Vor zwei Jahren fiel Mannesmann an Vodafone. Der Traditionskonzern wurde zerlegt - und liefert heute ein abschreckendes Beispiel für Restrukturierungsfälle.
Misslungene Metamorphose: Der Fall Mannesmann / Vodafone liefert ein abschreckendes Beispiel für die Architekten der neuen Deuschland AG
Das Ende der Mannesmann AG war längst besiegelt, da wurde immer noch gerungen um die Sparte Historie. Wohin mit 10.000 Regalmetern Akten und Dokumenten? Was tun mit 10.000 Filmen und drei Millionen Fotos, die nun zu einem untergegangenen Unternehmen gehörten?
Dem Wirtschaftsarchiv drohte das Aus. Doch dann kam Rettung, das gute Stück deutscher Industriegeschichte schlüpfte bei der Salzgitter AG unter. Das niedersächsische Stahlunternehmen hatte einen Teil von Mannesmann, die Röhrenwerke, gekauft; die Chronik wechselte mit.
Die Geschichte lebt; der Konzern ist tot. Post mortem hat Mannesmann nur noch eine Funktion: als abschreckendes Beispiel für künftige Restrukturierungsfälle zu dienen.
Und davon gibt es reichlich: Verkorkste Konglomerate wie MG Technologies oder MAN, über deren Zerlegen und Zerteilen fast börsentäglich spekuliert wird; von Anlegern verschmähte Mischkonzerne wie Babcock oder ThyssenKrupp.
Eine gewaltige Umwälzung zeichnet sich ab. Corporate Germany erfindet sich neu. Diskret nehmen Großaktionäre wie der Versicherungsriese Allianz und die Deutsche Bank Traditionsunternehmen auseinander und setzen sie neu zusammen, vorerst auf dem Papier.
Viele Fragen sind noch ungeklärt, viele Konzepte noch nicht ausgereift; in einem aber besteht Einvernehmen zwischen den Umschichtern: Diesmal soll alles anders laufen - besser als dereinst bei Mannesmann.
Die Auflösung des deutschen Vorzeigekonzerns konnten die Restrukturierer hautnah verfolgen. Da wurden Verträge nicht eingehalten, erfolgreiche Marken zu Grunde gerichtet, Wettbewerbsvorteile verspielt und Firmen so lange hin- und hergeschoben, bis sie nirgendwo mehr hineinpassten.
Der Fall Mannesmann, die misslungene Metamorphose eines Industriegiganten - zum Nachahmen nicht empfohlen.
Chris Gent hatte offensichtlich Wichtigeres vor am 5. Juni 2000. Wegen "Terminkollisionen" fehlte der Vodafone-Chef auf der ersten Hauptversammlung von Mannesmann nach seiner Machtübernahme - und das als Gastgeber und Aufsichtsratsvorsitzender.
Zum Haareraufen: Großflächig wirbt Vodafone für den Markenwechsel im Mobilfunk und für die Festnetzfirma Arcor. Doch die deutsche Kundschaft folgt nur zögerlich.
Die Arroganz der Macht ließ der Brite die Deutschen auch fortan spüren. Ohne Rücksicht auf bestehende Markenwerte und bessere Konzepte drückte Gent ihnen die Strategie des Siegers auf.
Mit fatalen Folgen. Zwei Jahre nach der Übernahme ist die Mannesmann-Telefonsparte in einem bedenklichen Zustand. D2, das einstige Juwel des deutschen Mobilfunks, hat seine Strahlkraft eingebüßt. Und die Festnetzgesellschaft Arcor kommt nicht voran: Börsengang oder Verkauf - die Mitarbeiter wissen heute nicht, wem sie morgen gehören.
Gent zwang die Düsseldorfer, den Markennamen Mannesmann D2 durch Vodafone zu ersetzen. Keine gute Idee. Bei den diesjährigen mm-Imageprofilen belegte D2 Vodafone weit abgeschlagen nur Rang 102. Noch vor zwei Jahren hatte das Unternehmen auf Platz 7 rangiert und den Branchensieger in der Telekommunikation gestellt. Einen vergleichbaren Ansehensverlust erlitten nur die Skandalfirmen Philipp Holzmann und Bankgesellschaft Berlin.
Hauptgrund für den Rufschaden, so vermuten Markenexperten: Vodafone wird den Geruch des Firmenschlachters nicht los.
