Scheinbar besteht da kein Zusammenhang, aber er besteht doch, denn Internet Capital ist an einem der bedeutendsten IT-Outsourcer Chinas beteiligt, Freeborders. Das ist eine US-chinesische Unternehmung mit 100 Beschäftigten in den USA und Europa und inzwischen 600 Beschäftigen in Shenzen. Das ist gegenüber den indischen Riesen noch nicht sehr viel, aber doch schon etwas - und auch eine Tata, Infosyss oder Wipra haben einmal klein angefangen. Und so klein ist Freeborders jetzt schon nicht mehr - 300 bis 500 Marktkapitalisierung traue ich denen bei einem Börsengang durchaus zu.
Bangalore, die indische Hochburg für Softwareentwicklung
Indien
Das große Ärgernis Bangalore
06. Januar 2006 Das Oberoi Hotel in der indischen Computermetropole Bangalore nimmt 440 Dollar die Nacht für ein Standardzimmer zur Straße. Ohne Frühstück. Um den Schmerz zu lindern, liegt ein Rosenblatt auf dem Handtuch im Badezimmer.
Dafür kostet die Internet-Anbindung in der indischen Metropole der Informationstechnologie 800 Rupien (14,99 Euro) - im Rest des Landes ist man für 500 Rupien 24 Stunden im Netz. Die Hotels in Bangalore können sich den Nepp leisten, weil die Nachfrage nach Betten das Angebot deutlich übersteigt.
Ein Software-Zentrum in der Nähe von Bangalore
Sie können sich sogar noch mehr leisten. Am Flugplatz steht Amidal, der Fahrer, in heikler Mission. Unter dem Arm hält er eine in pinkfarbene Aluminiumfolie eingewickelte Flasche Wein. Ein Willkommensgeschenk für den Gast? „Nicht ganz”, sagt Amidal. „Wir sind überbucht. Wir müssen ihn in ein anderes Haus auslagern. Das aber hat nicht fünf Sterne, wie er gebucht hat, sondern nur drei.” Nicht nur für Besucher ist Bangalore längst zum Ärgernis geworden. „Being Bangalored” ist inzwischen ein geflügeltes Wort in Indien dafür, ausgebremst zu werden, nicht voranzukommen.
„Die Lage bessert sich nicht”
Die einst „Grüne Stadt” Indiens, die, aus der Luft betrachtet, immer noch erstaunlich viele Bäume zeigt, wird zum Moloch, wenn man auf dem Boden der Tatsachen gelandet ist. Viel zu schnell ist Bangalore groß geworden. Die Elite der internationalen Softwareentwicklung, eine Fülle von Telefondienstleistern und immer mehr Entwicklungshäuser wie etwa diejenigen von General Electric oder Daimler-Chrysler sind in die indische Metropole gezogen. Mehr als 1.500 Technologieunternehmen aus der ganzen Welt sitzen hier. Ihren Ansprüchen indes genügen die Rahmenbedingungen längst nicht mehr.
Der Flughafen des vermeintlichen Silicon Valley Indiens verdient den Namen nicht. Er ist ein Rollfeld mit angeschlossenem Hangar, in dem sich Passagiere und Zollbeamte gegenseitig das Leben schwermachen. Da die Fluggesellschaften keinen Platz für Lounges finden, gibt der Mann am Schalter von Singapore Airlines verschämt einen Gutschein für ein Heißgetränk aus. Abzuholen am Kiosk Coffee Day.
Zwölf Hotels, unter anderen von Hilton und Kempinski, sind in Planung. Weil der aber niemand traut, bauen die Großunternehmen längst eigene Gästehäuser. So sparen ihre eingeflogenen Mitarbeiter Geld, aber auch Zeit: Die Fahrt durch die Stadt zum Arbeitsort kann heute spielend zwei Stunden dauern - wenn die Stadt aufgrund eines mangelhaften Abwassersystems nicht im Monsun vollkommen überflutet ist. „Die Lage bessert sich nicht, deshalb blicken wir inzwischen über den Standort Bangalore hinaus”, sagt Azim Premji, als Chef der Softwareschmiede Wipro eine der Symbolfiguren des indischen Aufschwungs.
