Das Kündigungsschutzgesetz ist ein wichtiger Grund für die Arbeitslosigkeit. Es sollte reformiert werden.
Mit keinem anderen Thema hätte Superminister Wolfgang Clement so viel Empörung auslösen können wie mit seiner Anregung, den Kündigungsschutz vorsichtig zu lockern. DGB-Vorsitzender Michael Sommer bedrängte Clement sofort am Handy und kündigte "härtesten Widerstand" an, IG-Metall-Chef Klaus Zwickel sprach vom "Griff in die Klamottenkiste der Vorschläge, die sich längst als wirkungslos erwiesen haben". Beide Gewerkschafter drohten mit Boykott des neuen Bündnisses für Arbeit. Die "Frankfurter Rundschau" forderte den Kanzler auf, Clement zu bremsen, "bevor er mit dem Kopf gegen die Wand rennt". Ähnlich argumentierten viele Medien.
Noch ist Clements Plan nicht durch den Fleischwolf der Demoskopie gedreht worden. Doch man kann sich leicht ausmalen, was die Deutschen antworten, wenn Meinungsforscher sie am Telefon fragen, ob sie für oder gegen eine Lockerung des Kündigungsschutzes sind - eine Mehrheit wird dagegen sein. So oberflächlich funktioniert die hiesige Demokratie: Ein Minister macht einen mutigen Vorschlag, kurz darauf hat der DGB seine Meinung fertig, droht dem Minister am Telefon und prustet seine Position auf einer Pressekonferenz heraus. Wenig später treten die Demoskopen in Aktion und fragen 1000 Bürger vor dem Abendbrot, ob sie gerne gekündigt werden. Das klare Nein bestätigt die gewerkschaftliche Mehrheit der SPD-Bundestagsfraktion in ihrer vorgefassten Meinung - und schon ist der Vorschlag tot.
Kalkulierte politische Rückkopplung
Wenn die 1000 Menschen, bei denen abends das Telefon klingelt, wüssten, welche Verantwortung sie tragen, müsste ihnen schwindelig werden. Sie stimmen über das Schicksal der Volkswirtschaft ab. Dabei sind sie das Opfer einer politischen Maschinerie: Der DGB schießt deswegen so schnell aus allen Rohren, damit er die Meinungen beherrscht, bevor die Umfragen kommen. Wenn sie dann seine Position bestätigen, wertet er sie als Sachbeweis. Dabei sind sie nichts anderes als eine kalkulierte Rückkopplung.
Gegen die Meinungsmacht der Gewerkschaften richtet die Bundesregierung inzwischen kaum noch etwas aus. Wenn es um Wirtschafts- und Sozialpolitik geht, kommen Verdi, DGB, Sommer oder Zwickel in den Medien häufiger vor als Regierungsmitglieder. Nur nutzen die Funktionäre ihr erstklassiges PR-Talent leider nicht zum Vorteil der Menschen, deren Mandat sie wahrnehmen.
Kündigungsschutz an sich kann kein politisches Ziel sein, sondern allenfalls eine Zwischengröße. In erster Linie sollte es den Gewerkschaften darum gehen, die volkswirtschaftliche Beschäftigung zu maximieren und gleichzeitig dem Einzelnen die größtmögliche ökonomische Sicherheit zu geben. Sie müssten ständig auf der Suche nach dem besten Weg sein, der zu diesem Ziel führt. Die Bundesrepublik ist ein Bürgerstaat, der diese Suche aktiv unterstützt. Da Arbeitnehmer auch Konsumenten sind, liegt ihr Wohlergehen sogar im Interesse der Unternehmen. Eigentlich könnte also weitgehende Interessenkongruenz zwischen Staat, Bürgern, Firmen und Gewerkschaften bestehen.
Diese politische Harmonie herrscht in vielen aufstrebenden Ländern wie Irland oder Polen, doch in Deutschland ist sie verloren gegangen. Einer der Hauptgründe ist die geistige Erstarrung der Gewerkschaften, die ihre Suche nach dem besten Weg zu Gunsten einer ideologischen Heilslehre aufgegeben haben. Sie verteidigen den Kündigungsschutz als absolute Größe, obwohl er Arbeitsplätze vernichtet, Wachstum bremst und den Einzelnen in einer Scheinsicherheit wiegt, die nur so lange besteht, bis sein Betrieb an den Rigiditäten scheitert und Konkurs anmeldet.
