"Mutti ! Ich will nicht an den Neuen Markt..."
So stelle ich mir momentan die Gespräche von Konsortialbanken mit den Unternehmen vor, welche ursprünglich an die Börse gebracht werden sollten.
Damals, als Egbert Prior den Neuen Markt erfand und sein Tochterunternehmen Mobilcom an selbigen brachte, wollte noch kaum ein Unternehmen an die Börse. Die Bremer Vulkan überlegte damals zwar einen Segmentwechsel, ging dann aber doch lieber einfach pleite. Vermutlich hatten die Chefs die Auftritte von Herrn Prior in der 3sat Börse gesehen.
1998
Im letzten Jahr dann gab es eine wahre Flut von neuen, geldgierigen Kandidaten. Sorry, ich meine natürlich Unternehmen, welche "mit den zufliessenden Mitteln aus dem Börsengang die strategische Marktposition ausbauen und auch das externe Wachstum vorantreiben werden."
Dies war, neben "Ich schau mal ob die Zahlen schon da sind." mein Lieblingssatz auf meinem Lieblingssender n-tv. Jeder IPO-Vorstand oder Pressesprecher hatte diese Phrase bis zum Umfallen, wohl vor dem Spiegel, geübt um sie dann Brichta, Ferstl oder wer auch immer Montags um 22.15 Uhr noch im Studio hockte, um die Ohren zu hauen. Im Klartext hiess das nichts anderes als, "wenn wir durch den Börsengang so richtig fett Kohle gezogen haben, dann werden wir erst mal dick Werbung machen, damit jeder Konkurrent sieht wie reich wir sind, und wenn einer von denen aufmuckt, dann kaufen wir den Schuppen mitsamt Schulden auf."
Das Wunder
Und siehe da, diese Strategie funktionierte. Sogar Unternehmen wie Ingo´s EndeMann (mit mindestens drei Ausrufezeichen) oder Witzkomm (die bauen Stifte oder so) hatten eine Chance. Endemann hat mit dem Geld aus dem Börsengang seine Marketingabteilung ausgebaut, die verpflichtet ist, sich jede Woche mindestens eine ad-hoc-Meldung auszudenken. Und wenn irgendwo ein Softwareentwickler stirbt, kauft Ingo kurz danach das ganze Unternehmen auf (mitsamt Schulden). Erinnert einen irgendwie an die 80er Jahre, als Studenten ihre Bude nach den Todesanzeigen aussuchten.
Witzkomm hingegen ist komplett in der israelischen Wüste verschollen. Und die hatten doch so tolle Produkte. Ein Stift, der übersetzen kann. Von Deutsch in Israelisch und umgekehrt. Scheinbar ist dieser Markt wohl doch etwas begrenzter als ursprünglich angenommen.
Heute
Was aber die letzten Wochen passierte, ist genau gegenläufig zur letztjährigen Entwicklung. Manche Unternehmen wollen nicht mehr an die Börse! Vorgemacht haben das vor kurzem PC-Ware und m+s Elektronik. Beide Unternehmen kommen dazu sogar noch aus dem High-Tech Segment. D.h. es werden High-Tech Teile eingekauft und per High-tech in eine Kiste gepackt, um dann per High-Tech an Kunden ausgeliefert zu werden.
Applaus! Schon lange wurden solche Unternehmen nicht mehr an der Börse gesichtet. Vermutlich wurde den Unternehmen ob ihrer glänzenden Chancen am Neuen Markt Angst und Bange, dass sie noch während der Zeichnungsfrist nun doch erstmal wieder überlegen mussten, warum sie eigentlich an die Börse wollten. Ein kleiner Tip von mir: "Mit den zufliessenden Mitteln aus dem Börsengang die strategische Marktposition ausbauen und auch das externe Wachstum vorantreiben."
Mehr Erfolg beim nächsten Versuch.
