http://www.ariva.de/9658_PTT_Trading_19_KW_t328750?page=0#bottom*Konkurrenz durch Anleihen
Als Anlage-Instrument stehen Aktien nämlich in direkter Konkurrenz zu einer anderen Asset-Klasse: den Anleihen. Und - was viele Investoren nicht wissen - auch Anleihen haben ein KGV. Schließlich ist das KGV nichts anderes als eine Kennzahl, die angibt, wie viele Jahre es dauert, bis eine Anlage durch Erträge (bei Unternehmen sind das eben die Gewinne und bei Anleihen die Zinsen) ihren Kaufpreis wieder "eingespielt" hat.
Nehmen wir also an, eine Anleihe rentiert mit 3,5 Prozent jährlich. Dann liegt das KGV bei 28,6. Oder anders ausgedrückt: In gut 28 Jahren hat das Investment seinen Kapitaleinsatz "verdient".
Derzeit liegt die Anleihen-Rendite in Europa "grob übern Daumen gepeilt" durchschnittlich (je nach Laufzeit und Bonität des Schuldners gibt es bekanntlich große Unterschiede) bei etwa fünf Prozent jährlich und das Renten-KGV somit bei 20. Wenn ich bedenke, dass Anleihen vor einigen Jahren noch KGV von 40 aufwiesen, muss ich konstatieren: Rentenpapiere sind aktuell ziemlich günstig und stellen daher eine gar nicht einmal uninteressante Alternative zu Aktien dar.
Einige von Ihnen mögen nun vielleicht denken: Ein KGV von 20 ist doch eigentlich relativ hoch. Für Dividenden-Papiere vermag ich dieser Aussage nicht zu widersprechen. Bei Anleihen jedoch rechtfertigt die erheblich höhere Sicherheit ein signifikant höheres KGV. Als Leitlinie lässt sich sagen, dass eine vergleichbare Bewertung vorliegt, wenn das Renten-KGV doppelt so hoch wie das Aktien-KGV ist.
Durch diese "Brille" betrachtet kann von einer eklatanten Unterbewertung insbesondere europäischer Aktien keine Rede sein. Dies wäre erst dann der Fall, wenn die Zinsen massiv gesenkt werden würden, weil dadurch das Renten-KGV ansteigt. Zumindest in Euroland gibt es hierfür derzeit jedoch noch keine wirklichen Signale. Und genau aus diesem Grund kann ich mir bis auf weiteres keine "Super-Rallye" an den Aktienmärkten vorstellen.
*Günstige Bewertung ja, aber...
Genauso wenig erwarte ich allerdings einen ausgeprägten Crash. Dafür sind die Aktienbewertungen schließlich auch unter Berücksichtigung des Renten-KGV einfach zu günstig. Im DAX haben wir beispielsweise momentan auf Basis der 2009er-Schätzungen ein KGV von nicht einmal elf. Im historischen Vergleich ist das trotz der beachtlichen Kurs-Steigerungen seit 2003 geradezu spektakulär günstig. Großartig Raum für fallende Kurse besteht meiner Einschätzung daher eher nicht.
Auch die teilweise überaus üppige Ausschüttungsquote (Dividenden-Rendite) zwischen drei und fünf Prozent bietet eine solide Unterstützung für die Kurse. Teilweise liegt die Dividenden-Rendite sogar deutlich über dem Zinsniveau und steigert dadurch tendenziell die Attraktivität von Aktien. Ausgehend vom "status quo" sind Unternehmensbeteiligungen damit alles andere als schlechte Investments.
*... nur, wenn Prognosen erfüllt werden
Nichtsdestotrotz sollten Sie sich immer darüber im Klaren sein, dass es sich bei den Gewinn-Prognosen lediglich um Schätzungen handelt und Dividenden - anders als Zinszahlungen - auch ohne Insolvenz gerne einmal ausfallen. Insofern mögen Aktien aktuell zwar durchaus günstig sein, aber eben nur, wenn die Vorhersagen mindestens getroffen werden.
Wie kräftig es bei Bekanntgabe schlechter Zahlen abwärts gehen kann, konnten Sie unlängst unter anderem bei General Eletric oder Nokia beobachten. Bislang jedoch hat es nicht den Anschein, dass sich derartige Ereignisse zu einem "Flächenbrand" ausweiten.
Von den 260 S&P-500-Unternehmen, die ihre Ergebnisse für das erste Quartal bislang veröffentlich haben, übertrafen 63 Prozent die Gewinn-Erwartungen. Nur jedes vierte Unternehmen schnitt schlechter ab als prophezeit. Abgesehen von den Banken konnten nahezu alle anderen Branchen die Gewinne steigern. So etwas lese ich als Aktionär richtig gerne.
Ich bin deshalb durchaus zuversichtlich, dass in 2008 noch kein allzu großes Ungemach seitens der "Zahlenfront" droht. Der überwiegende Teil der Unternehmen dürfte meiner Einschätzung nach für das laufende Jahr erfreuliche Ergebnisse vermelden. Jedoch wird es zweifellos auch das eine oder andere "schwarze Schaf" geben. Von daher ist ein qualitativ hochwertiges "Stockpicking" in der derzeitigen Situation von größter Wichtigkeit.
Autor:Marc Nitzsche,
Chefredakteur