„Unsere Warnungen stoßen auf taube Ohren”
Der Niederländer Bob Hoekstra, CEO von Philipps Software in Bangalore, sagt rundheraus, das Chaos bringe seine Investitionen in Gefahr. Kiran Mazumdar Shaw, als Gründerin des Pharmaunternehmens Biocon eine der bekanntesten Geschäftsfrauen Indiens, resigniert: „Wir haben uns heiser gebrüllt - aber unsere Warnungen stoßen auf taube Ohren.” Für Smitha Rao von der Tageszeitung Times of India ist das Fazit von zehn Jahren Boom in Bangalore erschreckend: „Versprechen, nichts als Versprechen. Seit Jahren hören wir vom Bau einer U-Bahn, von einem neuen internationalen Flughafen, breiteren Straßen, einem integrierten Verkehrsnetz und natürlich einer Stadt, in der die Besten in der besten Umgebung leben können. All diese Versprechen sind nichts als eine Fata Morgana.”
Natürlich gibt es Profiteure der Lage: Dazu zählen neben den Hotels die Immobilienunternehmer, die dem jungen Mittelstand das Leben zumindest durch neue Luxusappartements versüßen wollen. Die Bevölkerung Bangalores soll sich bis 2015 auf 10 Millionen verdoppeln. Eine Million Dollar kann eine solche Wohnung heute leicht kosten. Zu den Gewinnern aber zählen auch die Bangalore-Konkurrenten, in erster Linie Kalkutta und Hyderabad. Schon zelebrieren die indischen Zeitungen genüßlich eine „Schlacht zwischen Hyderabad und Bangalore” um Auslandsinvestitionen.
Als N. R. Naranyana Murthy, geachteter Chairman des Softwareunternehmens Infosys, vom Posten des Leiters des Komitees für den Bau eines neuen Flughafens in Bangalore im Herbst weggemobbt wurde, wollte ihn Hyderabad mit offenen Armen aufnehmen. Auch Kalkutta ist längst nicht mehr nur als Armenhaus, sondern zunehmend dank Hochtechnologiekonzernen bekannt, die sich hier ansiedeln - trotz einer kommunistischen Regierung. „Die Chancen der anderen Städte sind das Versagen Bangalores”, heißt es in der Times.
„Die indischen Politiker verharren im 19. Jahrhundert”
Die Wellen schlagen besonders hoch, nachdem Ende vergangener Woche auch noch ein Professor auf dem Campus des Indian Institute of Science in Bangalore möglicherweise von einem Terroristen erschossen worden ist. Wenige Wochen zuvor war die Mitarbeiterin eines Call-Centers vergewaltigt worden. Damit hat das Mekka des jungen Indien seine Unschuld verloren: Nicht einmal die Sicherheit scheint die Regierung in der Vorzeigestadt garantieren zu können. Landesvater Dharam Singh erklärte inzwischen, der Polizeischutz für Bio- und Informationstechnologie-Unternehmen werde verstärkt.
Aroon Purie, Chefredakteur der Zeitschrift India Today, nennt Roß und Reiter der Krise Bangalores: „Die Industrie hat ihre Versprechen erfüllt. Sie hat Arbeitsplätze geschaffen, Dollar ins Land gebracht, globale Standards verfestigt. Es sind diejenigen, die Bangalore regieren, die versagt haben. Die indischen Politiker verharren im 19. Jahrhundert, während wir im 21. leben wollen.” Er spricht vom Fall der Stadt.
Auch wenn es so weit nicht kommt, ist eine deutliche Orientierung der Industrie hin zu anderen Standorten zu spüren. So zynisch es angesichts der Lage in Bangalore klingt, kommt sie damit letztlich einem Ansinnen der Regierung nach: Die nämlich ist bestrebt, den Aufschwung breiter im Subkontinent zu streuen. In den vergangenen Jahren war Bangalore Aushängeschild für das junge, aufstrebende Indien. Kenner des Landes fürchten, Bangalore könne noch einmal Symbol Indiens werden: dann nämlich, wenn das gesamte Land seine enormen Infrastrukturdefizite nicht in den Griff bekommt. Indiens Finanzminister Palaniappan Chidambaram forderte schon einen „Killerinstinkt”: „Wir müssen unsere Infrastrukturprojekte endlich mit der gleichen Entschlossenheit angehen wie die Chinesen.”
