Montag, 18.03.2002, 07:34
AUSBLICK: Kartellrechtskonflikt um Microsoft geht in eine neue Runde
WASHINGTON (dpa-AFX) - Der seit mehr als vier Jahren andauernde Kartellrechtsstreit um Microsoft geht am Montag (18. März) in eine neue Runde. In Washington beginnt ein weiterer Prozess gegen den Softwareriesen, in dem neun US-Bundesstaaten als Kläger auftreten.
Sie lehnen eine im Herbst zwischen Microsoft und dem US-Justizministerium sowie neun anderen Bundesstaaten erzielte Einigung als zu lasch ab und fordern härtere Sanktionen gegen den Konzern von Bill Gates. Der Softwarekonzern warnt, bei Verhängung rigoroserer Strafen müsse es seine Betriebssysteme Windows XP und Windows 2000 ganz vom Markt nehmen.
MICROSOFT VON ZWEI SEITEN UNTER BESCHUSS
Der Wettbewerbskonflikt um Microsoft läuft seit der gütlichen Einigung zwischen dem Konzern und dem Justizministerium vom November auf zwei Gleisen: Auf der einen Seite prüft die zuständige Bundesrichterin Colleen Kollar-Kotelly derzeit noch, ob der Kompromiss "im öffentlichen Interesse" ist; auf der anderen Seite haben die neun Staaten, die die Einigung ablehnen, die ursprüngliche Klage gegen Microsoft aufrecht erhalten und damit den jetzt beginnenden neuen Prozess erzwungen.
Damit zerstoben auch die Hoffnungen der US-Regierung, mit dem Kompromiss die "Unsicherheit auf dem Computermarkt" zu beseitigen und einen Beitrag zur Erholung der US-Wirtschaft zu leisten. Die Regierung von Präsident George W. Bush hatte die noch unter Vorgänger Bill Clinton begonnene Auseinandersetzung schon immer als lästiges Erbe betrachtet und war von früh an auf eine gütliche Einigung zugesteuert.
AUFSPALTUNG VON MICROSOFT DROHTE
Begonnen hatte die Auseinandersetzung seinerzeit, nachdem Microsoft seinen Internet Explorer in sein marktbeherrschendes Betriebssystem Windows eingebaut hatte. Die konkurrierende Internet-Zugangssoftware der Firma Netscape wurde damit am Markt auf Platz zwei verdrängt. Justizministerium und klagende Bundesstaaten warfen Microsoft vor, sein Monopol bei den Betriebssystemen zu missbrauchen. Sie bekamen in zwei Gerichtsentscheidungen Recht.
Allerdings verwarf ein Berufungsgericht im Sommer 2001 die zuvor von einem Bundesrichter verhängte drakonische Strafe, wonach Microsoft in zwei Unternehmen aufgespalten werden sollte.
Der Kompromiss vom November sieht nun vor, dass Microsoft den Computerherstellern mehr Freiheiten bei der Verwendung von Windows einräumt. Sie sollen etwa Internet-Browser oder Media Player auch von der Konkurrenz in das System einbauen können. Um dies zu ermöglichen, muss Microsoft den PC-Bauern zudem mehr technische Data über Windows liefern.
'MICROSOFT WIRD KONKURRENZ ZERSCHMETTERN'
Ein Teil der Bundesstaaten hält diese Lösung jedoch für Augenwischerei. "Microsoft wird das Abkommen nutzen, um die Konkurrenz zu zerschmettern," hieß es etwa aus Massachusetts.
In Windows XP, der neuesten Version seines Betriebssystems, hat der Softwarekonzern die Zugänge zum Internet sogar noch erweitert, worin die Kläger eine Fortsetzung des Monopolmissbrauchs sehen. Sie wollen den Konzern dazu zwingen, eine neue Version von Windows herzustellen, aus der Anwendungen wie der Internet Explorer oder Media Player leichter ausgekoppelt werden können.
VERBRAUCHERVERBAND: PREISE WÜRDEN DEUTLICH SINKEN
Der Verbraucherverband Consumer Federation of America geht davon aus, dass bei einem Erfolg der Klage mehr Wettbewerb auf dem Softwaremarkt garantiert ist und die Preise entsprechend deutlich sinken würden.
Microsoft erklärt jedoch, es sei nicht in der Lage, sein Betriebssystem auf die geforderte Weise zu überarbeiten. Die Auseinandersetzung kann noch lange dauern. Der neue Prozess wird sich mindestens mehrere Wochen hinziehen. Sollten sich die klagenden Bundesstaaten durchsetzen, könnte Microsoft zudem gegen das Urteil erneut in Berufung gehen./FP/ts/av