Der Mechanismus, der zu diesem Ergebnis führt, ist trivial und allgegenwärtig. Jeder Handwerksbetrieb, jeder Industriekonzern kann plastisch schildern, wie er funktioniert: In einem Aufschwung hat jede Firma das Interesse, neue Mitarbeiter einzustellen, um die zusätzlichen Aufträge zu bewältigen. Umgekehrt will sie bei einem Abschwung Leute entlassen. Erlaubt man ihr diese Flexibilität, schwankt die Beschäftigung mit der Konjunktur. Menschen verlieren zwar hin und wieder ihren Job, finden aber schnell einen neuen. Ihre ökonomische Sicherheit steigt, weil sie nicht vom Wohl und Wehe eines einzelnen Arbeitgebers abhängen. Behindert man die Flexibilität hingegen per Kündigungsschutz, heuern Unternehmen so wenig neue Leute wie möglich an. Die Abhängigkeit der Mitarbeiter von ihrer Firma steigt.
Selbst im Aufschwung wenig neue Stellen
Das Gesetz zwingt Firmen, ihre Kapazität auf einen sicheren Durchschnitt einzustellen, der unter dem Möglichen liegt. Ein Boom bringt wenig neue Stellen. Zudem fällt dieser schwächer aus als in anderen Ländern: Nur ein kleiner Teil der Arbeitsmarktreserve wird mobilisiert, das Wachstum bleibt unter seinem Potenzial. Alles Hoffen auf eine Belebung der Konjunktur ist für den Arbeitsmarkt daher größtenteils eine Illusion.
Wolfgang Clement will den Kündigungsschutz trotz seiner Mängel nicht abschaffen, sondern nur die Flexibilität für Kleinbetriebe erhöhen. Das ist ein kleiner erster Schritt. Damit würde die Koalition zwar eigene Beschlüsse korrigieren - sie hatte den Kündigungsschutz vor vier Jahren noch ausgeweitet. Doch das darf kein Gegenargument sein. Einen Fehler zu beheben, ist keine Schande. Gefährlich ist es nur, ihn zu verleugnen.
Mit keinem anderen Thema hätte Superminister Wolfgang Clement so viel Empörung auslösen können wie mit seiner Anregung, den Kündigungsschutz vorsichtig zu lockern. DGB-Vorsitzender Michael Sommer bedrängte Clement sofort am Handy und kündigte "härtesten Widerstand" an, IG-Metall-Chef Klaus Zwickel sprach vom "Griff in die Klamottenkiste der Vorschläge, die sich längst als wirkungslos erwiesen haben". Beide Gewerkschafter drohten mit Boykott des neuen Bündnisses für Arbeit. Die "Frankfurter Rundschau" forderte den Kanzler auf, Clement zu bremsen, "bevor er mit dem Kopf gegen die Wand rennt". Ähnlich argumentierten viele Medien.
Noch ist Clements Plan nicht durch den Fleischwolf der Demoskopie gedreht worden. Doch man kann sich leicht ausmalen, was die Deutschen antworten, wenn Meinungsforscher sie am Telefon fragen, ob sie für oder gegen eine Lockerung des Kündigungsschutzes sind - eine Mehrheit wird dagegen sein. So oberflächlich funktioniert die hiesige Demokratie: Ein Minister macht einen mutigen Vorschlag, kurz darauf hat der DGB seine Meinung fertig, droht dem Minister am Telefon und prustet seine Position auf einer Pressekonferenz heraus. Wenig später treten die Demoskopen in Aktion und fragen 1000 Bürger vor dem Abendbrot, ob sie gerne gekündigt werden. Das klare Nein bestätigt die gewerkschaftliche Mehrheit der SPD-Bundestagsfraktion in ihrer vorgefassten Meinung - und schon ist der Vorschlag tot.
Kalkulierte politische Rückkopplung
Wenn die 1000 Menschen, bei denen abends das Telefon klingelt, wüssten, welche Verantwortung sie tragen, müsste ihnen schwindelig werden. Sie stimmen über das Schicksal der Volkswirtschaft ab. Dabei sind sie das Opfer einer politischen Maschinerie: Der DGB schießt deswegen so schnell aus allen Rohren, damit er die Meinungen beherrscht, bevor die Umfragen kommen. Wenn sie dann seine Position bestätigen, wertet er sie als Sachbeweis. Dabei sind sie nichts anderes als eine kalkulierte Rückkopplung.
