Lounging macht der Kneipe Konkurrenz

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Lounging macht der Kneipe Konkurrenz

 
02.01.02 11:26
Lounging macht der Kneipe Konkurrenz


Berlin (gms) - Ursprünglich sollten die so genannten Chill-Out-Rooms zur Erholung von der Ekstase auf der Tanzfläche dienen. Bald reifte die Erkenntnis, dass es der vorgeschalteten Strapazen nicht bedarf, um sich bei weichen Drinks auf weichen Couchsesseln wohlzufühlen. So entstand die «Lounge» als selbstständige Einheit - ein Vorraum ohne Fortsetzung, Vor- oder Nachspiel als Hauptprogramm.
Entsprechend gelassen ist die Atmosphäre: Die wichtigen Dinge geschehen außerhalb, hier wird nur gepflegt entspannt, und wenn es die ganze Nacht dauert. Die Lounges haben das Nachtleben der Ballungszentren aufgemischt. Unaufhaltsam scheint der Siegeszug vor allem in Berlin, das bisher als eine Hochburg deutscher Kneipenkultur galt. «Die traditionelle Eckkneipe hat es zunehmend schwer. Die Lounge-Bars haben alle Chancen, zur Eckkneipe der jungen Leute zu werden», so Marc Schnerr, Sprecher des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes in Berlin.



Eine der gefragtesten Anlaufstellen in der Hauptstadt ist die «BarLounge 808» in der Oranienburger Straße. «Ich bin kein Kneipier», stellt Betreiber Bob Young sofort klar. Dabei ist die Gefahr der Verwechslung eher gering, denn welche Kneipe verfügt schon wie das «808» über ein meterlanges Aquarium als Raumteiler? In den Lounge-Bars Berlins dient der belebte Wasserbehälter inzwischen geradezu als Erkennungszeichen, wobei sich nicht immer nur harmlose Zierfische, sondern mitunter auch kleine Haie darin tummeln.



Eine bekannte Berliner Adresse ist mittlerweile auch das «Drei» im Prenzlauer Berg. Furore machte es vor allem durch das Konzept, Bar, Lounge und Restaurant zu verbinden - so erklärt sich auch der Name: «Wir haben festgestellt, dass die Leute nicht mehr nur zum Essen ins Restaurant kommen wollen», so Restaurant-Leiter Arni Siemsen. «Bei uns können sie sich vorher in der Lounge in Stimmung bringen und nachher noch einen Drink an der Bar nehmen.» Auch die Speisekarte folgt dem Prinzip des «easygoing» - gekocht wird kalifornisch.



Dass Lounging das Nachtleben erobert, bleibt auch Trendforschern nicht verborgen. Etwas rätselhaft ist ihnen indessen, wie sich das Phänomen sozialpsychologisch einordnen lässt. Standen die frühen neunziger Jahre im Zeichen des so genannten Cocooning, des radikalen Rückzugs in die Privatsphäre, so macht sich nun eine paradoxe Gegenbewegung geltend: das Private strebt in die Öffentlichkeit, behält aber seinen nach außen hin geschlossen wirkenden Charakter bei. «Man will sich in einer Lounge mit seinesgleichen unterhalten», sagt Francis Müller vom Trendbüro in Hamburg. «Die Polstergruppen werden so um die Tische formiert, dass Grüppchen unter sich bleiben können. Nicht wenige Lounges haben auch schon ein 'Club' im Namen. Das signalisiert Privatsphäre, Abgrenzung nach außen.»



Der etwas zwiespältige Charakter des Trends kommt auch in einer gegenläufigen Entwicklung zum Ausdruck: Das Wohnzimmer, eben noch die Fluchtburg des gestressten Großstädters, wird zur Empfangshalle. Lounge-Möbel haben Konjunktur - bei den Sofas sind dabei klare und kantige Formen gefragt, Auch auf die Musik aus der Lounge braucht man in den eigenen vier Wänden nicht zu verzichten. Inzwischen gibt es CDs, die den meist von DJs angerührten Stilmix ins Heim bringen: Jazz, Latin, Funk, Soul und Techno sind seine variablen Zutaten.



«feeling: good» fasst etwa ein neuer CD-Reihentitel von BMG die Wirkung der zum Lounging gehörenden Klangtapete zusammen. Ob das auch für die Fische im Aquarium des «808» in Berlin gilt, ist aber fraglich. Der Geräuschpegel ist trotz der allgemeinen Entspannung so hoch, dass gelegentlich leichte Schockwellen durchs Wasser zucken.

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