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Substanz entscheidet
Versteckspiel um 45 Millionen Euro: Wie ein mysteriöser Karibikfonds bei der Adler-Gruppe mitmischte
Der Ausstieg des schillernden Bauunternehmers Christoph Gröner aus der Adler-Gruppe wirft Fragen auf. Eine Spur führt zu einem Fonds mit dem Namen Calm Storm Investment.
Weiße Jachten wippen im Hafen, sanft schmiegen sich die grünen Hügel über Road Town an das türkisgrüne Meer. Nur die Hurrikans stören das Karibikparadies. Vielleicht wählte der geheimnisvolle Gründer deshalb den Namen Calm Storm Investments Inc. (CSI). Im Juli 2020 setzte er einen Fonds in der Hauptstadt der Britischen Jungferninseln auf, um einen dreistelligen Millionenbetrag in deutsche Immobilien zu investieren.
Dass sich heute Wirtschaftsprüfer und Aufsichtsbehörden für diesen Karibikfonds interessieren, hat mit der Krise des Immobilienkonzerns Adler Group zu tun. Der Investmentgruppe gehören 27.000 Wohnungen in Deutschland. Spätestens seit die eigenen Wirtschaftsprüfer Adler das Testat für die Bilanz 2021 verweigerten, steht das Management in der Kritik.
Eine Gruppe von nahestehenden Personen plündere das Unternehmen zulasten der Aktionäre aus. Das behauptete der Leerverkäufer Fraser Perring in einem Dossier seines Analysehauses Viceroy im Oktober 2021. Adler bestreitet das. Allerdings weigert sich der im SDax notierte Konzern, bei einigen Streitpunkten der Vergangenheit vollständig transparent zu sein.
Investoren, Aufsichtsbehörden und Strafverfolger wollen aber wissen, wie es dazu kommen konnte, dass Adler Millionengeschäfte machte, bei denen Partner, wirtschaftlich Berechtigte oder wichtige Details geheim blieben. Der Fall des Karibikfonds CSI ist womöglich das auffälligste Beispiel für diese Deals.
Wie er auf den Namen Calm Storm gekommen ist, können Interessierte den mysteriösen Investor nicht fragen, auch nichts zu steuerlichen Hintergründen der Standortwahl in der Karibik. Er hat seine Anonymität in viele Richtungen abgesichert. CSI ist bei einem Dienstleister registriert, der laut Website auf Treuhanddienste, Firmenverwaltung und Services für Jachten spezialisiert ist, nicht aber auf Presseauskünfte. Eine Anfrage des Handelsblatts ließ er unbeantwortet.
Consus, das Sorgenkind der Adler-Gruppe
Dass CSI schweigt, ist ungewöhnlich. Der Fonds spielte 2020 bei dem Megadeal eine zentrale Rolle, mit dem sich einer der bekanntesten Bauunternehmer Deutschlands aus der Adler-Gruppe verabschiedete. Damals trennte sich der schillernde Berliner Manager Christoph Gröner von seinen Aktien an der Adler-Tochter Consus Real Estate AG (Consus). Zeitgleich erwarb er 17 Immobilien aus dem Portfolio seines früheren Unternehmens.
Gröner ist um große Auftritte selten verlegen. Erst am vergangenen Sonntag lud er etwa seinen beeindruckenden privaten Porsche-Fuhrpark mit 41 Fahrzeugen am Porsche-Werk in Leipzig ab, um befreundete Unternehmer und Politiker für den guten Zweck öffentlichkeitswirksam ein paar Runden drehen zu lassen. Auch der sächsische Staatsminister für Regionalentwicklung fuhr mit.
Gröners einstige Wirkungsstätte, der Projektentwickler Consus, ist derweil heute das „Sorgenkind“ der Adler-Gruppe, wie deren Verwaltungsratschef Stefan Kirsten sagt. In der untestierten Konzernbilanz 2021 wies Adler einen Verlust von mehr als einer Milliarde Euro aus, der auf massive Wertberichtigungen bei Consus zurückzuführen ist. Kirsten hat angekündigt, die Tochter bilanziell zu restrukturieren.
