Nokia galt lange als unverwundbar. Aber die Cebit hat die Achillesferse der Finnen aufgedeckt. Eine Analyse von Klaus Lüpertz, Börsen-Experte bei HSBC Trinkaus & Burkhardt.
Wie viel hatten sich die Investoren von der Cebit versprochen – und wie wenig wurde gehalten. In der Rückbetrachtung muss die Veranstaltung in Hannover als eine einzige Enttäuschung gewertet werden. Das gilt speziell für den Bereich der Mobilfunkausrüster; diesem Segment wurde im Vorfeld zumindest noch gutes Überraschungspotenzial eingeräumt.
Die gute News vorab: Viele Produkte, die noch vor zwölf Monaten nur als Prototypen zu besichtigen waren (Bluetooth-Anwendungen usw.), sind jetzt massenmarktfähig. Wie das Beispiel IMode zeigt - von E-Plus vorgestellt - geht es sogar bei den ehemaligen "Lieblingskindern" Datenservices voran.
An neuen Technologien mangelt es nicht, nur auf Käufer warten die Unternehmen bislang vergeblich. Per Saldo gab es aber kaum zuversichtliche Meldungen bezüglich der weiteren Geschäftsentwicklung. Was ebenfalls verwundert: Nokia , lange Zeit die Company ohne kritische Achillesferse, hat den Status der Unverwundbarkeit verloren. Im Mid-Quarter-Update berichtete das finnische Unternehmen von der anhaltend schlechten Verfassung des Infrastrukturbereichs mit Umsatzrückgängen im ersten Quartal um 25 Prozent! Der Grund: die Kaufzurückhaltung der Netzbetreiber.
Exemplarisch dafür sind die jüngsten Aussagen der Deutschen Telekom . Das Bonner Unternehmen kann die Verschuldung nicht so schnell wie geplant zurückführen, senkt deshalb die Dividende und streicht die Investitionsvorhaben zusammen - von geplanten 9,9 Milliarden Euro in 2002 auf 8,9 Milliarden Euro.
Ein Hauptthema der Messe war das Multimedia-Messaging (MMS). Die meisten Telecom-Equipment-Unternehmen setzen große Hoffnungen in diese Technologie und versuchen, eine baldige Markteinführung zu forcieren. Nokia beispielsweise erwartet, dass sich die Art der Kommunikation durch MMS erheblich verändern wird.
Multimedia-Messaging: Licht am Ende des Tunnels?
Ein angenehmer "Nebeneffekt" wäre nach Aussagen von Anssi Vanioki, Vice President Nokia Mobile Phones, ein neuer Wachstumsschub für die im vergangenen Jahr arg gebeutelte Mobilfunkbranche. Ich glaube, dass sich zumindest kurzfristig diese Hoffnungen kaum erfüllen werden.
Der Massenmarkt kommt frühestens 2003. Und es gibt zwei weitere Gründe für meine Annahme: Zum einen ist MMS ein globaler Standard, an dem sich alle Ausrüster orientieren. Die Interpretation des Standards variiert aktuell aber noch von Anbieter zu Anbieter. Damit sind Probleme bei der Datenübermittlung vorprogrammiert. Bis zur vollständigen Kompatibilität der Netze dauert es noch etwas. Derzeit bemühen sich besonders Ericsson und Nokia um einen Abgleich der (Software-)Systeme, was aber noch bis Mitte des Jahres dauern wird. Mit anderen Anbietern muss der Abgleich erst noch vorgenommen werden.
Zum anderen kann eine MMS nur dann den gewünschten Effekt erzielen, wenn sowohl Sender als auch Empfänger der Nachricht über ein Farbdisplay verfügen – und genau die sind derzeit noch relativ teuer. Das sehr erfolgreiche T68 von Ericsson ist noch immer defizitär und wird daher nur nach und nach in den Markt eingeführt. In größeren Stückzahlen dürften MMS-fähige Endgeräte frühestens am Ende des 3. Quartals verbreitet sein.
MMS-Handys sind zumeist im High-End-Bereich angesiedelt und deshalb für preissensible Nutzer (noch) nicht erschwinglich. Preisgünstige Modelle erwarte ich frühestens zum Jahreswechsel 2002/2003. Nokia plant immerhin, dass bis Ende 2002 etwa die Hälfte aller angebotenen Nokia-Modelle MMS unterstützen.
