Krise?

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Krise?

 
24.03.02 20:19
Nicht die Abstimmung im Bundesrat ist der Skandal, sondern die Haltung der Union zur Zuwanderung.

Je knapper ein Rennen ausgeht, desto höher fliegen die Emotionen. So auch nach der Abstimmung zum Zuwanderungsgesetz im Bundesrat. Kaum hatte Ratspräsident Klaus Wowereit die zerstrittenen Brandenburger als "Ja"-Stimme gewertet, sprachen Politiker und Medien von einer Verfassungskrise. Ein maßloser Vorwurf. Krisen sind Situationen, in denen nicht mehr sicher ist, ob ein System ein Problem mit Mitteln lösen kann, die innerhalb des Systems legal sind. Daran besteht in diesem Fall aber kein Zweifel. Natürlich wird das Problem verfassungstreu gelöst werden. Also gibt es keine Krise.

Auch der zweite Vorwurf wird sich schnell als haltlos erweisen: Wowereit habe bewusst die Verfassung gebrochen, indem er die Abstimmungsregeln manipuliert habe. Diese Kritik ist unfair. Nach dem Grundgesetz müssen die Länder ihre Stimmen im Bundesrat im Block abgeben. Als Versammlungsleiter hat Wowereit Brandenburg korrekt aufgerufen, bekam dann aber von zwei anwesenden Landesministern - einer davon Jörg Schönbohm - unterschiedliche Antworten.

Es blieb dem Versammlungsleiter nichts anderes übrig, als den brandenburgischen Ministerpräsidenten Manfred Stolpe um Klarstellung zu bitten. Nach der Verfassung des Landes Brandenburg vertritt der Ministerpräsident dieses nach außen. In den Potsdamer Koalitionsverträgen zwischen SPD und CDU ist das zwar komplizierter geregelt, aber darauf hat ein Bundesratspräsident nicht zu achten. Auf Wowereits Nachfrage hat Stolpe eine klare Antwort gegeben: "Ja". Diese hat Wowereit dann als "Ja"-Stimme gewertet.

Keine vorsätzliche Manipulation

Ob beim offenen Dissens eines Landes im Bundesrat die Stimme des Ministerpräsidenten den Ausschlag gibt, ist eine komplizierte verfassungsrechtliche Frage. Es wird einige Zeit dauern, bis sich die juristische Abteilung des Bundespräsidenten, bei dem das Gesetz nun zur Unterschrift liegt, eine Meinung dazu bildet. Vielleicht lässt das Grundgesetz hier eine Lücke, die nur durch einen Spruch des Verfassungsgerichts oder durch eine Verfassungsänderung geschlossen werden kann. Wie auch immer diese Diskussion ausgeht: Niemand kann Klaus Wowereit vorwerfen, das juristische Problem am Freitag nicht ad hoc perfekt gelöst zu haben. Selbst wenn das Verfassungsgericht seine Entscheidung aufheben sollte - die Abstimmung hat er nicht vorsätzlich manipuliert.

Also keine Verfassungskrise und auch kein Wahlbetrug. Sondern lediglich ein juristischer Disput um ein Detail des Grundgesetzes. Sobald sich diese Einsicht durchgesetzt hat, wird der Blick frei für die politische Dimension dessen, was am Freitag geschehen ist: Wieder einmal ist Deutschland an der Lösung einer wichtigen Zukunftsfrage gescheitert.

Ob das Gesetz nun in Kraft tritt oder nicht - eine klare Mehrheit für eine vernünftige Zuwanderung gibt es nicht. Das liegt an der unheilvollen Rolle von CDU und CSU. Politiker wie Hessens Ministerpräsident Roland Koch und Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm sind viel zu intelligent, um die Dimension des Problems nicht zu begreifen. Ohne Zuwanderung läuft Deutschland schnurstracks auf die größte demografische und damit wirtschaftliche Krise seiner Nachkriegsgeschichte zu. Ohne Zuwanderung schrumpft die Bevölkerung in den nächsten Jahrzehnten womöglich um 20 auf rund 60 Millionen Einwohner.

Ein Viertel weniger Konsumenten

Was das zum Beispiel für die Immobilienmärkte heißt, kann man sich leicht ausmalen: 25 Prozent weniger Nachfrage bei nicht reduzierbarem Angebot löst automatisch einen Preisrutsch aus. Immobilien bilden einen großen Bilanzposten von Privatleuten und Unternehmen, vor allen Dingen von Banken und Versicherungen. Sie müssen ihren Immobilienbesitz zwangsläufig abwerten. Die Krise wird jede einzelne Bilanz berühren.

Fast alle anderen Branchen werden mitleiden. 25 Prozent weniger Konsumenten lassen kein Unternehmen kalt. Am härtesten trifft es die öffentlichen Sicherungssysteme. Kranken-, Sozial- und Arbeitslosenversicherung landen entweder im Bankrott oder müssen ihre Leistungen massiv einschränken.

Wie können CDU/CSU angesichts dieser Lage gegen ein intelligentes Zuwanderungsgesetz sein? Es sind zwei Gründe. Einerseits fürchten sich Teile der Basis vor "Überfremdung", weil sie bisher vor allem unqualifizierte Fluchtzuwanderung erlebt haben. Diesen Menschen klarzumachen, dass qualifizierte Einwanderung nach dem Modell von Australien, Neuseeland oder Kanada etwas völlig anderes ist, wäre Aufgabe der führenden Unionspolitiker gewesen. Doch stattdessen schüren Leute wie Koch und Schönbohm die Ressentiments weiter, gegen besseres Wissen.

Andererseits - und das ist der zweite, wichtigere Grund - will die Union aus wahltaktischen Gründen kein erfolgreiches Zuwanderungsgesetz von Rot-Grün. Die Köpfe von CDU und CSU sagen im Hintergrundgespräch offen, dass sie nach einer gewonnenen Wahl ein eigenes Gesetz verabschieden würden, das dem jetzigen sehr ähnlich sein dürfte. Auf dieses halbe oder ganze Jahr komme es nun auch nicht mehr an, sagen sie.

Doch das ist ein Irrtum. Es kommt auf jeden Monat an. Die Blockadepolitik der Union ist so schädlich wie damals die von Lafontaine. Genau dieses kurzsichtige Taktieren ist es, das dem Land am meisten schadet.

Gruß
Happy End
ftd.de
 


Schnorrer:

Blödsinn. Die SPD ist an allem schuld. Warum?

 
24.03.02 20:24
Keine Ahnung, wen interessieren schon noch Arugumente,


In diesem Sinne.
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