Gegen die Meinungsmacht der Gewerkschaften richtet die Bundesregierung inzwischen kaum noch etwas aus. Wenn es um Wirtschafts- und Sozialpolitik geht, kommen Verdi, DGB, Sommer oder Zwickel in den Medien häufiger vor als Regierungsmitglieder. Nur nutzen die Funktionäre ihr erstklassiges PR-Talent leider nicht zum Vorteil der Menschen, deren Mandat sie wahrnehmen.
Kündigungsschutz an sich kann kein politisches Ziel sein, sondern allenfalls eine Zwischengröße. In erster Linie sollte es den Gewerkschaften darum gehen, die volkswirtschaftliche Beschäftigung zu maximieren und gleichzeitig dem Einzelnen die größtmögliche ökonomische Sicherheit zu geben. Sie müssten ständig auf der Suche nach dem besten Weg sein, der zu diesem Ziel führt. Die Bundesrepublik ist ein Bürgerstaat, der diese Suche aktiv unterstützt. Da Arbeitnehmer auch Konsumenten sind, liegt ihr Wohlergehen sogar im Interesse der Unternehmen. Eigentlich könnte also weitgehende Interessenkongruenz zwischen Staat, Bürgern, Firmen und Gewerkschaften bestehen.
Diese politische Harmonie herrscht in vielen aufstrebenden Ländern wie Irland oder Polen, doch in Deutschland ist sie verloren gegangen. Einer der Hauptgründe ist die geistige Erstarrung der Gewerkschaften, die ihre Suche nach dem besten Weg zu Gunsten einer ideologischen Heilslehre aufgegeben haben. Sie verteidigen den Kündigungsschutz als absolute Größe, obwohl er Arbeitsplätze vernichtet, Wachstum bremst und den Einzelnen in einer Scheinsicherheit wiegt, die nur so lange besteht, bis sein Betrieb an den Rigiditäten scheitert und Konkurs anmeldet.
Der Mechanismus, der zu diesem Ergebnis führt, ist trivial und allgegenwärtig. Jeder Handwerksbetrieb, jeder Industriekonzern kann plastisch schildern, wie er funktioniert: In einem Aufschwung hat jede Firma das Interesse, neue Mitarbeiter einzustellen, um die zusätzlichen Aufträge zu bewältigen. Umgekehrt will sie bei einem Abschwung Leute entlassen. Erlaubt man ihr diese Flexibilität, schwankt die Beschäftigung mit der Konjunktur. Menschen verlieren zwar hin und wieder ihren Job, finden aber schnell einen neuen. Ihre ökonomische Sicherheit steigt, weil sie nicht vom Wohl und Wehe eines einzelnen Arbeitgebers abhängen. Behindert man die Flexibilität hingegen per Kündigungsschutz, heuern Unternehmen so wenig neue Leute wie möglich an. Die Abhängigkeit der Mitarbeiter von ihrer Firma steigt.
Selbst im Aufschwung wenig neue Stellen
Das Gesetz zwingt Firmen, ihre Kapazität auf einen sicheren Durchschnitt einzustellen, der unter dem Möglichen liegt. Ein Boom bringt wenig neue Stellen. Zudem fällt dieser schwächer aus als in anderen Ländern: Nur ein kleiner Teil der Arbeitsmarktreserve wird mobilisiert, das Wachstum bleibt unter seinem Potenzial. Alles Hoffen auf eine Belebung der Konjunktur ist für den Arbeitsmarkt daher größtenteils eine Illusion.
Wolfgang Clement will den Kündigungsschutz trotz seiner Mängel nicht abschaffen, sondern nur die Flexibilität für Kleinbetriebe erhöhen. Das ist ein kleiner erster Schritt. Damit würde die Koalition zwar eigene Beschlüsse korrigieren - sie hatte den Kündigungsschutz vor vier Jahren noch ausgeweitet. Doch das darf kein Gegenargument sein. Einen Fehler zu beheben, ist keine Schande. Gefährlich ist es nur, ihn zu verleugnen.