Gröners Ausstieg bei Consus lief in mehreren Schritten ab. Zunächst trennte er sich von Aktien an der Consus RE AG, die ursprünglich einmal CG-Gruppe hieß. Das ist eine Tochter der Consus. Für diese Aktien erhielt Gröner von der Muttergesellschaft 27,5 Millionen Euro in bar und 24,75 Millionen Consus-Aktien. „Der Nominalwert der ausgegebenen Aktien entsprach einem Aufschlag von 70 Prozent auf den damaligen Börsenkurs“, analysierten die Wirtschaftsprüfer von KPMG später.
Weil Gröner zuvor schon sechs Prozent oder 8,3 Millionen Aktien der Consus hielt, wurde sein Investment auf der Ebene der Muttergesellschaft zunächst größer. Der Bauunternehmer nutzte dieses Investment, um 17 Immobilien aus seinem Ex-Unternehmen herauszukaufen, die er selbst entwickeln wollte. Der Immobiliendeal wurde im Mai 2020 vereinbart. Als Kaufpreis wurden rund 350 Millionen Euro festgelegt. Einen Teil dieses Betrags, 125 Millionen Euro, wollte Gröner aus dem Verkauf seiner Consus-Aktien begleichen.
Gröner stellte es im Gespräch mit dem Handelsblatt so dar: Er habe alle Aktien der Consus Real Estate an einen Dritten verkauft, dessen Identität er aufgrund von Verschwiegenheitspflichten nicht nennen dürfe. Gröner kassierte den Kaufpreis aber nicht selbst, sondern übertrug die Zahlungsverpflichtung über 125 Millionen Euro für die Consus-Immobilien an den Aktienkäufer.
Dieser Vertragspartner habe dann Rechte und Pflichten aus dem Kaufvertrag ohne Gröners Zustimmung weitergegeben. „Auf diesem Wege ist die CSI ohne Zustimmung der Gröner Group GmbH an die Stelle des ursprünglichen Vertragspartners getreten“, erklärte Gröner. Nun war plötzlich der Karibikfonds CSI im Spiel.
Gröner betonte, dass er selbst nicht der wirtschaftlich Berechtigte hinter CSI sei und diesen nicht kenne. Allerdings habe ihm der ursprüngliche Vertragspartner bestätigt, dass es sich beim Fonds CSI um eine „rechtswirksam gegründete Gesellschaft handelt und alle notwendigen Prüfungen nach dem Geldwäschegesetz erfolgt sind“. Im Geschäftsverkehr sei der Bevollmächtigte des ursprünglichen Vertragspartners auch für CSI aufgetreten.
Die Zahlungsverpflichtung von 125 Millionen Euro für Gröners neue Immobilien landete so in der Karibik und wurde laut Adler auch erfüllt. Die Aktien aus dem CSI-Bestand seien dann im Dezember 2020 im Rahmen einer Kapitalerhöhung getauscht worden, gibt der Konzern an. Damals bot die Gruppe 0,27 neue Adler-Aktien für jede Consus-Aktie, um den Projektentwickler zu 94 Prozent zu übernehmen.
Für den CSI-Fonds war der Tausch ein gutes Geschäft. Die Wirtschaftsprüfer von KPMG notierten in ihrer Untersuchung der Shortseller-Vorwürfe, dass der CSI-Fonds „wenige Wochen später“ einen großen Teil der Consus-Aktien getauscht und einen Gewinn von 45 Millionen Euro verzeichnet habe.
Viel weiter kamen die Prüfer jedoch nicht. So hätten weder die Verträge der Parteien mit CSI vorgelegen, stellte KPMG fest, noch Unterlagen, die zeigten, dass sich Adler oder Consus von der Bonität des Karibikfonds überzeugt hätten. Noch bedenklicher: Die Forensik-Profis scheiterten daran, die Eigentümer hinter dem CSI in Road Town zu identifizieren, „der mutmaßlich aus dem Umtausch von Consus Real Estate AG in Adler Group S.A.-Aktien profitierte“.