Fazit: MMS hat das Potenzial zum Umsatztreiber - unter anderem über die Wiederbeschaffung. Aber: Der Massenmarkt ist ein Thema für das Jahr 2003. In 2002 bleibt das Absatzvolumen recht gering und das dürfte auch noch zu Enttäuschungen bei den Aktien führen.
Hält Nokia noch die Spitzenposition?
Eine Frage, die recht heftig diskutiert worden ist, lautet: Hat Nokia noch eine überlegene Produktpalette im Endgerätebereich?
Nokia war der mit Abstand der führende Hersteller von Mobiltelefonen in den vergangenen Jahren, sowohl in Bezug auf das Design als auch auf die Technologie. Hier haben die letzten Monate eine Änderung herbeigeführt: Motorola hat als erstes Unternehmen GPRS-Handys in größeren Stückzahlen an den Markt gebracht und Ericsson war mit dem T68 Vorreiter bei den Farbbildschirmen. Darüber hinaus versuchen die kleineren Hersteller das Nokia-Design zu kopieren. Sehr deutlich wurde das bei Sagem.
Nokia hält dieser Entwicklung eine radikale Erneuerung der Produktpalette entgegen. Im Jahr 2002 sollen weltweit 40 neue Modelle an den Markt kommen. Überzeugend ist aus meiner Sicht das obere Marktsegment mit dem 7210 (mit Farbbildschirm), dem 8910 (Titan-Oberschale) und dem 7650 (Farbbildschirm und eingebaute Kamera). Dagegen hat sich bei den preisgünstigeren Modellen der Abstand zu den Wettbewerbern nach meiner Einschätzung eher verringert.
Besondere "Features", über die sonst kein Wettbewerber verfügt, werden derzeit nicht angeboten. Die Firma lebt noch immer vom sorgsam gepflegten Markenimage, das es ihr erlaubt, höhere Preise zu verlangen als die Konkurrenten. Darüber hinaus sollen auch nur profitable Handy-Modelle verkauft werden.
Die im Vergleich leicht gesunkene Attraktivität des Nokia-Produktportfolios im Handset-Bereich sehe ich deshalb mit der gebotenen Vorsicht, werte sie momentan aber nicht als ernsthafte Bedrohung für die Marktposition des Unternehmens.
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Wie viel hatten sich die Investoren von der Cebit versprochen – und wie wenig wurde gehalten. In der Rückbetrachtung muss die Veranstaltung in Hannover als eine einzige Enttäuschung gewertet werden. Das gilt speziell für den Bereich der Mobilfunkausrüster; diesem Segment wurde im Vorfeld zumindest noch gutes Überraschungspotenzial eingeräumt.
Die gute News vorab: Viele Produkte, die noch vor zwölf Monaten nur als Prototypen zu besichtigen waren (Bluetooth-Anwendungen usw.), sind jetzt massenmarktfähig. Wie das Beispiel IMode zeigt - von E-Plus vorgestellt - geht es sogar bei den ehemaligen "Lieblingskindern" Datenservices voran.
An neuen Technologien mangelt es nicht, nur auf Käufer warten die Unternehmen bislang vergeblich. Per Saldo gab es aber kaum zuversichtliche Meldungen bezüglich der weiteren Geschäftsentwicklung. Was ebenfalls verwundert: Nokia , lange Zeit die Company ohne kritische Achillesferse, hat den Status der Unverwundbarkeit verloren. Im Mid-Quarter-Update berichtete das finnische Unternehmen von der anhaltend schlechten Verfassung des Infrastrukturbereichs mit Umsatzrückgängen im ersten Quartal um 25 Prozent! Der Grund: die Kaufzurückhaltung der Netzbetreiber.
Exemplarisch dafür sind die jüngsten Aussagen der Deutschen Telekom . Das Bonner Unternehmen kann die Verschuldung nicht so schnell wie geplant zurückführen, senkt deshalb die Dividende und streicht die Investitionsvorhaben zusammen - von geplanten 9,9 Milliarden Euro in 2002 auf 8,9 Milliarden Euro.
Ein Hauptthema der Messe war das Multimedia-Messaging (MMS). Die meisten Telecom-Equipment-Unternehmen setzen große Hoffnungen in diese Technologie und versuchen, eine baldige Markteinführung zu forcieren. Nokia beispielsweise erwartet, dass sich die Art der Kommunikation durch MMS erheblich verändern wird.
