Trotz jüngster Kurserholungen an den Weltbörsen zittert die einst so boomende Fondsbranche gewaltig: Etliche Aktienfonds stehen vor dem Aus. Frustrierte Kleinsparer proben den Aufstand.
Die Fahrradtruppe der königlichen Polizei auf den Bahamas wird ihrem Teilzeitbürger Thomas Bachmann noch lange verbunden sein. Der Aufsichtsratsvorsitzende der Fondsgesellschaft Orbitex Capital Management AG spendete den Südsee-Beamten 1999 50 Zweiräder mit Elektromotor.
Von derartiger Großzügigkeit können Bachmanns deutsche Kunden nur träumen. Ein Teil seiner Orbitex-Produkte fiel in den vergangenen zwei Jahren nur durch exorbitante Verluste auf. Allein der Orbitex Natural Resources Fund verlor im Jahr 2001 84,4 Prozent seines Wertes. Vergleichbare Rohstoff-Fonds, die unter anderem in Aktien von Ölfirmen investieren, schafften mitunter ein zehnprozentiges Plus.
Die Folge des Debakels: Ende Januar gab Orbitex beim Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen für den Rohstoff-Fonds sowie vier weitere die Vertriebslizenz zurück. Dem Kleinsparer bleibt nicht mal die Hoffnung auf bessere Zeiten. Er bekommt den mickrigen Restwert in Form anderer Fonds derselben Gesellschaft oder direkt ausbezahlt.
Während die Weltbörsen derzeit erstmals wieder Kurserholungen erleben, leidet die Fondsbranche unter heftigen Nachbeben der Krisenjahre. "Konsolidierungsphase" nennen es die Geldmanager vornehm, wenn ihr Absatz einbricht, die Pleiten sich häufen und nach den wütenden Kleinaktionären nun auch immer mehr enttäuschte Fondssparer auftauchen.
Die im Bundesverband Deutscher Investment- und Vermögensverwaltungs-Gesellschaften (BVI) organisierten Kapitalanlagegesellschaften konnten im Boomjahr 2000 netto 65,8 Milliarden Euro an Frischgeld für ihre Aktienfonds einsammeln. 2001 waren es gerade noch 8,3 Milliarden - und das auch nur dank starrer Sparpläne, aus denen Anleger nicht so leicht aussteigen können.
Die anhaltende Aktienabstinenz lässt die Vermögen der Fonds rasant schmelzen: innerhalb eines Jahres von 212 Milliarden Euro auf 173 Milliarden. Eine Diät mit bösen Folgen: Die volumenabhängigen Gebühreneinnahmen brechen ein.
"Vor allem Spezialitätsfonds, die in der Boomphase eine gute Verkaufsstory lieferten, kämpfen jetzt mit zu kleinen Volumina", beobachtet Pia Frei vom Institut für Marktbearbeitung. Unter Experten gilt eine Fondsgröße von fünf bis zehn Millionen Euro als kritische Grenze. Darunter werde es eng, sagt Horst Zirener, Chef des BVI und Vorstandsvorsitzender des Branchenzweiten Deka Investment. Ein Fondsmanager verfügt dann schlicht über zu wenig Geld, um die wichtigsten Aktien seines Anlagegebietes zu kaufen.
Auch Nobelmarken sind bedroht. So mussten die Privatbankiers von Delbrück & Co. vor Weihnachten den Verkauf ihres "Delbrück Neue Märkte Europa" einstellen. Das geringe Fondsvolumen "lässt eine wirtschaftliche Verwaltung nicht zu", heißt es lapidar im Geschäftsbericht.
Im vergangenen Jahr zählte die Beratungsfirma Feri Trust 69 Liquidationen von in- und ausländischen Aktienfonds - Fusionen nicht eingerechnet. Im Jahr davor waren es nicht mal halb so viele.
Zwar nimmt sich die Zahl der Pleiten noch vergleichsweise bescheiden aus. Immerhin sind in Deutschland mehrere tausend Aktienfonds zugelassen. Doch die Beerdigung eines Fonds gilt in der Finanzgemeinde noch immer als tabu.
