Pressemitteilung
Neschen AG
Bückeburg
30.12.2020
Das Amtsgericht Bückeburg hat Herrn Rechtsanwalt Dr. Rainer Eckhardt, Hannover, zum Gutachter
bestellt. Gegenstand der Begutachtung sind die Vorgänge um den Verkauf des operativen Geschäfts
der Neschen AG durch den Insolvenzverwalter Geiwitz. Damit sind die Aktionäre der Neschen AG
nach über drei Jahren mit ihrem Begehren erhört worden, dass sie als Eigentümer der Schuldnerin
auch während des laufenden Insolvenzverfahrens noch Informations- und Auskunftsrechte besitzen,
die möglichweise sogar Haftungsansprüche begründen können. Dabei könnte es um die Frage der
Wertevernichtung zu Lasten der Aktionäre im Zusammenhang mit dem Verkauf des wesentlichen
Geschäfts an eine Beteiligungsgesellschaft gehen. Solche Ansprüche könnten sich gegen den
Insolvenzverwalter, durchaus aber auch gegen den ehemaligen Vorstand und die ehemaligen
Aufsichtsräte richten. Immerhin ist die Neschen AG ein börsennotiertes Unternehmen, weshalb
Organhaftungsansprüche erst nach Ablauf von zehn Jahren verjähren. Inwiefern Gläubigerausschuss,
Aufsichtsrat und Gericht bei dieser Transaktion getäuscht wurden, bliebe zu überprüfen.
Die außerordentliche Hauptversammlung und die Berichterstattung in der Presse haben gezeigt, dass
der Vorgang außerordentlich komplex ist. Vorstand und Aufsichtsrat nutzen deshalb diese Pressemitteilung, um ihn nochmals komprimiert darzustellen:
01. Im Wesentlichen durch den Versuch einer kreditfinanzierten Internationalisierung in den USA
und in UK geriet die Neschen AG bereits in den frühen 2000ern in eine wirtschaftliche Schieflage. Ab 2011 wurde der Sanierungsexperte Hendrik Felbier zum Vorstand bestellt
02. 2014 überlässt der Hauptgläubiger, JP Morgan, die Kreditforderung nebst Sicherheiten als
Kompensationspaket an Manager, die nach der Übernahme einer anderen Bank ihre
Verträge verlieren. Diese gründen das Erwerbsvehikel Sandton Financing III (Luxembourg)
Sarl. und machen über dieses „ihre Forderung“ geltend.
03. Mit Zustimmung des Sach-bzw. Insolvenzverwalters Geiwitz vertritt die Kanzlei Flick, Gocke,
Schaumburg die Neschen AG vor Gericht. Neschen begehrt Feststellung, dass Sandton Kredit
und Sicherheiten nicht wirksam erworben hat. Neschen gewinnt den Prozess vor dem LG
Bückeburg (Az. 2 O 187/15). Nur eine andere Bank oder ein sonstiges Finanzinstitut mit
einem guten Ruf am Finanzmarkt hätte den Kredit wirksam erwerben können. Alle Versuche
seitens der Neschen AG die Sache direkt mit JP Morgan zu klären, scheitern am Verhalten der
Bank. Diese verbittet sich schließlich jeglichen weiteren Kontakt ausdrücklich und verweist
Neschen an den Nicht-Gläubiger Sandton.
04. Die tatsächlich bei JP Morgan verbliebenen Kreditansprüche sind zum 31.12.2017 verjährt.
Für die Neschen AG wäre durch diesen Glücksfall der Hauptgläubiger komplett eliminiert gewesen. Für den Fortbestand des Unternehmens ein außerordentlich günstiger Umstand.
Durchaus realistisch hätten Arbeitsplätze und die Interessen der Aktionäre (darunter sehr
viele Kleinaktionäre aus der Umgebung) gewahrt werden können.
05. Trotz der dargestellten Sachlage und der Gerichtsentscheidung, dass JP Morgen noch der
richtige Gläubiger sei, hat das Landgericht Bückeburg einen Mediationstermin mit dem NichtGläubiger Sandton Financing III angeregt. Das Ergebnis dieses Mediationstermins war - warum auch immer - die Zusammenarbeit mit den Prozessvertretern und den Insolvenzberatern
zu beenden und trotz des anders lautenden Urteils den Kaufpreis für die Veräußerung des
operativen Geschäftsbetriebs im Wesentlichen an die Beteiligungsgesellschaft Blue Cap AG
aus München an den Nicht-Gläubiger Sandton Financing III Sarl. auszuzahlen.
06. Gemäß diesem Ergebnis beantragte der Alleinvorstand Felbier im Juli 2015 die Aufhebung
der Eigenverwaltung und die Überführung der Gesellschaft in ein Regelinsolvenzverfahren.
Der bis zu diesem Zeitpunkt wegen der fortbestehenden Eigenverwaltung mitverantwortliche
Aufsichtsrat tritt geschlossen zurück, nachdem er proaktiv und einstimmig mit Beschlüssen
weitere Voraussetzungen für ein Zustandekommen dieser Transaktionen geschaffen hatte.
07. Die neue Verwaltung verfolgt konsequent eine Aufarbeitung der Vorgänge, um mögliche
Investoren für einen Neustart mit neuem Geschäftsmodell in dem vorhandenen AG-Mantel
zu gewinnen. Weder das Amtsgericht Bückeburg noch der Insolvenzverwalter unterstützten
diese Arbeit bisher konstruktiv, insbesondere wurden auch wichtige Dokumente nicht
zugänglich gemacht.
Vorstand und Aufsichtsrat begrüßen den nunmehrigen Sinneswandel des Amtsgerichtes und die
Bestellung des Gutachters ausdrücklich. Sie werden ihn so weit wie möglich und gewünscht
unterstützen.