"300.000 US-Dollar ist einer amerikanischen Stiftung das BusinessPlanArchive.org wert. Das Mausoleum gescheiterter Dot.coms soll akademisch genutzt werden - und scheint dennoch ökonomisch zum Scheitern verurteilt. +++ InternalMemos.com: Der Oberlästerer der Webwelt, Philip Kaplan, startet einen brisanten Ableger seiner Kultsite Fuckedcompany.com.
Bravo. Genau das hat der kränkelnden amerikanischen Wirtschaft gefehlt: ein Archiv mit den Businessplänen gescheiterter Dot.coms.
Mit dem BusinessPlanArchive.org gesellt sich nun tatsächlich ein Online-Sammelsurium der Geschäftspläne von Dot.com-Pleitiers zum illustren Kreis der unzähligen Web-Archive. Und das Online-Angebot ist nicht einmal als Satire angelegt, es erhebt sogar den Anspruch auf Wissenschaftlichkeit.
Dem Initiator des Projekts, David Kirsch von der University of Maryland, geht es darum, Dokumente aus der "geschichtsträchtigen Dot.com-Ära" für die Nachwelt zu bewahren. "Wenn wir nicht jetzt damit beginnen, ein digitales Archiv der Events und Firmen dieser Zeit aufzubauen, riskieren wir, dass wichtige Unterlagen für immer verschwinden", sagt Kirsch.
Einst am Internet-Boom, dann am "Bust" - sprich Niedergang - beteiligte Vorstände, Investoren,aber auch einfache Dot.com-Worker sind daher entsprechend angehalten, Businesspläne, Powerpoint-Präsentationen, E-Mails, Audio-Files oder schlicht digitalisierte persönliche Erinnerungen zur Verfügung zu stellen.
Bereits in den ersten Tagen nach dem Launch sollen tausend Geschäftspläne, insbesondere von Risikokapitalgebern, eingegangen sein. Diese Dokumente werden derzeit aufbereitet und sollen baldmöglichst zum Abruf bereitstehen. Ein Investor von der Ostküste hatte sogar angeboten, gegen Übernahme der Versandkosten einen ganze Kiste mit Unterlagen zu 600 Internet-Start-ups abzugeben.
Wer will schon Geschäftspläne von Tierfutterverkäufern lesen?
Dabei stellt sich nur die berechtigte Frage, wer tut sich so etwas freiwillig an? Oder besser formuliert: Wer will schon in Geschäftsunterlagen von Online-Tierfutter-Versandhändlern, Teenager-E-Zines oder Web-Supermärkten stöbern, die allenfalls zu exzessiver Kapitalvernichtung führten? Milliarden sind seit Ende der neunziger Jahre im Webgeschäft verbrannt worden - was der Online-Gemeinde weltweiten Spott und Sites à la Startupfailures.com oder Fuckedcompany.com bescherte.
Das mit 300.000 US-Dollar von der Alfred-P.-Sloan-Stiftung geförderte Businessplan-Archiv hat jedoch ganz anders als die schadenfreudigen Dot.com-Friedhöfe einen akademischen Anspruch. "Es geht vielmehr darum, dass die nächste Generation von Unternehmern aus den Fehlern des Internet-Hypes lernen und diese vermeiden kann", erklärt Kirsch. "Aber natürlich kann auch die Old Economy von dem Archiv profitieren."
Und schließlich soll das Web-Bankrott-Mausoleum auch Erfolgsgeschichten detailliert dokumentieren. Dennoch gibt Kirsch zu, dass die Idee für das Projekt aus seinem Interesse rührt, Pleiten zu untersuchen. Außerdem wird darüber diskutiert, mit dem Web-Angebot auf die Domain CreativeDestruction.org umzuziehen.
Kasse machen mit Pleiteplänen?
Beteiligt an BusinessPlanArchive.org ist auch die San Franciscoer Firma Webmergers. Und damit genau die Firma, die die Internet-Community seit über zwei Jahren monatlich mit den neuesten Dot.com-Bankrottstatistiken versorgt - und dafür, wohlgemerkt laut Eigenwerbung, mehr als 1000-mal von internationalen Medien zitiert wurde. Für die Digi-Ökonomie-Konserve will Webmergers Daten und Analysen zu Fusionen, Übernahmen und Pleiten in der Dot.com-Welt zur Verfügung stellen.
Nachdem sich nun - mangels Masse noch existenter Internet-Unternehmen - kaum mehr Schlagzeilen mit Pleitemeldungen und Dollar mit Netzcompany-Fusionen machen lassen, setzt Webmergers-CEO Tim Miller über das Businessplan-Archiv auf ein neues Geschäftsfeld: Mittelfristig sollen die gesammelten Artefakte Miller zufolge schließlich verkauft werden. Die Frage dürfte allerdings vorläufig offen bleiben, wer außer masochistisch veranlagten Wirtschaftswissenschaftlern dafür ernsthaft Geld ausgeben sollte.
Bleibt für die Betreiber zu hoffen, dass BusinessPlanArchive.org nicht selbst schnell in ein Web-Pleitier-Geschichtsbuch der Konkurrenz eingeht. Auch bei Fuckedcompany dürfte man sich dann ordentlich das Maul zerreißen. Den Initiator dieser Site, Philip Kaplan, hatte Kirsch eigentlich zunächst als Partner für das Projekt gewinnen wollen. Der auch als eine Art "Jerry Springer" der Online-Welt verschrieene Kaplan hatte den Assistenzprofessor aus Maryland jedoch kurzerhand abblitzen lassen.
Fuckedcompany-Ableger InternalMemos.com: Indiskretionen online
Apropos Kaplan: Das Oberlästermaul der Netzwelt liefert nun auch seine ganz eigene Antwort auf die jüngsten Bilanzierungsskandale bei US-Firmen und startete Anfang des Monats mit InternalMemos.com einen brisanten Ableger seiner Kultseite Fuckedcompany.com.
InternalMemos.com soll der Eigenwerbung zufolge die "größte Online-Sammlung interner Firmenkommunikation" darstellen - und Indiskretionen von Firmen wie WorldCom, AOL Time Warner, General Electric oder der Citigroup will man natürlich vergoldet sehen: Der unbeschränkte Zugriff auf ursprünglich streng vertrauliche Firmen-E-Mails und dergleichen kostet 45 US-Dollar im Monat. Gemäß Rechtsexperten ist jedoch juristisches Ungemach programmiert.
Mit Fuckedcompany.com verfolgt Kaplan ebenfalls ein Bezahlkonzept - und zwar recht erfolgreich. Seit letztem Jahr sind verschiedene Bereiche des Web-Angebots nur noch gegen Gebühr zu erreichen. Rund 1000 Abonnenten, die monatlich 75 US-Dollar in die Fuckedcompany-Kassen spülen, soll der Pleiten-
und Gerüchtedienst mittlerweile zählen. "
quelle: www.spiegel.de
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