D2-Chef Jürgen von Kuczkowski hat es geahnt: Eineinhalb Jahre lang stemmte sich der Regionalfürst gegen die Übernahme des Vodafone-Logos. Folge: eine verwirrende Zwei-Marken-Strategie. Den Slogan "D2 - live dabei" verbreiteten die Düsseldorfer noch, als die Briten in deutschen TV-Spots längst für die Marke Vodafone warben. In wenigen Wochen wird aus D2 endgültig Vodafone.
Ferngesteuert vom englischen Newbury aus, verlor D2 den alten Pioniergeist - und die Marktführerschaft gleich mit. Der Wegbereiter der mobilen Datenkommunikation in Deutschland setzt kaum noch technische Trends; mittlerweile zählt der einst so biedere Konkurrent T-Mobile rund 1,2 Millionen Kunden mehr als D2.
Besonders enttäuschend fiel das letzte Weihnachtsquartal aus. Während T-Mobile 526.000 zusätzliche Kunden in Deutschland gewann, schaffte D2 Vodafone nur 37.000.
Im Festnetzgeschäft profitiert die Deutsche Telekom ebenfalls von der Schwäche ihres Wettbewerbers. Seitdem Arcor einen britischen Großaktionär hat, geht der Netzausbau nur noch schleppend voran, stagniert der Umsatz. Die Zweitmarke Otelo wurde aufgegeben; 500 bis 1000 der knapp 5000 Arcor-Stellen werden in diesem Jahr wohl gestrichen.
Fazit: Die Mannesmann-Telefonsparte hat unter dem neuen Eigner bislang arg gelitten. In einer Branche, in der vor allem Glanz und Renommee zählen, funktioniert die harte Übernahmetour nicht.
Auch im Fall des Mannesmann-Teilkonzerns Atecs ging die Transformation gründlich daneben. Bei Atecs waren die Maschinenbauunternehmen und Autozulieferer zusammengefasst, die zum weiten Mannesmann-Reich gehörten.
Zerstäuber: Was Siemens aus dem Maschinen- und Autozulieferkonzern machte
Mal versahen die Restrukturierer ihr Werk hastig und unüberlegt, mal zermürbten sie die Mitarbeiter durch irrwitzige Eigentümerwechsel.
Vieles, was von dem Konglomerat mit einst 90.000 Beschäftigten übrig blieb, schwächelt heute. Etwa die bei Siemens integrierten Atecs-Sparten Dematic (Automatisierung) und VDO (Autoelektronik).
Der neu formierte Autozulieferer Siemens VDO schreibt tiefrote Zahlen; 5000 Arbeitsplätze werden demnächst verlagert oder gänzlich abgebaut. Ein Flop, der jetzt auch Folgen für das Management hat: Firmenchef Franz Wressnigg (58) wurde in den Aufsichtsrat gelobt.
Nach außen gibt sich Siemens hochzufrieden. Die Automobiltechnik des Konzerns und VDO würden aufs Beste zusammenpassen, heißt es; das Ergebnisminus sei ausschließlich auf die schlechte Marktlage zurückzuführen.
Keine Managementprobleme also, keinerlei Integrationsschwierigkeiten? Zweifel sind angebracht.
Dabei hätte womöglich alles gut werden können. Das von Mannesmann-Chef Klaus Esser verfolgte Projekt eines Börsengangs der Atecs-Gruppe versprach jährliche Wachstumsraten von 8 bis 9 Prozent.
Doch Mannesmann-Übernehmer Gent zeigte wenig Interesse an unternehmerischen Visionen. Umso mehr dafür an Geld. Das bot ihm erst der damalige ThyssenKrupp-Chef Gerhard Cromme, später auch das Gespann Heinrich von Pierer (Siemens)/Hermann Scholl (Bosch) - und zwar reichlich: 9,6 Milliarden Euro.
Siemens war 1991 im Bieterwettstreit um VDO der Mannesmann AG unterlegen. Durch den Erwerb von Atecs konnte der Münchener Elektromulti die frühere Schmach tilgen und ein weiteres Konzerngeschäftsfeld aufbauen.
Finanzvorstand Heinz-Joachim Neubürger warnte, wollte die Akquisition durch einen raschen Börsengang gleich wieder loswerden. Doch der Manager, Befürworter eines schlanken, fokussierten Unternehmens, scheiterte an der übermächtigen Konglomeratsfraktion in der Siemens-Führung.
