus Russlands Schulden bei privaten Gläubigern und Banken.

SPIEGEL ONLINE: Deutschlands Finanzminister Hans Eichel hat in diesem Jahr Zins- und Tilgungszahlungen aus der russischen Staatskasse in Höhe von 1,8 Milliarden Euro fest für seinen Haushalt eingeplant. Kann er sich da wirklich so sicher sein?

Paramonova: Die Details unseres Staatshaushalts werden derzeit zwar noch verhandelt, aber im Grundsatz kann sich Herr Eichel sicher sein, der russische Staat wird seine Verpflichtungen einhalten. Wir verfügen über Devisen-Reserven in Höhe von 47 Milliarden Dollar, insofern sollte es da keine Probleme geben.

SPIEGEL ONLINE: Aber in diesem Jahr stehen Rückzahlungen in Höhe von 17 Milliarden Dollar an, das sind über 20 Prozent des gesamten Staatshaushalts, wie soll das gehen?

Paramonova: Nun, wir haben große Überschüsse im Staatshaushalt, wir konnten im vergangenen Jahr Reserven bilden und rechnen dieses Jahr wieder mit Überschüssen. Darum ist für uns diese Schuldenlast nicht so groß, wie Sie Ihnen erscheint.

SPIEGEL ONLINE: Läuft das darauf hinaus, dass Russland zwar seine ausländischen Gläubiger bedient, dafür aber seine Angestellten nicht bezahlt? Immerhin schuldet der Staat seinen Bediensteten über drei Milliarden Rubel, entsprechend etwa 100 Millionen Euro, an ausstehenden Gehältern.

Paramonova: Nein, das hat nichts miteinander zu tun. Dass Löhne und Gehälter nicht bezahlt werden, liegt jeweils an Fehlern der Behörden, nicht am allgemeinen Geldmangel. Was sind die 100 Millionen im Verhältnis zu den fast sieben Milliarden Euro, also 200 Milliarden Rubel Überschuss, die das Finanzministerium erzielt hat? Diese Schulden werden gewiss bald bezahlt.

SPIEGEL ONLINE: Dass der russische Steuerzahler so viel für die Auslandsschulden aufbringen muss, ist vor allem die Folge der katastrophalen Finanzpolitik während der Regierungszeit von Boris Jelzin. Kritiker wie der frühere Weltbank-Ökonom Joseph Stiglitz machen für den Staatsbankrott von 1998 auch die US-Regierung und den von ihr dirigierten Internationalen Währungsfonds verantwortlich. Hat sich Russlands Regierung vom IWF und Amerikas Investmentbankern ausnehmen lassen?

Paramonova: Es gibt sehr qualifizierte Leute beim IWF, aber die besonderen Probleme Russlands haben sie zeitweise nicht verstanden. Darum war so mancher Ratschlag falsch. Aber grundsätzlich gilt: Die Verantwortung lag bei der russischen Regierung, nicht beim IWF.

SPIEGEL ONLINE: Das ist sehr diplomatisch ausgedrückt. Im Jahr vor der Krise hatte die Jelzin-Regierung doch gar keine Wahl mehr. Wäre sie den Vorschlägen des IWF nicht gefolgt, den Rubelkurs mit Dollars aus neuen Krediten zu stützen, hätte sie jede Unterstützung aus Europa und den USA verloren.

Paramonova: Das ändert nichts an den Verantwortlichkeiten.

SPIEGEL ONLINE: War aber nicht schon die Liberalisierung des Kapitalmarktes ein Fehler? Sie war eine der zentralen Konditionen des IWF für die Kreditvergabe, hat aber doch nur die Plünderung der Staatsbetriebe und die Kapitalflucht erleichtert.

Paramonova: Ja, die radikale Öffnung des Kapitalmarktes im Jahr 1996 war falsch. Natürlich mussten wir liberalisieren, aber wir hätten für den Notfall Kontrollmechanismen gebraucht, um die Kapitalflucht einzudämmen.

SPIEGEL ONLINE: Wie Malaysia zum Beispiel?

Paramonova: Ja, wir kannten das Phänomen ja schon von der Mexiko-Krise. Hätten wir das so gemacht, hätte die Krise gar nicht stattgefunden und wir hätten heute weniger Schulden. Leider war ich damals eine der wenigen, die warnten....

SPIEGEL ONLINE: ...und mussten deshalb Ihren Posten räumen?

Paramonova: Nicht nur, aber auch deshalb, ja.

SPIEGEL ONLINE: Die Kapitalflucht von über 20 Milliarden Dollar im Jahr ist noch immer ein gravierendes Problem. Warum richten Sie diese Kontrollen nicht wenigstens jetzt ein?

Paramonova: Weil wir jetzt erst mal Vertrauen schaffen wollen. Immerhin hat sich der Kapitalabfluss vergangenes Jahr gegenüber 1998 auf 11,6 Milliarden Dollar fast halbiert und darin sind die legitimen Auslands-Investitionen russischer Unternehmen enthalten. Darum sind wir auf dem richtigen Weg.

SPIEGEL ONLINE: Kritiker monieren, dass die russische Zentralbank derzeit schon wieder eine reale Aufwertung des Rubel gegenüber dem Dollar und dem Euro betreibt, so die Importe verbilligt, die Wettbewerbsposition der russischen Unternehmen verschlechtert und die nächste Krise programmiert. Welches Ziel verfolgen Sie mit dieser schleichenden Aufwertung?

Paramonova: Gar keins, weil es nur ein vorübergehendes Phänomen war. Wir hatten in 2001 einen hohen Leistungsbilanzüberschuss und haben tatsächlich eine reale Aufwertung des Rubel um 16 Prozent erlebt. Im vergangenen Jahr waren es aber nur noch 1,6 Prozent und viel mehr soll es auch nicht werden. Ob das stabil bleibt, hängt vor allem vom Ölpreis ab.

SPIEGEL ONLINE: Wäre es für Russland nicht besser, wenn es seine Rohöl- und Erdgasexporte nach Europa in Euro abrechnen würde anstatt in Dollar? Mit dem derzeitigen Abstieg des Dollar-Werts verliert Ihr Land doch jeden Tag Geld, weil es seine Importe zum größeren Teil aus dem Euro-Raum bezieht.

Paramonova: Selbstverständlich wäre das im Prinzip von Vorteil. Nur können wir den privatisierten Öl- und Gasunternehmen das nicht vorschreiben. Aber viele Geschäftsleute denken darüber nach und die Tendenz ist klar: Wir sehen es ja, die Nutzung des Euro im russischen Außenhandel nimmt stark zu.

So long,
Calexa
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