Text: che., F.A.Z., 07.01.2006, Nr. 6 / Seite 14
Bildmaterial: AP, picture-alliance/ dpa/dpaweb
Bangalore, die indische Hochburg für Softwareentwicklung
Indien
Das große Ärgernis Bangalore
06. Januar 2006 Das Oberoi Hotel in der indischen Computermetropole Bangalore nimmt 440 Dollar die Nacht für ein Standardzimmer zur Straße. Ohne Frühstück. Um den Schmerz zu lindern, liegt ein Rosenblatt auf dem Handtuch im Badezimmer.
Dafür kostet die Internet-Anbindung in der indischen Metropole der Informationstechnologie 800 Rupien (14,99 Euro) - im Rest des Landes ist man für 500 Rupien 24 Stunden im Netz. Die Hotels in Bangalore können sich den Nepp leisten, weil die Nachfrage nach Betten das Angebot deutlich übersteigt.
Ein Software-Zentrum in der Nähe von Bangalore
Sie können sich sogar noch mehr leisten. Am Flugplatz steht Amidal, der Fahrer, in heikler Mission. Unter dem Arm hält er eine in pinkfarbene Aluminiumfolie eingewickelte Flasche Wein. Ein Willkommensgeschenk für den Gast? „Nicht ganz”, sagt Amidal. „Wir sind überbucht. Wir müssen ihn in ein anderes Haus auslagern. Das aber hat nicht fünf Sterne, wie er gebucht hat, sondern nur drei.” Nicht nur für Besucher ist Bangalore längst zum Ärgernis geworden. „Being Bangalored” ist inzwischen ein geflügeltes Wort in Indien dafür, ausgebremst zu werden, nicht voranzukommen.
„Die Lage bessert sich nicht”
Die einst „Grüne Stadt” Indiens, die, aus der Luft betrachtet, immer noch erstaunlich viele Bäume zeigt, wird zum Moloch, wenn man auf dem Boden der Tatsachen gelandet ist. Viel zu schnell ist Bangalore groß geworden. Die Elite der internationalen Softwareentwicklung, eine Fülle von Telefondienstleistern und immer mehr Entwicklungshäuser wie etwa diejenigen von General Electric oder Daimler-Chrysler sind in die indische Metropole gezogen. Mehr als 1.500 Technologieunternehmen aus der ganzen Welt sitzen hier. Ihren Ansprüchen indes genügen die Rahmenbedingungen längst nicht mehr.
Der Flughafen des vermeintlichen Silicon Valley Indiens verdient den Namen nicht. Er ist ein Rollfeld mit angeschlossenem Hangar, in dem sich Passagiere und Zollbeamte gegenseitig das Leben schwermachen. Da die Fluggesellschaften keinen Platz für Lounges finden, gibt der Mann am Schalter von Singapore Airlines verschämt einen Gutschein für ein Heißgetränk aus. Abzuholen am Kiosk Coffee Day.
Zwölf Hotels, unter anderen von Hilton und Kempinski, sind in Planung. Weil der aber niemand traut, bauen die Großunternehmen längst eigene Gästehäuser. So sparen ihre eingeflogenen Mitarbeiter Geld, aber auch Zeit: Die Fahrt durch die Stadt zum Arbeitsort kann heute spielend zwei Stunden dauern - wenn die Stadt aufgrund eines mangelhaften Abwassersystems nicht im Monsun vollkommen überflutet ist. „Die Lage bessert sich nicht, deshalb blicken wir inzwischen über den Standort Bangalore hinaus”, sagt Azim Premji, als Chef der Softwareschmiede Wipro eine der Symbolfiguren des indischen Aufschwungs.