Das Ansinnen Neubürgers war obendrein nicht kompatibel mit den Vorstellungen der deutschen Automobilindustrie, im Mannesmann Aufsichtsgremium vertreten durch Daimler-Lenker Jürgen Schrempp und VW-Aufsichtsratschef Klaus Liesen. Ihr Interesse: ein zweiter großer deutscher Autozulieferer, ebenso stark und uneinnehmbar durch ausländische Unternehmen wie Branchenmeister Bosch.
Am Ende blieb VDO zwar deutsch. Doch wurde unter der Obhut des Siemens-Verbunds kein ernsthafter Bosch-Rivale geschaffen.
Anderen Atecs-Teilen erging es sogar noch schlechter. So etwa dem Kunststoffmaschinenhersteller MPM. Nach langem Gezerre war die Firma ebenfalls bei Siemens gelandet. Doch dann wollte sie dort niemand mehr haben.
Schließlich fand sich Ende vergangenen Jahres ein Kaufinteressent, die Private-Equity-Gesellschaft Apax. Die aber sprang in letzter Minute wieder ab. Nun geht die lähmende Ungewissheit über den künftigen Eigentümer bereits ins dritte Jahr. Erbarmt sich kein Käufer, droht ein weiteres Aufspalten des Unternehmens.
Beim Getriebespezialisten Sachs währte die Hängepartie immerhin eineinhalb Jahre; mittlerweile ist die Firma bei ZF Friedrichshafen untergekommen.
Nur ein Teil der Atecs-Gruppe hat es richtig gut getroffen: der Hydraulikhersteller Rexroth. Der kam als einziges der Atecs-Bruchstücke zu Bosch und stieg dort zur Führungsgesellschaft der gesamten Sparte auf.
Fazit: Für das Zerlegen von Konglomeraten fehlt vielen Industriekonzernen die Expertise. Siemens hat sich mit dem Kauf von Atecs eine gewaltige Last aufgeladen.
Mergers & Acquisitions, das Zelegen und Zusammenfügen von Firmen, hat immer auch etwas von Tricksen & Täuschen. Im Fall Mannesmann jedenfalls wurden Vereinbarungen gebrochen, Versprechen nicht gehalten, Versicherungen ignoriert.
Papier ohne Wert: Vodafone-Chef Gent hat Zusagen nicht eingehalten
Dabei hatten die Verhandlungspartner zur Beruhigung der Arbeitnehmer alles penibel festgehalten, in einem vierseitigen Eckpunktepapier. Doch viele Zusagen des als "Zusammenschluss unter Gleichen" verbrämten Bündnisses waren schnell Makulatur.
Die "Weiternutzung des Firmennamens Mannesmann in Verbindung mit den Marken Arcor und D2"? Zu den Akten. Der Börsengang der Atecs-Teile "gemäß den vorher verabschiedeten Vorstandsplänen"? Abgesagt. Eine "integrierte Festnetz-, Mobiltelefon- und Internetstrategie"? Überholt.
Moment mal, gab es nicht einen einklagbaren Anspruch? Das Eckpunktepapier ist schließlich "rechtlich bindend", wie es im Fusionsvertrag heißt. Mannesmann hätte mithin gegenüber Vodafone auf Einhaltung bestehen können, theoretisch.
Nur: Die Mannesmann-Aktien befinden sich heute nahezu komplett im Besitz von Vodafone, Aufsichtsratsvorsitzender ist Chris Gent, Vorstandschef dessen engster Vertrauter, Mister Julian Horn-Smith. Und wer verklagt schon sich selbst?
Fazit: Ohne scharfe Sanktionsinstrumente sind Zusagen von Investoren wertlos; wer sich darauf verlässt, ist selbst schuld.
Arroganz des Käufers, mangelnde Expertise beim Zerlegen, falsche Versprechen - das alles soll beim Neusortieren von Corporate Germany nicht noch einmal passieren.
New Economy: Aus Teilen von ThyssenKrupp, MAN und MG Technologies wollen Allianz und Deutsche Bank eine Deutsche Anlagenbau AG zusammensetzen
Die Protagonisten der neuen Deutschland AG, Allianz und Deutsche Bank, haben aus dem Mannesmann-Debakel gelernt. Sie wollen den Spagat schaffen: möglichst viel aus ihren zahlreichen Firmenengagements für sich herausschlagen und gleichzeitig sinnvolle unternehmerische Konzepte umsetzen.
