Gott vergelt’s
Henning Röhl, früher MDR-Fernsehdirektor, und Norman Rentrop, Verleger aus Bonn, starten Bibel TV – 24 Stunden täglich „Neugier auf Christliches“
Morgen wird ein orangefarbener Stern auf 1,8Millionen deutschen Fernsehgeräten aufgehen. Am Firmament wird ein Schriftzug erscheinen: „Im Anfang war das Wort“. Und dann wird die freudige Botschaft verkündet, dass nun so etwas wie Weihnachten bevorsteht – erstmals geht im deutschsprachigen Abendland ein christliches, digitales Spartenprogramm auf Sendung: „Ich glaube. Ich sehe. Bibel TV.“
Gottes Stellvertreter im Satellitenprogramm werden erst einmal sehr traditionell einen Gottesdienst im Hamburger Michel feiern. Den und das ambitionierteste Projekt der Christenheit seit Beilegung des byzantinischen Bilderstreits können die Empfänger des Satellitenprogramms Astra 19,2 vom Sofa aus betrachten. Bier statt Wein. Chips statt Oblaten.
Die patriarchalische Figur hinter diesem Projekt ist Henning Röhl. Der 59-Jährige war bis vor zwei Jahren Fernsehdirektor des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR) und gilt im quadratischen Gewerbe als „alter Fuchs“. Als Heiliger Geist steht im der Verleger Norman Rentrop zur Seite. Mit seinem „Verlag für die Deutsche Wirtschaft“ (lustigerweise erreichbar unter www. moneten.de) gehört der 43-Jährige zu Deutschlands größten Verlegern von Fachpublikationen. Der Millionär aus Bonn–BadGodesberg finanzierte, nach einem persönlichen Erweckungserlebnis in einem Hotel in Baden-Baden, die schwere Geburt des Spartenkanals: Erst zog er sich von seinen Leitungsfunktionen auf den Posten des Aufsichtsratsvorsitzenden der Verlagsgruppe zurück. Dann steckte er einen Teil seines Vermögens, steuersparend, in eine gemeinnützige Stiftung. Diese hält die Mehrheit an BibelTV, dessen Start seit seiner Gründung im Januar 2001 mehrfach verschoben wurde. Ursprünglich wollte Röhl erst senden, wenn er über 1500 Programmstunden verfügt. Nun hat er „knapp 1000Stunden“ – also rund 41 Tage neues Sendematerial. Damit sollen nun täglich 24 Stunden BibelTV gefüllt werden.
Gott schuf zwar alles neu, aber Röhls Kanal verfängt sich logischerweise ziemlich oft in der Wiederholungsschleife. Das habe – neben finanziellen Gründen – einen meditativen Charakter, sagt Röhl listig. Vorerst will er täglich drei Stunden eigenes Programm senden, ansonsten laufen Konserven, vor allem aus den USA und Holland. Aufgenommen wird der Sendebetrieb mit dem Hollywood-Schinken Jesus – der soll dann „fünf bis sechsmal die Woche“ laufen. Besonders stolz ist Röhl auf Filmaufnahmen eines gospelsingenden Elvis.
Seine „familienorientierten Sendungen“ hat der ehemalige, abgebrochene Philosophiestudent in fünf Sparten gegliedert: Neben Kinofilmen soll der Zuschauer mit einem (zugegebenermaßen ziemlich schwierigen) „Bibel-Quiz“ gefesselt werden. Lesungen wird es auch geben, da sitzt dann eine junge Frau, die aussieht wie Monica Lewinsky, aber Eva Weissmann heißt, auf einem weißen Kunstledersessel und rezitiert das „Hohelied der Liebe“. Besonders drollig wird es, wenn in der Sparte „Jericho – Musik, die verwandelt“, Kindergruppen Kommt lasst uns singen, unser Gott ist da trällern. Es soll aber auch „Pop-Clips und Hardrock“ von überzeugten Jesus-Groupies geben. Schließlich, sagt Röhl, begeistere christliche Musik immer mehr junge Menschen – „das ist eine neue Erweckungsbewegung“.
Der große Vorteil von Bibel TV: Es kann „sensationell günstig“ produziert werden. Die Videos werden via Postexpress nach Luxemburg geschickt und von dort gen Himmel gesendet. „Im technischen Bereich haben wir nur zehn Prozent der Kosten von den öffentlich-rechtlichen Sendern.“ Billig muss es sein, Röhl darf jährlich nur 500000 bis 750000 Euro für sein Programm ausgeben – im Branchenvergleich ist das ein Witz. Dafür bezahle er auch nur eine Lizenzgebühr von höchstens 250 Euro pro halbe Stunde, hält er entgegen. Obwohl Norman Rentrop das Geld nur für drei Jahre zugesichert hat, ist Pastorensohn Röhl sich sicher, die frohe Botschaft irgendwann auch im Kabelnetz verkünden zu können.
