Wird ein Firma von PE-Heuschrecken übernommen, ist das für
Aktionäre meist eine gute Nachricht: Sie können ihre Anteilsscheine mit einem Aufpreis (dem Übernahmeangebot) weiterverkaufen.
Bondhalter hingegen sind meist die Dummen: Anleihen erleiden bei Übernahmen oft Kursverluste, weil das Kreditrating der Firmen durch die überteuerten Übernahmen (die den Firmen finanziell aufgebürdet werden) in der Regel deutlich sinkt.
Bei neueren Anleihen geben
Schutzklauseln den Anleihehaltern das Recht, innerhalb einer Frist (90 Tage) den
Rückkauf der Anleihen zum Nominalwert von der PE-Heuschrecke zu verlangen. Die Ratingagentur Moody's führt dafür jetzt eigens drei neue Bewertungsstufen ein: CQ-1 für sehr hohen Schutz der Investoren, CQ-2 für relativ gute Absicherung der Anleger und CQ-3 für schwache Absicherung.
Wenn ältere Bonds auf z. B. 103 % stehen, ist der Verkauf zur Nominale (100 %) aber auch ärgerlich.
Großes Interesse am Schutz der Bondhalter haben die PE-Heuschrecken ohnehin nicht, da etwaige Rückkäufe zum Nominalwert die Übernahmen teurer machen. Weit lukrativer ist es für sie, Anleihehalter auf Kursverlusten aus der Übernahme einfach sitzen zu lassen. Dann profitieren sie letztlich auch davon, dass ihnen Bondhalter, die sich gar nicht wehren können, einen Teil der Zeche zahlen.
Corporate Bonds
Investoren dringen auf mehr Absicherung bei UnternehmensanleihenVon Bettina Schulz
FAZ, 12. Oktober 2006
Anleger, die die neuen Anleihen der britischen Fernsehgesellschaft ITV gekauft haben, können ruhig schlafen. Auch wenn Goldman Sachs und Blackstone im März planten, die Fernsehgesellschaft ITV zu übernehmen, und jetzt schon wieder neue Übernahmegerüchte kursieren, müssen sich die Investoren keine grauen Haare wachsen lassen: Die jüngst begebene neue Pfund-Anleihe und Euro-Anleihe von ITV wurde mit einem Step-up ausgestattet. Sollte ITV nun Opfer eines Übernahmeangebotes werden und deshalb die Bonitätsbewertung der Anleihen plötzlich sinken, werden die Inhaber der Anleihen mit einem um 125 Basispunkte höheren Zinskupon entschädigt.
Die Bonitätsabstufung von Unternehmensanleihen droht oft genug, wenn Private-Equity-Gesellschaften Unternehmen aufkaufen, die Übernahme jedoch mit einem hohen Fremdkapitalanteil finanzieren und die Last der Zins- und Tilgungszahlungen dem Unternehmen aufbürden. Je mehr Kreditverpflichtungen einem Unternehmen aufgehalst werden, desto schneller stufen Ratingagenturen wie Standard & Poor's und Moody's die Unternehmensanleihen in ihrer Bonitätsbewertung herab. Dies geht zu Lasten der Anleger. Während die Aktionäre mit Prämien auf den Aktienkurs belohnt werden, stehen die Käufer der Anleihen plötzlich mit Junk-Bonds, also besonders risikobehafteten Papieren, im Portfolio da.
Investoren reagieren unruhig auf das Übernahmerisiko
„Das ist für uns Investoren fatal“, warnt Frances Hutchinson, Senior Investment Analystin bei European Credit Management Ltd, einem der führenden Fondsverwalter in Europa. „Investoren können die Risiken von Unternehmensanleihen gut einschätzen. Aber sie rechneten nicht damit, daß die Bonität einer Anleihe über Nacht in Frage gestellt wird, nur weil das Unternehmen aufgekauft wird“, meint Hutchinson.
Wer früher Unternehmensanleihen von großen, börsennotierten Konzernen kaufte, konnte fast sicher sein, daß diese Unternehmen nicht über Nacht aufgekauft wurden. „Angesichts des umfangreichen Kapitalvolumens von Private-Equity-Gesellschaften sind in jüngster Zeit immer mehr Unternehmen Ziel von Übernahmen geworden. Es gibt keine Größenordung von Unternehmen mehr, die eine Übernahme ausschließen würde“, sagt Hugh Carter, der im Emissionsgeschäft für Unternehmensanleihen bei Dresdner Kleinwort beobachtet, wie unruhig die Investoren auf dieses Übernahmerisiko reagieren.