Derzeit arbeitet das Duo an zwei Konstruktionsplänen für eine neue Industriestruktur.
Teile von ThyssenKrupp, MG Technologies, MAN und möglichst auch noch Babcock sollen zu einer Deutschen Anlagenbau AG verschmolzen werden. Bei ThyssenKrupp kauft sich die Deutsche Bank bereits seit geraumer Zeit häppchenweise ein.
In der siechen Baubranche wollen die Finanzgiganten ebenfalls das Unterste nach oben kehren. Das Modell: eine Deutsche Bau AG, aus Stücken von Philipp Holzmann und Bilfinger Berger - weitere Gesellschafter hochwillkommen.
Der Architekt der neuen industriellen Ordnung ist Allianz-Finanzvorstand Paul Achleitner. Der frühere Topmanager von Goldman-Sachs verfolgt eine pfiffige Doppelstrategie: Beteiligungen an prosperierenden Großunternehmen wie Eon, BASF oder Münchener Rück will er abschmelzen.
Und dort, wo der Kurs seit Jahren nicht mehr hochkommt, stockt Achleitner auf oder paktiert mit anderen Großaktionären. So kann er mehr Druck auf den Vorstand ausüben, vielleicht selbst Hand anlegen und nach erfolgreichem Umbau richtig Kasse machen.
Klar gibt es noch Zweifler, natürlich keimen Widerstände auf: Wer lässt sich schon gern zerlegen? Zumal, wenn er über ein Alpha-Ego wie MG-Chef Kajo Neukirchen verfügt. Auch Babcock-Vormann Klaus Lederer, nicht minder von sich selbst begeistert, hat Bedenken.
Mag das Management sich noch so sträuben; die Restrukturierer haben die besseren Argumente auf ihrer Seite. Der Fall Mannesmann hat gezeigt: Am Ende ist nur eines maßgebend - der Wille des Eigentümers.
Konglomerate, also jene bisweilen schwerfälligen Sammelsurien unterschiedlicher Geschäfte, haben es nicht leicht an der Börse. Oft bewerten Anleger die trägen Kolosse mit einem pauschalen Abschlag. Zu Recht?
Die Minusmacher: Welche Konglomerate ihr Soll nicht erfüllten
Nein, behaupten die Unternehmensberater von Boston Consulting (BCG). In einer internationalen Vergleichsstudie haben die Consultants Dieter Heuskel und Achim Fechtel die 35 größten Konglomerate der Welt durchleuchtet. Ergebnis: Es gibt keinen negativen Zusammenhang zwischen Geschäftsvielfalt und Geschäftserfolg; 57 Prozent der Konglomerate haben sich besser geschlagen als ihre fokussierten Konkurrenten.
Zum Beispiel Matsushita. Im Untersuchungszeitraum von 1996 bis 2000 erzielte der japanische Mischkonzern eine durchschnittliche jährliche Rendite (Dividende plus Kurssteigerung), die 26 Prozent über der vergleichbarer Firmen lag.
Und die Deutschen?
Siemens liegt mit plus 12 Prozent nicht übel, nur knapp hinter Vorbild General Electric (plus 13 Prozent). Eon (plus 2), Preussag (plus/minus 0) und RWE (minus 1) erreichen in etwa den Durchschnitt.
So weit die guten Nachrichten.
Es gibt jedoch eine Reihe deutscher Unternehmen, die deutlich schlechter abgeschnitten haben als ihre Vergleichsgruppe. MAN (minus 5 Prozent), ThyssenKrupp (minus 7) und vor allem MG Technologies (minus 17) liegen auf der internationalen Skala weit zurück.
In diesen Fällen hat es das Management offenbar nicht geschafft, das Unternehmen in fünf Jahren entscheidend voranzubringen. Aus diesen Erkenntnissen ergeben sich drei Folgerungen: Entweder muss ein fundamentaler Strategiewechsel her, eine neue Führungsspitze, oder die einzelnen Konzernteile müssen neu kombiniert werden - die Stunde der Zerschlager.
Doch auch beim Zerlegen können viele Fehler passieren. Die BCG-Fachleute haben den Erfolg von Aufspaltungen (Demergers) untersucht. Resultat: Nur etwa die Hälfte der Unternehmen schafft nach einem Jahr tatsächlich Wert.