"Die Kapitalanlagegesellschaften scheuen den Imageverlust", sagt Adriaan Bonauer von der US-Rating-Agentur Morningstar. Verlustbringer werden mitgeschleppt, solange es geht. Laut einer neuen Analyse von Morningstar sind in Deutschland derzeit rund 250 Fonds auf dem Markt, die unter der Schwelle von zehn Millionen Euro vor sich hin hungern.
Diese potenziellen Todeskandidaten liegen jedoch nicht nur den Fondsgesellschaften schwer auf der Tasche, sondern kommen vor allem die Kunden teuer zu stehen. Neben den volumenabhängigen Gebühren von ein bis zwei Prozent pro Jahr "belasten Fixkosten wie Wirtschaftsprüfer und Rechenschaftsberichte die Anleger überproportional", sagt Expertin Frei. Kein Wunder also, dass die Abzockerei mit ständig steigenden Gebühren und die miese Performance immer mehr Fondssparer auf die Barrikaden treiben.
"In letzter Zeit stehen erboste Fondsanleger bei uns Schlange", sagt Volker Pietsch, Finanzfachmann der Berliner Verbraucherzentrale. "Viele wollen ihre Bank verklagen."
Den Unmut bekommen Leute wie Thomas Reinhold, Vertriebschef bei der Nordinvest, hautnah zu spüren. Die Gesellschaft der Hamburger Vereins- und Westbank verkauft seit Januar 2000 den Internet-Fonds nordasia.com. Mit dem Ex-Liebling der Finanzpresse versenkten Tausende ihr Vermögen im Cyberspace.
"Teilweise kam die Kritik direkt zu uns", erzählt Reinhold, "teilweise drohten Kunden unseren Vertriebspartnern mit juristischen Schritten." Dabei habe man immer vor den Gefahren gewarnt, verteidigt er sich.
Tatsächlich verdrängten viele Anleger die Gefahr, dass nicht nur einzelne Aktien, sondern komplette Branchen abrutschen können. Sie hatten "die Illusion, dass sie im Gegensatz zu Einzelaktien mit dem Kauf von Fondsanteilen kein Risiko eingehen", sagt Verbraucherschützer Pietsch.
Die Branchengrößen sind sich keiner Schuld bewusst. Viele Anleger seien "schlicht zu gierig" gewesen, sagt Deka-Chef Zirener. Doch in etlichen Fällen wurden die Ersparnisse ahnungsloser Anleger mit angeblich todsicheren Tipps verspielt. Im Rausch der hohen Verkaufsprovisionen blieb eine nüchterne Beratung durch Fondsverkäufer von Banken und Finanzgesellschaften mitunter auf der Strecke.
"Zum Beispiel wurden einer über 70-Jährigen, die kurz vor dem Umzug in ein Altenheim stand, hochriskante Aktienfonds des Neuen Marktes verkauft", erzählt Verbraucherschützer Pietsch. Ging die Beratung so krass an den Bedürfnissen des Anlegers vorbei, kann sich nun ein juristischer Angriff auf den verantwortlichen Finanzberater durchaus lohnen. Eine Klage direkt gegen die Fondsgesellschaft macht laut Pietsch aber "keinen Sinn". Die juristischen Hürden seien hoch, die fondsinternen Abläufe kaum zu durchschauen.
Zwei Anwaltteams versuchen es trotzdem. Die Münchner Kanzlei Rotter hat gegen die Anlagetochter der Schweizer Privatbank Julius Bär Klage eingereicht. Im Verkaufsprospekt des Creativ Fonds, der vom Ex-König des Neuen Marktes, Kurt Ochner, gemanagt wurde, seien "keine Hinweise auf das überdurchschnittliche Anlagerisiko des Fonds enthalten", argumentieren die Münchner Juristen.
Der Frankfurter Rechtsanwalt Klaus Nieding klagt derweil für einen prominenteren Mandanten gegen die gleiche Geldvernichtungsmaschine. Der Schlagerproduzent Jack White hatte Ochner Ende 1999 umgerechnet rund 3,5 Millionen Euro anvertraut. Davon blieb mittlerweile nur noch eine halbe Million übrig. Nieding plädiert auf "mangelhafte Risikostreuung und fehlerhafte Anlegerberatung". Die Schweizer Banker weisen alle Vorwürfe zurück.