DON L
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© 1999 Interstoxx AG (www.interstoxx.de) 21.09.1999 - 19:50
So stelle ich mir momentan die Gespräche von Konsortialbanken mit den Unternehmen vor, welche ursprünglich an die Börse gebracht werden sollten.
Damals, als Egbert Prior den Neuen Markt erfand und sein Tochterunternehmen Mobilcom an selbigen brachte, wollte noch kaum ein Unternehmen an die Börse. Die Bremer Vulkan überlegte damals zwar einen Segmentwechsel, ging dann aber doch lieber einfach pleite. Vermutlich hatten die Chefs die Auftritte von Herrn Prior in der 3sat Börse gesehen.
1998
Im letzten Jahr dann gab es eine wahre Flut von neuen, geldgierigen Kandidaten. Sorry, ich meine natürlich Unternehmen, welche "mit den zufliessenden Mitteln aus dem Börsengang die strategische Marktposition ausbauen und auch das externe Wachstum vorantreiben werden."
Dies war, neben "Ich schau mal ob die Zahlen schon da sind." mein Lieblingssatz auf meinem Lieblingssender n-tv. Jeder IPO-Vorstand oder Pressesprecher hatte diese Phrase bis zum Umfallen, wohl vor dem Spiegel, geübt um sie dann Brichta, Ferstl oder wer auch immer Montags um 22.15 Uhr noch im Studio hockte, um die Ohren zu hauen. Im Klartext hiess das nichts anderes als, "wenn wir durch den Börsengang so richtig fett Kohle gezogen haben, dann werden wir erst mal dick Werbung machen, damit jeder Konkurrent sieht wie reich wir sind, und wenn einer von denen aufmuckt, dann kaufen wir den Schuppen mitsamt Schulden auf."
Das Wunder
Und siehe da, diese Strategie funktionierte. Sogar Unternehmen wie Ingo´s EndeMann (mit mindestens drei Ausrufezeichen) oder Witzkomm (die bauen Stifte oder so) hatten eine Chance. Endemann hat mit dem Geld aus dem Börsengang seine Marketingabteilung ausgebaut, die verpflichtet ist, sich jede Woche mindestens eine ad-hoc-Meldung auszudenken. Und wenn irgendwo ein Softwareentwickler stirbt, kauft Ingo kurz danach das ganze Unternehmen auf (mitsamt Schulden). Erinnert einen irgendwie an die 80er Jahre, als Studenten ihre Bude nach den Todesanzeigen aussuchten.
Witzkomm hingegen ist komplett in der israelischen Wüste verschollen. Und die hatten doch so tolle Produkte. Ein Stift, der übersetzen kann. Von Deutsch in Israelisch und umgekehrt. Scheinbar ist dieser Markt wohl doch etwas begrenzter als ursprünglich angenommen.
Heute
Was aber die letzten Wochen passierte, ist genau gegenläufig zur letztjährigen Entwicklung. Manche Unternehmen wollen nicht mehr an die Börse! Vorgemacht haben das vor kurzem PC-Ware und m+s Elektronik. Beide Unternehmen kommen dazu sogar noch aus dem High-Tech Segment. D.h. es werden High-Tech Teile eingekauft und per High-tech in eine Kiste gepackt, um dann per High-Tech an Kunden ausgeliefert zu werden.
Applaus! Schon lange wurden solche Unternehmen nicht mehr an der Börse gesichtet. Vermutlich wurde den Unternehmen ob ihrer glänzenden Chancen am Neuen Markt Angst und Bange, dass sie noch während der Zeichnungsfrist nun doch erstmal wieder überlegen mussten, warum sie eigentlich an die Börse wollten. Ein kleiner Tip von mir: "Mit den zufliessenden Mitteln aus dem Börsengang die strategische Marktposition ausbauen und auch das externe Wachstum vorantreiben."
Mehr Erfolg beim nächsten Versuch.
DON L
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