Gruß
Happy End
mm.de
Misslungene Metamorphose: Der Fall Mannesmann / Vodafone liefert ein abschreckendes Beispiel für die Architekten der neuen Deuschland AG
Das Ende der Mannesmann AG war längst besiegelt, da wurde immer noch gerungen um die Sparte Historie. Wohin mit 10.000 Regalmetern Akten und Dokumenten? Was tun mit 10.000 Filmen und drei Millionen Fotos, die nun zu einem untergegangenen Unternehmen gehörten?
Dem Wirtschaftsarchiv drohte das Aus. Doch dann kam Rettung, das gute Stück deutscher Industriegeschichte schlüpfte bei der Salzgitter AG unter. Das niedersächsische Stahlunternehmen hatte einen Teil von Mannesmann, die Röhrenwerke, gekauft; die Chronik wechselte mit.
Die Geschichte lebt; der Konzern ist tot. Post mortem hat Mannesmann nur noch eine Funktion: als abschreckendes Beispiel für künftige Restrukturierungsfälle zu dienen.
Und davon gibt es reichlich: Verkorkste Konglomerate wie MG Technologies oder MAN, über deren Zerlegen und Zerteilen fast börsentäglich spekuliert wird; von Anlegern verschmähte Mischkonzerne wie Babcock oder ThyssenKrupp.
Eine gewaltige Umwälzung zeichnet sich ab. Corporate Germany erfindet sich neu. Diskret nehmen Großaktionäre wie der Versicherungsriese Allianz und die Deutsche Bank Traditionsunternehmen auseinander und setzen sie neu zusammen, vorerst auf dem Papier.
Viele Fragen sind noch ungeklärt, viele Konzepte noch nicht ausgereift; in einem aber besteht Einvernehmen zwischen den Umschichtern: Diesmal soll alles anders laufen - besser als dereinst bei Mannesmann.
Die Auflösung des deutschen Vorzeigekonzerns konnten die Restrukturierer hautnah verfolgen. Da wurden Verträge nicht eingehalten, erfolgreiche Marken zu Grunde gerichtet, Wettbewerbsvorteile verspielt und Firmen so lange hin- und hergeschoben, bis sie nirgendwo mehr hineinpassten.
Der Fall Mannesmann, die misslungene Metamorphose eines Industriegiganten - zum Nachahmen nicht empfohlen.
I. Die Arroganz der Macht
Chris Gent hatte offensichtlich Wichtigeres vor am 5. Juni 2000. Wegen "Terminkollisionen" fehlte der Vodafone-Chef auf der ersten Hauptversammlung von Mannesmann nach seiner Machtübernahme - und das als Gastgeber und Aufsichtsratsvorsitzender.
Zum Haareraufen: Großflächig wirbt Vodafone für den Markenwechsel im Mobilfunk und für die Festnetzfirma Arcor. Doch die deutsche Kundschaft folgt nur zögerlich.
Die Arroganz der Macht ließ der Brite die Deutschen auch fortan spüren. Ohne Rücksicht auf bestehende Markenwerte und bessere Konzepte drückte Gent ihnen die Strategie des Siegers auf.
Mit fatalen Folgen. Zwei Jahre nach der Übernahme ist die Mannesmann-Telefonsparte in einem bedenklichen Zustand. D2, das einstige Juwel des deutschen Mobilfunks, hat seine Strahlkraft eingebüßt. Und die Festnetzgesellschaft Arcor kommt nicht voran: Börsengang oder Verkauf - die Mitarbeiter wissen heute nicht, wem sie morgen gehören.
Gent zwang die Düsseldorfer, den Markennamen Mannesmann D2 durch Vodafone zu ersetzen. Keine gute Idee. Bei den diesjährigen mm-Imageprofilen belegte D2 Vodafone weit abgeschlagen nur Rang 102. Noch vor zwei Jahren hatte das Unternehmen auf Platz 7 rangiert und den Branchensieger in der Telekommunikation gestellt. Einen vergleichbaren Ansehensverlust erlitten nur die Skandalfirmen Philipp Holzmann und Bankgesellschaft Berlin.
Hauptgrund für den Rufschaden, so vermuten Markenexperten: Vodafone wird den Geruch des Firmenschlachters nicht los.
