Dienstag, 13. April 2010
(Sächsische Zeitung)
Mieter empört über Gagfah-Angebot für eine Wohn-Flatrate
Von Tobias Wolf
Dresdner sollen jetzt ohne echte Gegenleistung des Großvermieters freiwillig mehr zahlen.
Carmen Kösser aus Johannstadt ist stinksauer auf die Gagfah. Sie und weitere Bewohner lehnen die „freiwillige Mieterhöhung“ strikt ab.
Die Gagfah unternimmt einen neuerlichen Versuch, die Mieten in Dresden zu erhöhen. Ende März erhielten 6964 Mieter der früheren städtischen WOBA ein Schreiben, indem ihnen unter dem Namen „flatrent“ eine freiwillige Mieterhöhung angeboten wurde. Mit dieser Art Flatrate solle die Miete für zwei Jahre festgeschrieben werden. Lehnen die Mieter die „flatrent“ ab, will die Gagfah zu einem späteren Zeitpunkt erhöhen. Als Begründung wird der bundesweite Verbraucherpreisindex angeführt.
Carmen Kösser aus der Johannstädter Holbeinstraße hat kein Verständnis für das Angebot. „Es gibt keinen sachlichen Grund für eine solche Erhöhung, weil die Modernisierungen schon vor Jahren abgeschlossen wurden“, sagt die 63-Jährige empört. „Außerdem würde meine Miete durch die angebotene Anhebung um 20 Cent pro Quadratmeter weit über die ortsübliche Vergleichsmiete steigen.“
Derzeit bezahlt die Rentnerin 5,68 Euro je Quadratmeter. Bei Wohnungen dieser Größe liegt die Vergleichsmiete in Dresden bei höchstens 5,71 Euro. Die Vergleichsmiete wird im Dresdner Mietspiegel erfasst. Auch Ronald Hellwig, der eine Gagfah-Wohnung in der Innenstadt bewohnt, ist sauer. Für ihn ist das Angebot einfach nur Abzocke. „Die Gagfah kommt mir wie der viel zitierte Rendite-Hai vor“, beschwert sich der Projektingenieur. „Hier wird nichts investiert, nur die Mieten steigen.“ Dass der Vermieter eine Mieterhöhung anbietet, sei laut Mathias Wagner, Pressesprecher des Dresdner Mietervereins, zwar legitim. „Hier scheint es so, als ob die Gagfah einfach nur dringend Geld braucht“, sagt er. Auch der Bezug auf den Verbraucherpreisindex sei irreführend. „Die Bezugsgröße ist in der Regel die Vergleichsmiete, sonst nichts“, sagt Wagner. „Niemand muss das Angebot annehmen.“
Auf SZ-Nachfrage erklärt Gagfah-Sprecherin Bettina Benner, dass das Angebot im Interesse der Mieter sei. „Sie erhalten so Planungssicherheit“, sagt Benner. Was mit den möglichen Mehreinnahmen geschehen soll, bleibt unklar.
Mieter Ronald Hellwig hat da seine Vermutung. „Hier soll wohl eher der Investor mit Zusatzgewinnen versorgt werden“, sagt er. Die frühere städtische WOBA wurde 2006 an den US-Investor Fortress verkauft. „Hier ist eine aktionärsorientierte Dividendengenerierungsmaschine entstanden, die eine aggressive Ausschüttungspolitik betreibt“, erklärt Stefan Kofner, Professor für Wohnungs- und Immobilienwirtschaft an der Hochschule Zittau-Görlitz. „Im Zweifelsfall müssen da die Bedürfnisse von Mietern und der Stadt Dresden zurückstehen“. Ihrem Ruf habe die Gagfah mit diesem Schreiben keinesfalls einen Gefallen getan.
www.sz-online.de/nachrichten/artikel.asp?id=2436172