Mit einer Mischung aus protestantischer Arbeitsethik, baptistischem Pioniergeist und göttlicher Berufung werde sein „ökumenisches Experiment“ ein Erfolg – und finanziere sich in drei Jahren selbst, dessen ist sich Röhl sicher. „Geld verdienen wollen wir damit nicht, aber wir wollen unsere Kosten einspielen.“ Obwohl zum Beispiel das Alte Testament durchaus Deftigkeiten bereit hält, würde er Beate Uhse keine Werbezeit einräumen. Schließlich ist Röhl im Auftrag des Herrn unterwegs, und da behält er sich die Auswahl vor. Unterstützt soll sein Projekt durch einen Freundeskreis und ein Spendentelefon werden, dessen Nummer eingeblendet wird. Röhl schließt für die Zukunft auch Merchandising als Einnahmequelle nicht aus. Handgeschnitzte „Original- Holzkreuze aus dem Heiligen Land“ vielleicht.
Die in den USA so erfolgreichen Fernsehprediger sollen hingegen bei BibelTV nicht auftreten. Vorsichtig ist Röhl schon deshalb, weil der Rundfunkstaatsvertrag „religiöse Werbung“ verbietet. Obwohl ein seriöser Programmbeirat darüber wacht, bleibt fraglich, wie er diese Vorgabe einhalten will. Selbst die Welt vergleicht sein Vorhaben mit „flambierten Schneebällen“. Man wolle nicht bekehren, sondern über Christliches informieren und neugierig machen, behauptet Röhl. Mit einem Musikanteil von ungefähr der Hälfte der Sendezeit werde man eher „ein christliches VIVA oder MTV“.
Die sieben Redakteure von BibelTV residieren in einer Hamburger Villa, nur 65 Hausnummern entfernt vom NDR. Vor der täglichen Arbeit wird in der Rothenbaumchaussee197 erstmal gemeinsam gebetet. Der Mix aus Büro und Andachtsraum liegt im Dachgeschoss. Man ist Untermieter von Tellux, einer katholischen Fernsehproduktions-Gesellschaft. Zwar hält die Rentrop-Stiftung 52Prozent der BibelTV GmbH, doch auch Tellux und ihr evangelisches Pendant Eikon sind mit jeweils 12,75 Prozent beteiligt. Auffällig ist das Übergewicht besonders bibelfester evangelikaler Gruppen – etwa der des amerikanischen Fernsehpredigers Billy Graham – unter den 15 Gesellschaftern. Sie halten zwar jeweils nur ein oder zwei Prozent, stellen aber insgesamt die Mehrzahl der Gesellschafter.
Kostet ja nichts
David Hober, Mediensprecher der deutschen Bischofskonferenz, betrachtet das Projekt trotzdem mit „kritischer Sympathie“.Nur vorsichtig warnt er vor einem „Ghetto-Fernsehen“, das nur Fromme anspreche. Sein protestantischer Kollege Bernd Merz, selbst Fernsehpfarrer, hegt lediglich die Befürchtung, dass sich Bibel TV blamieren könnte – und damit den ganzen Berufsstand. Trotzdem sei die „Entwicklung spannend – und es kostet uns ja auch keinen Pfennig“. Es scheint, als beteiligten sich die großen Konfessionen nur, um sich ein klein wenig Einfluss zu sichern.
Übrigens, und da hinkt der Weihnachts-Vergleich vom Anfang ein bisschen: Das Kind entstammt keiner unbefleckten Empfängnis. Rentrops Geschäftspraktiken waren nicht immer sauber: Zum einen empfahl der von ihm verlegte Rentrop-Brief Ausreden, wie man als Kapitalflüchtling am besten am Zoll vorbeikomme. Zum anderen warnen Verbraucherzentralen immer wieder vor den zweifelhaften Werbemethoden, mit denen Rentrops Tochterunternehmen Anleger für ominöse Wertpapiere ködern. Neben „78 tatarischen Ölfeldern“ empfahl sein Börsenbrief Taipan genau vor einem Jahr die Investitionen in folgende „Kursrakete“: Weltraumtourismus und kosmischer Bergbau. Naja, immerhin ist man dort dem Himmel sehr nah.
SZ