D2-Chef Jürgen von Kuczkowski hat es geahnt: Eineinhalb Jahre lang stemmte sich der Regionalfürst gegen die Übernahme des Vodafone-Logos. Folge: eine verwirrende Zwei-Marken-Strategie. Den Slogan "D2 - live dabei" verbreiteten die Düsseldorfer noch, als die Briten in deutschen TV-Spots längst für die Marke Vodafone warben. In wenigen Wochen wird aus D2 endgültig Vodafone.
Ferngesteuert vom englischen Newbury aus, verlor D2 den alten Pioniergeist - und die Marktführerschaft gleich mit. Der Wegbereiter der mobilen Datenkommunikation in Deutschland setzt kaum noch technische Trends; mittlerweile zählt der einst so biedere Konkurrent T-Mobile rund 1,2 Millionen Kunden mehr als D2.
Besonders enttäuschend fiel das letzte Weihnachtsquartal aus. Während T-Mobile 526.000 zusätzliche Kunden in Deutschland gewann, schaffte D2 Vodafone nur 37.000.
Im Festnetzgeschäft profitiert die Deutsche Telekom ebenfalls von der Schwäche ihres Wettbewerbers. Seitdem Arcor einen britischen Großaktionär hat, geht der Netzausbau nur noch schleppend voran, stagniert der Umsatz. Die Zweitmarke Otelo wurde aufgegeben; 500 bis 1000 der knapp 5000 Arcor-Stellen werden in diesem Jahr wohl gestrichen.
Fazit: Die Mannesmann-Telefonsparte hat unter dem neuen Eigner bislang arg gelitten. In einer Branche, in der vor allem Glanz und Renommee zählen, funktioniert die harte Übernahmetour nicht.
II. Die Kunst des Zerlegens
Auch im Fall des Mannesmann-Teilkonzerns Atecs ging die Transformation gründlich daneben. Bei Atecs waren die Maschinenbauunternehmen und Autozulieferer zusammengefasst, die zum weiten Mannesmann-Reich gehörten.
Zerstäuber: Was Siemens aus dem Maschinen- und Autozulieferkonzern machte
Mal versahen die Restrukturierer ihr Werk hastig und unüberlegt, mal zermürbten sie die Mitarbeiter durch irrwitzige Eigentümerwechsel.
Vieles, was von dem Konglomerat mit einst 90.000 Beschäftigten übrig blieb, schwächelt heute. Etwa die bei Siemens integrierten Atecs-Sparten Dematic (Automatisierung) und VDO (Autoelektronik).
Der neu formierte Autozulieferer Siemens VDO schreibt tiefrote Zahlen; 5000 Arbeitsplätze werden demnächst verlagert oder gänzlich abgebaut. Ein Flop, der jetzt auch Folgen für das Management hat: Firmenchef Franz Wressnigg (58) wurde in den Aufsichtsrat gelobt.
Nach außen gibt sich Siemens hochzufrieden. Die Automobiltechnik des Konzerns und VDO würden aufs Beste zusammenpassen, heißt es; das Ergebnisminus sei ausschließlich auf die schlechte Marktlage zurückzuführen.
Keine Managementprobleme also, keinerlei Integrationsschwierigkeiten? Zweifel sind angebracht.
Dabei hätte womöglich alles gut werden können. Das von Mannesmann-Chef Klaus Esser verfolgte Projekt eines Börsengangs der Atecs-Gruppe versprach jährliche Wachstumsraten von 8 bis 9 Prozent.
Doch Mannesmann-Übernehmer Gent zeigte wenig Interesse an unternehmerischen Visionen. Umso mehr dafür an Geld. Das bot ihm erst der damalige ThyssenKrupp-Chef Gerhard Cromme, später auch das Gespann Heinrich von Pierer (Siemens)/Hermann Scholl (Bosch) - und zwar reichlich: 9,6 Milliarden Euro.
Siemens war 1991 im Bieterwettstreit um VDO der Mannesmann AG unterlegen. Durch den Erwerb von Atecs konnte der Münchener Elektromulti die frühere Schmach tilgen und ein weiteres Konzerngeschäftsfeld aufbauen.
Finanzvorstand Heinz-Joachim Neubürger warnte, wollte die Akquisition durch einen raschen Börsengang gleich wieder loswerden. Doch der Manager, Befürworter eines schlanken, fokussierten Unternehmens, scheiterte an der übermächtigen Konglomeratsfraktion in der Siemens-Führung.