ISS-Anleihe wurde über Nacht zum Junk-Bond
„Der steigende Einfluß von aktiven Aktionären und Private-Equity-Gesellschaften beeinträchtigt die Stabilität von Anleihen mit guter Bonität“, warnt die Ratingagentur Moody's. Nach ihren Berechnungen gingen im vergangenen Jahr 46 Prozent der Bonitäts-Abwertungen von Unternehmensanleihen auf das Konto von Akquisitionsfinanzierungen, Fusionen und Aktienrückkäufen.
Welch derbe Verluste Anleiheinhabern gegenüber Aktionären drohen, wurde den Marktteilnehmern in Europa nach der Übernahme der dänischen Gesellschaft ISS im Frühjahr 2005 von Goldman Sachs und EQT bewußt. Sofort schnellte der Aktienkurs von ISS von zuvor unter 360 Dänischen Kronen um 27 Prozent auf mehr als 460 Kronen empor; der Preis der Unternehmensanleihe mit Laufzeit bis 2014 brach indessen um mehr als 20 Prozent auf etwa 80 Prozent des Nominalbetrages ein. Die Anleihe wurde von Standard & Poor's auf „B plus-negativ“ abgewertet. Damit war die Anleihe ein Junk-Bond, den die meisten institutionellen Investoren nicht einmal im Portfolio haben dürfen.
Sicherheitsklausel bei Eigentümerwechsel
Seit der Übernahme von ISS und der dänischen Telekom-Gesellschaften TDC im Dezember 2005 werden zunehmend auch in Europa Sicherheitsklauseln (Covenants) in die Emissionsverträge der Anleihen aufgenommen, um die Anleger zu schützen. Dies war in jüngster Zeit bei den Emissionen von Adecco, Saint-Gobain, Telenor, Bouygues und in Deutschland von Bertelsmann der Fall.
Die wichtigste Schutzklausel greift bei Eigentümerwechsel (change of control): „Sollte zu irgendeiner Zeit das Eigentum an dem Unternehmen wechseln und deswegen während des Eigentümerwechsels die Bonität einer Anleihe herabgestuft werden, kann der Anleger innerhalb von 45 Tagen die Tilgung oder den Rückkauf der Anleihe zum Nominalbetrag zuzüglich aufgelaufener Zinsen verlangen“, lautet die Sicherheitsklausel.
„Emittenten sehen sich einem veränderten Markt gegenüber“
„Diese Klausel eröffnet uns Anlegern von Unternehmensanleihen die Möglichkeit, bei einer Unternehmensübernahme mit am Tisch zu sitzen“, sagt Hutchinson. Forciert wurde ihre Einführung vor allem vom Verband der institutionellen Investoren ABI in London. „Die Emittenten haben angesichts der massiven Liquidität am Markt viele Jahre den Luxus genossen, Anleihen ohne diese Sicherheitsklauseln an den Markt bringen zu können. Aber das ändert sich jetzt. Die Sicherheitsklauseln, die jetzt in die Verträge von Anleihen mit guter Bonität aufgenommen werden, geben Investoren eine größere Absicherung“, sagt Carter von Dresdner Kleinwort. „Die Emittenten sehen sich jetzt einem veränderten Markt gegenüber, wo Investoren stärker auf Absicherungsklauseln in ihren Anleihen pochen“, erklärt Carter. Aber die Entwicklung ist neu. „Die meisten ehemals emittierten hochkarätigen Anleihen sind noch mit sehr schwachen Sicherheitsklauseln ausgestattet“, sagt Michael West von Moody's.