Bei seiner Attacke auf die eidgenössische Hochfinanz dürfte jedoch Niedings Glaubwürdigkeit leiden. Der Präsident des Deutsche-Anleger-Schutzbundes, der auch bei der Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz in der Führung mitmischt, saß bis Mitte 2001 ausgerechnet im Aufsichtsrat der Orbitex Capital Management AG.
Peinlich für den Anlegeranwalt, denn die Beschwerden häufen sich. "Wir hatten in den letzten Wochen verschiedene Anfragen von Anlegern bezüglich der Orbitex-Fonds", heißt es im Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen. Ähnliches spielt sich bei Verbraucherzentralen ab. "Die Anleger wollten vor allem wissen, ob ein gerichtliches Vorgehen Sinn macht", sagt Berater Pietsch. Die Antwort heißt nein. Das Fondsdomizil befindet sich auf den Bahamas, astronomische Anwaltskosten wären die Folge.
Die Wut der Orbitex-Kunden erstaunt nicht. Abgesehen von den massiven Wertverlusten der vergangenen zwei Jahre, die sich kein Experte erklären kann, plünderte die Firma hemmungslos ihr Fondsvermögen. Neben der zweiprozentigen Verwaltungsgebühr buchte man ein Vielfaches davon unter "Sonstige Aufwendungen" ab. Beim Japan Fund, der schon im Mai 2001 vom Markt genommen wurde, genehmigte sich Orbitex bis Ende September 2000 Gebühren und sonstige Aufwendungen von 1,85 Millionen Dollar - bei einem Nettovermögen von rund 4 Millionen.
Von solchen Praktiken will Nieding "keine Kenntnis" gehabt haben. Sein Mandat habe sich auf die deutsche Orbitex-Vertriebsgesellschaft beschränkt. Warum er bereits sieben Monate nach Gründung der Orbitex Capital Management das Mandat niederlegte, will er wegen seiner "Verschwiegenheitspflicht" nicht kommentieren.
Sein ehemaliger Auftraggeber macht derweil auch in den USA Erfahrungen mit wütenden Anlegern. Vor vier Monaten wurde in Kalifornien unter anderem gegen eine Orbitex-Gesellschaft und den Waffenhändler Adnan Kashoggi eine Sammelklage wegen angeblicher Insidervergehen eingereicht. Die Orbitex-Verantwortlichen wollen zu den Vorfällen keine Stellung nehmen.
Der Versicherungskonzern Axa hat bereits reagiert: 4000 Kunden investierten in Lebens- und Rentenversicherungen auf Basis des Orbitexschen Fondsfundus. "Wir werden den Vertrag in kürzester Zeit beenden", sagt Axa-Sprecherin Ursula Roeben.
Für depressive Anleger, die derzeit europaweit über 500 Milliarden Euro in sicheren Renten- und Geldmarktfonds parken, gibt es immerhin Hoffnung: so genannte Index-Fonds, die sich stur an Indices wie Dax oder EuroStoxx50 orientieren. Fondsmanager können kaum noch etwas falsch machen. Und weil sie kaum etwas zu tun haben, sind die Gebühren niedriger als bei normalen Produkten.
Den Marktführern läuft der neue Trend entsprechend gegen den Strich. Sie scheuen die "tiefen Margen", glaubt Peter Ivanfy, Analyst bei Feri Trust. Weder die DWS von der Deutschen Bank noch die Deka der Sparkassen wollen reine Indexfonds in ihr Programm nehmen. Begründung: Über einen Zeitraum von drei bis fünf Jahren seien "65 bis 70 Prozent" der aktiv gemanagten DWS-Aktienfonds besser als der Index, behauptet Sprecher Carsten Böhme. Es gebe eben erhebliche Qualitätsunterschiede zwischen den einzelnen Anbietern.