Das Ansinnen Neubürgers war obendrein nicht kompatibel mit den Vorstellungen der deutschen Automobilindustrie, im Mannesmann Aufsichtsgremium vertreten durch Daimler-Lenker Jürgen Schrempp und VW-Aufsichtsratschef Klaus Liesen. Ihr Interesse: ein zweiter großer deutscher Autozulieferer, ebenso stark und uneinnehmbar durch ausländische Unternehmen wie Branchenmeister Bosch.
Am Ende blieb VDO zwar deutsch. Doch wurde unter der Obhut des Siemens-Verbunds kein ernsthafter Bosch-Rivale geschaffen.
Anderen Atecs-Teilen erging es sogar noch schlechter. So etwa dem Kunststoffmaschinenhersteller MPM. Nach langem Gezerre war die Firma ebenfalls bei Siemens gelandet. Doch dann wollte sie dort niemand mehr haben.
Schließlich fand sich Ende vergangenen Jahres ein Kaufinteressent, die Private-Equity-Gesellschaft Apax. Die aber sprang in letzter Minute wieder ab. Nun geht die lähmende Ungewissheit über den künftigen Eigentümer bereits ins dritte Jahr. Erbarmt sich kein Käufer, droht ein weiteres Aufspalten des Unternehmens.
Beim Getriebespezialisten Sachs währte die Hängepartie immerhin eineinhalb Jahre; mittlerweile ist die Firma bei ZF Friedrichshafen untergekommen.
Nur ein Teil der Atecs-Gruppe hat es richtig gut getroffen: der Hydraulikhersteller Rexroth. Der kam als einziges der Atecs-Bruchstücke zu Bosch und stieg dort zur Führungsgesellschaft der gesamten Sparte auf.
Fazit: Für das Zerlegen von Konglomeraten fehlt vielen Industriekonzernen die Expertise. Siemens hat sich mit dem Kauf von Atecs eine gewaltige Last aufgeladen.
III. Das gebrochene Wort
Mergers & Acquisitions, das Zelegen und Zusammenfügen von Firmen, hat immer auch etwas von Tricksen & Täuschen. Im Fall Mannesmann jedenfalls wurden Vereinbarungen gebrochen, Versprechen nicht gehalten, Versicherungen ignoriert.
Papier ohne Wert: Vodafone-Chef Gent hat Zusagen nicht eingehalten
Dabei hatten die Verhandlungspartner zur Beruhigung der Arbeitnehmer alles penibel festgehalten, in einem vierseitigen Eckpunktepapier. Doch viele Zusagen des als "Zusammenschluss unter Gleichen" verbrämten Bündnisses waren schnell Makulatur.
Die "Weiternutzung des Firmennamens Mannesmann in Verbindung mit den Marken Arcor und D2"? Zu den Akten. Der Börsengang der Atecs-Teile "gemäß den vorher verabschiedeten Vorstandsplänen"? Abgesagt. Eine "integrierte Festnetz-, Mobiltelefon- und Internetstrategie"? Überholt.
Moment mal, gab es nicht einen einklagbaren Anspruch? Das Eckpunktepapier ist schließlich "rechtlich bindend", wie es im Fusionsvertrag heißt. Mannesmann hätte mithin gegenüber Vodafone auf Einhaltung bestehen können, theoretisch.
Nur: Die Mannesmann-Aktien befinden sich heute nahezu komplett im Besitz von Vodafone, Aufsichtsratsvorsitzender ist Chris Gent, Vorstandschef dessen engster Vertrauter, Mister Julian Horn-Smith. Und wer verklagt schon sich selbst?
Fazit: Ohne scharfe Sanktionsinstrumente sind Zusagen von Investoren wertlos; wer sich darauf verlässt, ist selbst schuld.
IV. Wir haben verstanden
Arroganz des Käufers, mangelnde Expertise beim Zerlegen, falsche Versprechen - das alles soll beim Neusortieren von Corporate Germany nicht noch einmal passieren.
New Economy: Aus Teilen von ThyssenKrupp, MAN und MG Technologies wollen Allianz und Deutsche Bank eine Deutsche Anlagenbau AG zusammensetzen
Die Protagonisten der neuen Deutschland AG, Allianz und Deutsche Bank, haben aus dem Mannesmann-Debakel gelernt. Sie wollen den Spagat schaffen: möglichst viel aus ihren zahlreichen Firmenengagements für sich herausschlagen und gleichzeitig sinnvolle unternehmerische Konzepte umsetzen.