„Unsere Warnungen stoßen auf taube Ohren”
Der Niederländer Bob Hoekstra, CEO von Philipps Software in Bangalore, sagt rundheraus, das Chaos bringe seine Investitionen in Gefahr. Kiran Mazumdar Shaw, als Gründerin des Pharmaunternehmens Biocon eine der bekanntesten Geschäftsfrauen Indiens, resigniert: „Wir haben uns heiser gebrüllt - aber unsere Warnungen stoßen auf taube Ohren.” Für Smitha Rao von der Tageszeitung Times of India ist das Fazit von zehn Jahren Boom in Bangalore erschreckend: „Versprechen, nichts als Versprechen. Seit Jahren hören wir vom Bau einer U-Bahn, von einem neuen internationalen Flughafen, breiteren Straßen, einem integrierten Verkehrsnetz und natürlich einer Stadt, in der die Besten in der besten Umgebung leben können. All diese Versprechen sind nichts als eine Fata Morgana.”
Natürlich gibt es Profiteure der Lage: Dazu zählen neben den Hotels die Immobilienunternehmer, die dem jungen Mittelstand das Leben zumindest durch neue Luxusappartements versüßen wollen. Die Bevölkerung Bangalores soll sich bis 2015 auf 10 Millionen verdoppeln. Eine Million Dollar kann eine solche Wohnung heute leicht kosten. Zu den Gewinnern aber zählen auch die Bangalore-Konkurrenten, in erster Linie Kalkutta und Hyderabad. Schon zelebrieren die indischen Zeitungen genüßlich eine „Schlacht zwischen Hyderabad und Bangalore” um Auslandsinvestitionen.
Als N. R. Naranyana Murthy, geachteter Chairman des Softwareunternehmens Infosys, vom Posten des Leiters des Komitees für den Bau eines neuen Flughafens in Bangalore im Herbst weggemobbt wurde, wollte ihn Hyderabad mit offenen Armen aufnehmen. Auch Kalkutta ist längst nicht mehr nur als Armenhaus, sondern zunehmend dank Hochtechnologiekonzernen bekannt, die sich hier ansiedeln - trotz einer kommunistischen Regierung. „Die Chancen der anderen Städte sind das Versagen Bangalores”, heißt es in der Times.
„Die indischen Politiker verharren im 19. Jahrhundert”
Die Wellen schlagen besonders hoch, nachdem Ende vergangener Woche auch noch ein Professor auf dem Campus des Indian Institute of Science in Bangalore möglicherweise von einem Terroristen erschossen worden ist. Wenige Wochen zuvor war die Mitarbeiterin eines Call-Centers vergewaltigt worden. Damit hat das Mekka des jungen Indien seine Unschuld verloren: Nicht einmal die Sicherheit scheint die Regierung in der Vorzeigestadt garantieren zu können. Landesvater Dharam Singh erklärte inzwischen, der Polizeischutz für Bio- und Informationstechnologie-Unternehmen werde verstärkt.
Aroon Purie, Chefredakteur der Zeitschrift India Today, nennt Roß und Reiter der Krise Bangalores: „Die Industrie hat ihre Versprechen erfüllt. Sie hat Arbeitsplätze geschaffen, Dollar ins Land gebracht, globale Standards verfestigt. Es sind diejenigen, die Bangalore regieren, die versagt haben. Die indischen Politiker verharren im 19. Jahrhundert, während wir im 21. leben wollen.” Er spricht vom Fall der Stadt.
Auch wenn es so weit nicht kommt, ist eine deutliche Orientierung der Industrie hin zu anderen Standorten zu spüren. So zynisch es angesichts der Lage in Bangalore klingt, kommt sie damit letztlich einem Ansinnen der Regierung nach: Die nämlich ist bestrebt, den Aufschwung breiter im Subkontinent zu streuen. In den vergangenen Jahren war Bangalore Aushängeschild für das junge, aufstrebende Indien. Kenner des Landes fürchten, Bangalore könne noch einmal Symbol Indiens werden: dann nämlich, wenn das gesamte Land seine enormen Infrastrukturdefizite nicht in den Griff bekommt. Indiens Finanzminister Palaniappan Chidambaram forderte schon einen „Killerinstinkt”: „Wir müssen unsere Infrastrukturprojekte endlich mit der gleichen Entschlossenheit angehen wie die Chinesen.”
Text: che., F.A.Z., 07.01.2006, Nr. 6 / Seite 14
Bildmaterial: AP, picture-alliance/ dpa/dpaweb