Erst auf Platz drei der Branche beginnt das Umdenken: Die Luxemburger Tochter der Union Investment bietet börsengehandelte Index-Fonds an.
Die Fahrradtruppe der königlichen Polizei auf den Bahamas wird ihrem Teilzeitbürger Thomas Bachmann noch lange verbunden sein. Der Aufsichtsratsvorsitzende der Fondsgesellschaft Orbitex Capital Management AG spendete den Südsee-Beamten 1999 50 Zweiräder mit Elektromotor.
Von derartiger Großzügigkeit können Bachmanns deutsche Kunden nur träumen. Ein Teil seiner Orbitex-Produkte fiel in den vergangenen zwei Jahren nur durch exorbitante Verluste auf. Allein der Orbitex Natural Resources Fund verlor im Jahr 2001 84,4 Prozent seines Wertes. Vergleichbare Rohstoff-Fonds, die unter anderem in Aktien von Ölfirmen investieren, schafften mitunter ein zehnprozentiges Plus.
Die Folge des Debakels: Ende Januar gab Orbitex beim Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen für den Rohstoff-Fonds sowie vier weitere die Vertriebslizenz zurück. Dem Kleinsparer bleibt nicht mal die Hoffnung auf bessere Zeiten. Er bekommt den mickrigen Restwert in Form anderer Fonds derselben Gesellschaft oder direkt ausbezahlt.
Während die Weltbörsen derzeit erstmals wieder Kurserholungen erleben, leidet die Fondsbranche unter heftigen Nachbeben der Krisenjahre. "Konsolidierungsphase" nennen es die Geldmanager vornehm, wenn ihr Absatz einbricht, die Pleiten sich häufen und nach den wütenden Kleinaktionären nun auch immer mehr enttäuschte Fondssparer auftauchen.
Die im Bundesverband Deutscher Investment- und Vermögensverwaltungs-Gesellschaften (BVI) organisierten Kapitalanlagegesellschaften konnten im Boomjahr 2000 netto 65,8 Milliarden Euro an Frischgeld für ihre Aktienfonds einsammeln. 2001 waren es gerade noch 8,3 Milliarden - und das auch nur dank starrer Sparpläne, aus denen Anleger nicht so leicht aussteigen können.
Die anhaltende Aktienabstinenz lässt die Vermögen der Fonds rasant schmelzen: innerhalb eines Jahres von 212 Milliarden Euro auf 173 Milliarden. Eine Diät mit bösen Folgen: Die volumenabhängigen Gebühreneinnahmen brechen ein.
"Vor allem Spezialitätsfonds, die in der Boomphase eine gute Verkaufsstory lieferten, kämpfen jetzt mit zu kleinen Volumina", beobachtet Pia Frei vom Institut für Marktbearbeitung. Unter Experten gilt eine Fondsgröße von fünf bis zehn Millionen Euro als kritische Grenze. Darunter werde es eng, sagt Horst Zirener, Chef des BVI und Vorstandsvorsitzender des Branchenzweiten Deka Investment. Ein Fondsmanager verfügt dann schlicht über zu wenig Geld, um die wichtigsten Aktien seines Anlagegebietes zu kaufen.
Auch Nobelmarken sind bedroht. So mussten die Privatbankiers von Delbrück & Co. vor Weihnachten den Verkauf ihres "Delbrück Neue Märkte Europa" einstellen. Das geringe Fondsvolumen "lässt eine wirtschaftliche Verwaltung nicht zu", heißt es lapidar im Geschäftsbericht.
Im vergangenen Jahr zählte die Beratungsfirma Feri Trust 69 Liquidationen von in- und ausländischen Aktienfonds - Fusionen nicht eingerechnet. Im Jahr davor waren es nicht mal halb so viele.
Zwar nimmt sich die Zahl der Pleiten noch vergleichsweise bescheiden aus. Immerhin sind in Deutschland mehrere tausend Aktienfonds zugelassen. Doch die Beerdigung eines Fonds gilt in der Finanzgemeinde noch immer als tabu.