Derzeit arbeitet das Duo an zwei Konstruktionsplänen für eine neue Industriestruktur.
Teile von ThyssenKrupp, MG Technologies, MAN und möglichst auch noch Babcock sollen zu einer Deutschen Anlagenbau AG verschmolzen werden. Bei ThyssenKrupp kauft sich die Deutsche Bank bereits seit geraumer Zeit häppchenweise ein.
In der siechen Baubranche wollen die Finanzgiganten ebenfalls das Unterste nach oben kehren. Das Modell: eine Deutsche Bau AG, aus Stücken von Philipp Holzmann und Bilfinger Berger - weitere Gesellschafter hochwillkommen.
Der Architekt der neuen industriellen Ordnung ist Allianz-Finanzvorstand Paul Achleitner. Der frühere Topmanager von Goldman-Sachs verfolgt eine pfiffige Doppelstrategie: Beteiligungen an prosperierenden Großunternehmen wie Eon, BASF oder Münchener Rück will er abschmelzen.
Und dort, wo der Kurs seit Jahren nicht mehr hochkommt, stockt Achleitner auf oder paktiert mit anderen Großaktionären. So kann er mehr Druck auf den Vorstand ausüben, vielleicht selbst Hand anlegen und nach erfolgreichem Umbau richtig Kasse machen.
Klar gibt es noch Zweifler, natürlich keimen Widerstände auf: Wer lässt sich schon gern zerlegen? Zumal, wenn er über ein Alpha-Ego wie MG-Chef Kajo Neukirchen verfügt. Auch Babcock-Vormann Klaus Lederer, nicht minder von sich selbst begeistert, hat Bedenken.
Mag das Management sich noch so sträuben; die Restrukturierer haben die besseren Argumente auf ihrer Seite. Der Fall Mannesmann hat gezeigt: Am Ende ist nur eines maßgebend - der Wille des Eigentümers.
Lohnt sich das Zerschlagen eines Mischkonzerns?
Konglomerate, also jene bisweilen schwerfälligen Sammelsurien unterschiedlicher Geschäfte, haben es nicht leicht an der Börse. Oft bewerten Anleger die trägen Kolosse mit einem pauschalen Abschlag. Zu Recht?
Die Minusmacher: Welche Konglomerate ihr Soll nicht erfüllten
Nein, behaupten die Unternehmensberater von Boston Consulting (BCG). In einer internationalen Vergleichsstudie haben die Consultants Dieter Heuskel und Achim Fechtel die 35 größten Konglomerate der Welt durchleuchtet. Ergebnis: Es gibt keinen negativen Zusammenhang zwischen Geschäftsvielfalt und Geschäftserfolg; 57 Prozent der Konglomerate haben sich besser geschlagen als ihre fokussierten Konkurrenten.
Zum Beispiel Matsushita. Im Untersuchungszeitraum von 1996 bis 2000 erzielte der japanische Mischkonzern eine durchschnittliche jährliche Rendite (Dividende plus Kurssteigerung), die 26 Prozent über der vergleichbarer Firmen lag.
Und die Deutschen?
Siemens liegt mit plus 12 Prozent nicht übel, nur knapp hinter Vorbild General Electric (plus 13 Prozent). Eon (plus 2), Preussag (plus/minus 0) und RWE (minus 1) erreichen in etwa den Durchschnitt.
So weit die guten Nachrichten.
Es gibt jedoch eine Reihe deutscher Unternehmen, die deutlich schlechter abgeschnitten haben als ihre Vergleichsgruppe. MAN (minus 5 Prozent), ThyssenKrupp (minus 7) und vor allem MG Technologies (minus 17) liegen auf der internationalen Skala weit zurück.
In diesen Fällen hat es das Management offenbar nicht geschafft, das Unternehmen in fünf Jahren entscheidend voranzubringen. Aus diesen Erkenntnissen ergeben sich drei Folgerungen: Entweder muss ein fundamentaler Strategiewechsel her, eine neue Führungsspitze, oder die einzelnen Konzernteile müssen neu kombiniert werden - die Stunde der Zerschlager.
Doch auch beim Zerlegen können viele Fehler passieren. Die BCG-Fachleute haben den Erfolg von Aufspaltungen (Demergers) untersucht. Resultat: Nur etwa die Hälfte der Unternehmen schafft nach einem Jahr tatsächlich Wert.
Gruß
Happy End
mm.de