„Die Klauseln sind wichtig für Anleger, zumal oft schon das Gerücht einer Übernahme zu Preiseinbußen bei Anleihen führen kann“, sagt Hutchinson, die beobachtet, daß sich Anleihen mit Sicherheitsklauseln in diesen Fällen besser am Markt halten als Anleihen ohne entsprechende Klauseln. „Es gibt ganze Branchen wie die Telekom-Industrie, die sehr anfällig sind für Übernahmespekulationen, wo Unternehmensanleihen besonders unter den Gerüchten leiden“, sagt Carter. Besonders zu beobachten war der Effekt von Übernahmegerüchten auf Unternehmensanleihen in diesem Jahr bei Anleihen von Degussa, Thomson, Ciba, Cable & Wireless, KPN, BT, Kingfisher, GUS, Continental, Electrolux, Valeo, Hanson und eben ITV.
Die Klauseln machen Übernahmen teurer
Immer öfter setzen sich Investoren daher zusammen und fordern gemeinsam, daß Schutzklauseln in Neuemissionen aufgenommen werden. Dies ist nicht immer leicht. Die Klauseln bedeuten, daß eine Übernahme des Unternehmens im Zweifelsfalle schwieriger wird, weil eine Private-Equity-Gesellschaft nicht nur die Übernahme, sondern auch die Refinanzierung der ausstehenden Anleihen mit Kapitalgebern aushandeln muß. Die Klauseln machen Übernahmen teurer. Sie mögen im Interesse von Unternehmen sein, die sich gegen Übernahmen wehren wollen. Sie können aber auch den Interessen der Aktionäre zuwiderlaufen, die gerne von Übernahmeprämien auf den Aktienkurs profitieren wollen.
Geradezu spektakulär war der Verhandlungserfolg der Anleihe-Investoren daher im Fall BAA. Im Februar dieses Jahres hatte BAA drei Anleihen im Rahmen seines Euro-Medium-Term-Note-Programms von zwei Milliarden Pfund emittiert. Zu Beginn der Emissionsverhandlungen waren keine Sicherheitsklauseln in den Verträgen vorgesehen. Dann aber folgte eine Übernahmeankündigung der spanischen Ferrovial. Auf massiven Druck des institutionellen Investorenverbandes und zahlreicher Investoren in London wurden in letzter Minute doch noch Sicherheitsklauseln des „change of control“ in die Anleiheverträge aufgenommen. Dies wurde von der britischen Übernahmekommission offiziell abgesegnet. „Das war für uns der Durchbruch“, sagt Hutchinson, die nun darauf drängt, daß die Klauseln juristisch verfeinert werden.
Klauseln nicht immer wasserdicht
Selbst die neuen Klauseln, die Schutz bieten sollen, wenn der Eigentümer des Unternehmens wechselt, sind nämlich nicht wasserdicht. „Eigentümerwechsel heißt in der Regel, daß 51 Prozent des Eigentums auf den neuen Inhaber übergehen. Dies wäre im Falle der damals geplanten Übernahme von ITV durch Goldman Sachs nicht einmal der Fall gewesen“, warnt Hutchinson.
Auch sind die Klauseln des „change of control“ in der Regel auf ein Zeitfenster von 90 Tagen nach Eigentümerwechsel begrenzt. Die Übernahme kann sich jedoch länger hinziehen und damit die Abwertung durch die Ratingagentur später erfolgen - die Anleger stehen dann ohne Schutzanspruch da. Auch besteht die Gefahr, daß die Bonitätsabwertung schon vor dem rechtlichen Eigentümerwechsel verkündet wird.
Moody's führt drei Bewertungsstufen ein
„Nach unserer Meinung wäre daher eine Frist von 90 Tagen vor und 90 Tagen nach Eigentümerwechsel der beste Schutz für Anleger“, heißt es bei Moody's. Die Ratingagentur will künftig die Qualität der Sicherheitsklauseln von künftigen Anleiheemissionen beurteilen. Dabei prüft Moody's zunächst jedoch nur die Klauseln von Emissionen, die an der Schwelle der Bonitätsbewertung von Baa zu Ba liegen.
Moody's führt drei Bewertungsstufen ein: CQ-1 für sehr hohen Schutz der Investoren, CQ-2 für relativ gute Absicherung der Anleger und CQ-3 für schwache Absicherung. West betont: „Wir wollen Anlegern aufzeigen, welcher Schutz ihnen durch die Sicherheitsklauseln wirklich geboten wird.“
Text: F.A.Z., 12.10.2006, Nr. 237 / Seite 25
Bildmaterial: F.A.Z.