KPMG fehlten Unterlagen zur Consus-Bewertung
Auch sonst fällt das Fazit von KPMG zur Consus-Übernahme durch Adler vernichtend aus, die laut Ex-Vorstand Maximilian Rienecker den Konzern mehr als eine Milliarde Euro kostete. Adler habe „keine angemessenen und ausreichenden Nachweise“ zur Ermittlung des Ankaufpreises der Consus bereitgestellt. KPMG resümierte deshalb: Der Vorwurf sei nicht zu widerlegen, dass Dritte beim Consus-Kauf „zum Nachteil von Unternehmen der (heutigen) Adler Group S.A. oder deren Aktionären profitiert haben könnten“.
Wann immer es bei Adler undurchsichtig wird, fällt ein Name: Cevdet Caner. Mancher nennt Caner die Spinne im Netz von Adler, was dieser bestreitet. Die Frau des Ex-Beraters von Adler ist mit mehr als sieben Prozent eine einflussreiche Aktionärin des Konzerns. KPMG untersuchte die Rolle Caners beim Gröner-Ausstieg: Denn Caner war eng in die Verhandlungen eingebunden.
So eng, dass sich beide nach Erkenntnissen von KPMG gar am 15. Januar 2020 in Zürich getroffen haben sollen. „Demnach wurde während des Termins das Ausscheiden von Gröner aus dem Vorstand und die Übertragung seiner verbleibenden Geschäftsanteile besprochen“, schrieben die Prüfer. Nur fünf Tage später hatte Caner eine Mail mit einem „Meilensteinplan“ in seinem Postfach. Der Betreff lautete „Grexit – next steps“, ein Wortspiel aus Gröner und Exit.
Auch im März und im April gingen Mails zum Thema hin und her. In Bezug auf einen Gesellschafterbeschluss wandte sich Gröner direkt an Caner und bat ihn: „Kannst du hier bitte entsprechend Einfluss nehmen?“ Caners Antwort: „O.k. schau ich mir an und gibt morgen Entscheidung.“
Andersherum fand KPMG auch direkte Anweisungen Caners an Gröner: „Alle Bankkontakte müssen wie besprochen zugänglich gemacht werden, sofort“, schrieb er im Januar 2020. Eine Pressemitteilung über Gröners Transaktionen sollte nicht ohne Caners Segen heraus. Er forderte per Mail einen „final look“ ein.
Welche Rolle spielte Cevdet Caner beim „Grexit“? Weiß er, wer hinter dem Karibikfonds CSI steht oder warum für den Deal eine Offshore-Konstruktion gewählt wurde?
Auf Nachfragen meldet sich Caners Anwalt. Er teilt mit, dass Caner „Feststellungen des KPMG-Sonderuntersuchungsberichts wie auch Darstellungen des Herrn Gröner nicht kommentieren möchte“ und auch zu den „weiteren Fragen keinerlei Auskunft geben kann“ – eine für den sonst in Sachen Adler oft wortgewaltigen Caner bemerkenswert dürre Stellungnahme.
Nachfragen bei den Behörden führen ebenfalls nicht weiter. Die Bafin verweist nach Luxemburg auf die dortige Finanzaufsicht CSSF, die für die Bilanzkontrolle der Adler Group zuständig sei. Die CSSF wiederum nahm auf Rückfrage kurzfristig noch nicht Stellung.
Und von der Staatsanwaltschaft Frankfurt heißt es lediglich: „Nach Rücksprache mit der Fachabteilung sollen hierzu derzeit keinerlei Auskünfte erteilt werden.“
Auch bei Adler schweigt der neue Verwaltungsratschef Stefan Kirsten zu den Vorgängen um CSI und Gröner lieber: „Zu solchen Einzelheiten, die Sie anfragen und die vor der Zeit liegen, seit Herr Kirsten die Verantwortung im Board hat, werden wir nicht Stellung beziehen können“, schreibt sein Sprecher und fügt hinzu: „Sie können allerdings sicher sein, dass in Zukunft immer klar sein wird, wer der wirtschaftlich Berechtigte ist.“
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