Bis vor einem Jahr waren Werbevergleiche, mit Ausnahme einiger weniger Spezialfälle, verboten. Die Schranken fielen, als der Bundesgerichtshof (BGH) im Frühjahr 1998 verkündete: „Vergleichende Werbung, die der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Oktober 1997 entspricht, kann bereits heute nicht mehr als unlauter angesehen werden.“ Diese EU-Richtlinie, die vergleichende Werbung grundsätzlich erlaubt, müssen die Mitgliedsstaaten bis zum April 2000 in nationales Recht umsetzen. Bisher gibt es in Deutschland zwar kein entsprechendes Gesetz, doch durch den Richterspruch gilt das Regelwerk bereits jetzt.
Ein Freibrief ist die Vorgabe aus Brüssel jedoch nicht: Trotz Liberalisierung im Werbeland Europa sind Vergleiche nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig. Die Bedingungen im einzelnen:
Vergleichende Werbung darf nicht irreführen.Beispielsweise ein Slogan wie „Bei uns kosten Ferngespräche nur sechs Pfennig pro Minute“ wäre irreführend und daher unzulässig, wenn verschwiegen wird, daß die ersten fünf Minuten 20 Pfennig kosten.
Sie darf nur Waren oder Dienstleistungen für den gleichen Bedarf oder die gleiche Zweckbestimmumgen vergleichen.Der sprichwörtliche Vergleich zwischen Äpfeln und Birnen soll so ausgeschlossen werden. In Grenzfällen (z.B. bei einer Gegenüberstellung von einem CD-Autoradio und einem Kassetten-Autoradio) ist es Sache der Gerichte zu entscheiden, ob der Vergleich erlaubt ist oder nicht.
Sie darf nur objektiv wesentliche, relevante, nachprüfbare und typische Eigenschaften gegenüberstellen, zu denen auch der Preis gehören kann.
Burger King hatte damit geworben, daß 62 Prozent der Deutschen der „Whopper“ besser schmecke als der „Big Mac“ von McDonald's. Dies hatte eine Umfrage des Marktforschungsinstituts Infratest Burke unter 1000 Testpersonen ergeben. Vor Gericht hatte dieser Vergleich jedoch keinen Bestand: Geschmack ist subjektiv und nach Ansicht der Richter auch nicht durch Umfrageergebnisse belegbar.
Sie darf nicht zu Verwechslungen führen.
Die anlehnende Werbung bleibt unzulässig. Ein Produkt darf nicht so stark in die Nähe des Konkurrenzprodukts gerückt werden, daß der Verbraucher sie verwechseln könnte.
So ist eine Anzeige von Mobilcom möglicherweise unzulässig, da der Verbraucher sie für eine Anzeige der Telekom halten könnte: Das Motiv enthält die Farbe Magenta der Telekom sowie einen abtrennbaren Coupon mit dem Text „Ja, ich beauftrage die Deutsche Telekom, meinen Anschluß auf Mobilcom 01019 einzustellen“.
Sie darf den Konkurrenten nicht herabsetzen oder verunglimpfen.
Der Konkurrent wird immer dann herabgesetzt, wenn dessen Produkt im Vergleich als minderwertig herausgestellt wird.
Beispielsweise der Slogan „Fanden sie die ,Wirtschaftswoche' langweilig?“, der für das Wirtschaftsmagazin „Euro“ wirbt, setzt die „Wirtschaftswoche“ im Vergleich zu „Euro“ herab.
Auch die Werbeaussage „Billige Composit Rackets muten wir Ihnen nicht zu“ hielt der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom Februar 1998 für unzulässig.
Bei Waren mit Ursprungsbezeichnungen muß sie sich auf Waren mit der gleichen Bezeichnung beziehen.
Gerolsteiner darf nicht mit einem Mineralwasser aus einem anderen Ort verglichen werden; Bordeaux nicht mit italienischem Rotwein; Champagner nicht mit Sekt oder Prosecco.
Sie darf keinen unlauteren Vorteil aus dem Ruf einer Marke, des Handelsnamens oder anderer Unterscheidungszeichen eines Mitbewerbers oder aus Ursprungsbezeichnungen von Konkurrenzbezeichnungen ziehen.
Fremde Kennzeichnungsrechte dürfen nicht ausgenutzt werden, z.B. durch einen Slogan wie „So gut wie Coca Cola“.
Imitation und Nachahmung einer Ware oder Dienstleistung mit geschützter Marke oder geschütztem Handelsnamen sind verboten.
Verboten ist weiterhin, ein Produkt als Nachahmung eines Markenartikels oder einer Dienstleistung anzupreisen. Unzulässig wäre z.B. der Claim „Wir machen's genau wie die Telekom“.
Zahlreiche unbestimmte Rechtsbegriffe machen es Werbern schwer. Denn wann genau ein Vergleich herabsetzt, verunglimpft, unlauter oder irreführend ist, sagt die Richtlinie nicht. Im Einzelfall ist dies eine Frage der Auslegung – und somit Sache der Gerichte.
Offen läßt die Regelung außerdem, wer im Streitfall den Beweis für die Unzulässigkeit bzw. Zulässigkeit einer Anzeige führen muß.
Im Werbealltag heißt es vorerst: Vergleiche ja, aber nicht ohne juristischen Rat.
In der Praxis läuft es meist darauf hinaus, daß strittige Motive von vorneherein nur einmal geschaltet werden. Kommt es zu einer Abmahnung oder einstweiligen Verfügung, wird eine Unterlassungserklärung abgegeben. Ein neues Motiv wird geschaltet. Diese Taktik kann die Unternehmen allerdings teuer zu stehen kommen: Ständig müssen neue Kampagnen entwickelt und Rechtsanwälte hinzugezogen werden. Einziger Trost: Schadensersatzzahlungen an die Konkurrenz sind unwahrscheinlich, da ein konkreter Schaden kaum nachweisbar ist.
Letztendlich bleibt vergleichende Werbung ein juristischer Drahtseilakt. ZAW-Sprecher Volker Nickel resümiert: „Mehr juristischer Frust, als kreative Lust!“