"Die Kapitalanlagegesellschaften scheuen den Imageverlust", sagt Adriaan Bonauer von der US-Rating-Agentur Morningstar. Verlustbringer werden mitgeschleppt, solange es geht. Laut einer neuen Analyse von Morningstar sind in Deutschland derzeit rund 250 Fonds auf dem Markt, die unter der Schwelle von zehn Millionen Euro vor sich hin hungern.
Diese potenziellen Todeskandidaten liegen jedoch nicht nur den Fondsgesellschaften schwer auf der Tasche, sondern kommen vor allem die Kunden teuer zu stehen. Neben den volumenabhängigen Gebühren von ein bis zwei Prozent pro Jahr "belasten Fixkosten wie Wirtschaftsprüfer und Rechenschaftsberichte die Anleger überproportional", sagt Expertin Frei. Kein Wunder also, dass die Abzockerei mit ständig steigenden Gebühren und die miese Performance immer mehr Fondssparer auf die Barrikaden treiben.
"In letzter Zeit stehen erboste Fondsanleger bei uns Schlange", sagt Volker Pietsch, Finanzfachmann der Berliner Verbraucherzentrale. "Viele wollen ihre Bank verklagen."
Den Unmut bekommen Leute wie Thomas Reinhold, Vertriebschef bei der Nordinvest, hautnah zu spüren. Die Gesellschaft der Hamburger Vereins- und Westbank verkauft seit Januar 2000 den Internet-Fonds nordasia.com. Mit dem Ex-Liebling der Finanzpresse versenkten Tausende ihr Vermögen im Cyberspace.
"Teilweise kam die Kritik direkt zu uns", erzählt Reinhold, "teilweise drohten Kunden unseren Vertriebspartnern mit juristischen Schritten." Dabei habe man immer vor den Gefahren gewarnt, verteidigt er sich.
Tatsächlich verdrängten viele Anleger die Gefahr, dass nicht nur einzelne Aktien, sondern komplette Branchen abrutschen können. Sie hatten "die Illusion, dass sie im Gegensatz zu Einzelaktien mit dem Kauf von Fondsanteilen kein Risiko eingehen", sagt Verbraucherschützer Pietsch.
Die Branchengrößen sind sich keiner Schuld bewusst. Viele Anleger seien "schlicht zu gierig" gewesen, sagt Deka-Chef Zirener. Doch in etlichen Fällen wurden die Ersparnisse ahnungsloser Anleger mit angeblich todsicheren Tipps verspielt. Im Rausch der hohen Verkaufsprovisionen blieb eine nüchterne Beratung durch Fondsverkäufer von Banken und Finanzgesellschaften mitunter auf der Strecke.
"Zum Beispiel wurden einer über 70-Jährigen, die kurz vor dem Umzug in ein Altenheim stand, hochriskante Aktienfonds des Neuen Marktes verkauft", erzählt Verbraucherschützer Pietsch. Ging die Beratung so krass an den Bedürfnissen des Anlegers vorbei, kann sich nun ein juristischer Angriff auf den verantwortlichen Finanzberater durchaus lohnen. Eine Klage direkt gegen die Fondsgesellschaft macht laut Pietsch aber "keinen Sinn". Die juristischen Hürden seien hoch, die fondsinternen Abläufe kaum zu durchschauen.
Zwei Anwaltteams versuchen es trotzdem. Die Münchner Kanzlei Rotter hat gegen die Anlagetochter der Schweizer Privatbank Julius Bär Klage eingereicht. Im Verkaufsprospekt des Creativ Fonds, der vom Ex-König des Neuen Marktes, Kurt Ochner, gemanagt wurde, seien "keine Hinweise auf das überdurchschnittliche Anlagerisiko des Fonds enthalten", argumentieren die Münchner Juristen.
Der Frankfurter Rechtsanwalt Klaus Nieding klagt derweil für einen prominenteren Mandanten gegen die gleiche Geldvernichtungsmaschine. Der Schlagerproduzent Jack White hatte Ochner Ende 1999 umgerechnet rund 3,5 Millionen Euro anvertraut. Davon blieb mittlerweile nur noch eine halbe Million übrig. Nieding plädiert auf "mangelhafte Risikostreuung und fehlerhafte Anlegerberatung". Die Schweizer Banker weisen alle Vorwürfe zurück.