Multimedia-Messaging: Licht am Ende des Tunnels?
Ein angenehmer "Nebeneffekt" wäre nach Aussagen von Anssi Vanioki, Vice President Nokia Mobile Phones, ein neuer Wachstumsschub für die im vergangenen Jahr arg gebeutelte Mobilfunkbranche. Ich glaube, dass sich zumindest kurzfristig diese Hoffnungen kaum erfüllen werden.
Der Massenmarkt kommt frühestens 2003. Und es gibt zwei weitere Gründe für meine Annahme: Zum einen ist MMS ein globaler Standard, an dem sich alle Ausrüster orientieren. Die Interpretation des Standards variiert aktuell aber noch von Anbieter zu Anbieter. Damit sind Probleme bei der Datenübermittlung vorprogrammiert. Bis zur vollständigen Kompatibilität der Netze dauert es noch etwas. Derzeit bemühen sich besonders Ericsson und Nokia um einen Abgleich der (Software-)Systeme, was aber noch bis Mitte des Jahres dauern wird. Mit anderen Anbietern muss der Abgleich erst noch vorgenommen werden.
Zum anderen kann eine MMS nur dann den gewünschten Effekt erzielen, wenn sowohl Sender als auch Empfänger der Nachricht über ein Farbdisplay verfügen – und genau die sind derzeit noch relativ teuer. Das sehr erfolgreiche T68 von Ericsson ist noch immer defizitär und wird daher nur nach und nach in den Markt eingeführt. In größeren Stückzahlen dürften MMS-fähige Endgeräte frühestens am Ende des 3. Quartals verbreitet sein.
MMS-Handys sind zumeist im High-End-Bereich angesiedelt und deshalb für preissensible Nutzer (noch) nicht erschwinglich. Preisgünstige Modelle erwarte ich frühestens zum Jahreswechsel 2002/2003. Nokia plant immerhin, dass bis Ende 2002 etwa die Hälfte aller angebotenen Nokia-Modelle MMS unterstützen.
Fazit: MMS hat das Potenzial zum Umsatztreiber - unter anderem über die Wiederbeschaffung. Aber: Der Massenmarkt ist ein Thema für das Jahr 2003. In 2002 bleibt das Absatzvolumen recht gering und das dürfte auch noch zu Enttäuschungen bei den Aktien führen.
Hält Nokia noch die Spitzenposition?
Eine Frage, die recht heftig diskutiert worden ist, lautet: Hat Nokia noch eine überlegene Produktpalette im Endgerätebereich?
Nokia war der mit Abstand der führende Hersteller von Mobiltelefonen in den vergangenen Jahren, sowohl in Bezug auf das Design als auch auf die Technologie. Hier haben die letzten Monate eine Änderung herbeigeführt: Motorola hat als erstes Unternehmen GPRS-Handys in größeren Stückzahlen an den Markt gebracht und Ericsson war mit dem T68 Vorreiter bei den Farbbildschirmen. Darüber hinaus versuchen die kleineren Hersteller das Nokia-Design zu kopieren. Sehr deutlich wurde das bei Sagem.
Nokia hält dieser Entwicklung eine radikale Erneuerung der Produktpalette entgegen. Im Jahr 2002 sollen weltweit 40 neue Modelle an den Markt kommen. Überzeugend ist aus meiner Sicht das obere Marktsegment mit dem 7210 (mit Farbbildschirm), dem 8910 (Titan-Oberschale) und dem 7650 (Farbbildschirm und eingebaute Kamera). Dagegen hat sich bei den preisgünstigeren Modellen der Abstand zu den Wettbewerbern nach meiner Einschätzung eher verringert.
Besondere "Features", über die sonst kein Wettbewerber verfügt, werden derzeit nicht angeboten. Die Firma lebt noch immer vom sorgsam gepflegten Markenimage, das es ihr erlaubt, höhere Preise zu verlangen als die Konkurrenten. Darüber hinaus sollen auch nur profitable Handy-Modelle verkauft werden.
Die im Vergleich leicht gesunkene Attraktivität des Nokia-Produktportfolios im Handset-Bereich sehe ich deshalb mit der gebotenen Vorsicht, werte sie momentan aber nicht als ernsthafte Bedrohung für die Marktposition des Unternehmens.
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