Bei seiner Attacke auf die eidgenössische Hochfinanz dürfte jedoch Niedings Glaubwürdigkeit leiden. Der Präsident des Deutsche-Anleger-Schutzbundes, der auch bei der Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz in der Führung mitmischt, saß bis Mitte 2001 ausgerechnet im Aufsichtsrat der Orbitex Capital Management AG.
Peinlich für den Anlegeranwalt, denn die Beschwerden häufen sich. "Wir hatten in den letzten Wochen verschiedene Anfragen von Anlegern bezüglich der Orbitex-Fonds", heißt es im Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen. Ähnliches spielt sich bei Verbraucherzentralen ab. "Die Anleger wollten vor allem wissen, ob ein gerichtliches Vorgehen Sinn macht", sagt Berater Pietsch. Die Antwort heißt nein. Das Fondsdomizil befindet sich auf den Bahamas, astronomische Anwaltskosten wären die Folge.
Die Wut der Orbitex-Kunden erstaunt nicht. Abgesehen von den massiven Wertverlusten der vergangenen zwei Jahre, die sich kein Experte erklären kann, plünderte die Firma hemmungslos ihr Fondsvermögen. Neben der zweiprozentigen Verwaltungsgebühr buchte man ein Vielfaches davon unter "Sonstige Aufwendungen" ab. Beim Japan Fund, der schon im Mai 2001 vom Markt genommen wurde, genehmigte sich Orbitex bis Ende September 2000 Gebühren und sonstige Aufwendungen von 1,85 Millionen Dollar - bei einem Nettovermögen von rund 4 Millionen.
Von solchen Praktiken will Nieding "keine Kenntnis" gehabt haben. Sein Mandat habe sich auf die deutsche Orbitex-Vertriebsgesellschaft beschränkt. Warum er bereits sieben Monate nach Gründung der Orbitex Capital Management das Mandat niederlegte, will er wegen seiner "Verschwiegenheitspflicht" nicht kommentieren.
Sein ehemaliger Auftraggeber macht derweil auch in den USA Erfahrungen mit wütenden Anlegern. Vor vier Monaten wurde in Kalifornien unter anderem gegen eine Orbitex-Gesellschaft und den Waffenhändler Adnan Kashoggi eine Sammelklage wegen angeblicher Insidervergehen eingereicht. Die Orbitex-Verantwortlichen wollen zu den Vorfällen keine Stellung nehmen.
Der Versicherungskonzern Axa hat bereits reagiert: 4000 Kunden investierten in Lebens- und Rentenversicherungen auf Basis des Orbitexschen Fondsfundus. "Wir werden den Vertrag in kürzester Zeit beenden", sagt Axa-Sprecherin Ursula Roeben.
Für depressive Anleger, die derzeit europaweit über 500 Milliarden Euro in sicheren Renten- und Geldmarktfonds parken, gibt es immerhin Hoffnung: so genannte Index-Fonds, die sich stur an Indices wie Dax oder EuroStoxx50 orientieren. Fondsmanager können kaum noch etwas falsch machen. Und weil sie kaum etwas zu tun haben, sind die Gebühren niedriger als bei normalen Produkten.
Den Marktführern läuft der neue Trend entsprechend gegen den Strich. Sie scheuen die "tiefen Margen", glaubt Peter Ivanfy, Analyst bei Feri Trust. Weder die DWS von der Deutschen Bank noch die Deka der Sparkassen wollen reine Indexfonds in ihr Programm nehmen. Begründung: Über einen Zeitraum von drei bis fünf Jahren seien "65 bis 70 Prozent" der aktiv gemanagten DWS-Aktienfonds besser als der Index, behauptet Sprecher Carsten Böhme. Es gebe eben erhebliche Qualitätsunterschiede zwischen den einzelnen Anbietern.
Erst auf Platz drei der Branche beginnt das Umdenken: Die Luxemburger Tochter der Union Investment bietet börsengehandelte Index-Fonds an.