von börse go...
Eine Entscheidung über eine militärische Intervention im Irak steht im US-Kongress kurz bevor. Analysten bewerten die Folgen eines solchen Krieges als nicht vorhersehbar.
Einige Wirtschaftswissenschaftler haben bereits ihre Prognosen für Wirtschaftswachstum für Ende des Jahres und Anfang des nächsten Jahres gesenkt. Ein schneller und erfolgreicher Krieg gegen den Irak und eine schnelle Auflösung des Konfliktes könnte der Wirtschaft allerdings in der zweiten Jahreshälfte helfen, sagen sie.
"Im Golfkrieg, bzw. sobald wir damals wussten, dass es einen Krieg geben wird, sind die Ölpreise und Aktienkurse gefallen. Das ist der Orientierungspunkt. Das ist, was wir auch dieses Mal erwarten," sagt Peter Garber, globaler Stratege bei der Deutschen Bank.
"Die maximalen Auswirkungen wird es im vierten Quartal bezüglich der Effekte der Unsicherheit geben, die jeden erstarren lassen wird. Im ersten Quartal, sobald es geschieht, erwarten wir einen dramatischen Anstieg," fügt Garber hinzu.
Aber diese kurzfristig-negativ, langfristig-positiv Szenarien haben ein Problem: Sie berechnen zuviele Unsicherheitsfaktoren mit ein und sind bestenfalls gut unterrichtete Schätzungen dessen, was niemand voraussehen kann, sagen einige.
"Es ist fast unmöglich, die Unsicherheit in Dollars zu bewerten," so Randell Moore, Editor des viel beachteten Blue Chip Economic Forecasters Newsletter.
"Wann wird es beginnen? Wie lange wird es dauern? Wir gewinnen im Irak, aber wie lange werden unsere Truppen da unten bleiben? Das sind solche Unabwägbarkeiten. Zwei Wochen nach Beginn kann man vielleicht damit anfangen, die Auswirkungen zu analysieren," fügt Moore hinzu.
Merrill Lynch, Lehman Brothers und die UBS Warburg haben angesichts des drohenden Irakkrieges ihre Wachstumsprognosen für das vierte Quartal gesenkt, aber die negativen Wirkungen werden hauptsächlich auf das vierte und das erste Quartal beschränkt bleiben, sofern der Krieg nur kurze Zeit dauern wird, hieß es.
"Diese Vorbereitungen sind ein weiterer Widerstand für die schon lahme US Konjunkturerholung," sagt Lehman in einer Research Niederschrift. "Aber eine Wiederholung der 1990-1991 Rezession ist unwahrscheinlich."
Die Zahl der Ölquellen, die durch den Krieg als Öllieferant ausfallen könnten, seien weit geringer als noch 1990 und könnten durch andere Quellen ersetzt werden. Darüber hinaus wird ein Krieg gegen den Irak nicht als Überraschung auftauchen, wodurch die Wirtschaft eher im Stande sei, einen Ölschock zu vermeiden, so Lehman.
Andere Volkswirte hingegen sind nicht so zuversichtlich und warnen davor, dass sich das Vertrauen der Unternehmen und Verbraucher weiter eintrüben könnte. Ein weiterer Schock auf das Vertrauen könnte die Wirtschaft in einer Rezession stürzen.
"Ich bin nicht denen zuzuordnen, die davon ausgehen, dass das schnell vorbei sein wird. Das könnte wirklich verheerend werden," sagt Carl R. Tannenbaum, Chefökonom und Direktor der Finanzbuchhaltung bei LaSalle Bank.
"Jetzt sieht die Wirtschaft so aus, als würde sie sich fast nicht fortbewegen. Jeglicher Schock auf das Unternehmens- oder Verbrauchervertrauen könnte uns in ein Double Dip Szenario fallen lassen," sagt Tannenbaum.
Die meisten Analysten rechnen allerdings durch den Irakkrieg nicht mit einer erneuten Rezession, gehen aber davon aus, dass sich das Wachstum im vierten Quartal stark verringern wird.
Die jüngste Dow Jones Newswires-CNBC Umfrage zeigt, dass Experten im vierten Quartal ein Wachstum von 2.1 Prozent sehen, während die Expansionsgeschwindigkeit im dritten Quartal bei 4 Prozent erwartet wird.
Erster Golfkrieg als Richtvorgabe
Der erste Golfkrieg gilt vielen als Vorgabe, um sich ein Bild von den nun zu erwartenden Reaktionen der Wirtschaft zu machen.
"Das beste, was man jetzt tun kann, ist sich den Golfkrieg noch einmal genauer anzusehen," sagt Peter Garber von der Deutschen Bank.
Allgemein geht man davon aus, dass das Militär im Irak nur noch halb so stark ist, und die Militärstärke der USA dreimal so stark ist, wie 1991. Während des Golfkrieges wurde sechs Wochen lang aus der Luft und vier Tage von Bodentruppen angegriffen.
Allerdings gibt es auch hier Widersprüche. Es sei nicht realistisch, einen Krieg mit einem anderen Krieg zu vergleichen, meinen andere.
"Die Erwartung, dass die erste Phase relativ zügig wieder beendet sein wird, erscheint vernünftig. Was die Leute im Markt unterschätzen, ist der Schaden, der den Marktteilnehmern in psychischer Hinsicht bei einer langfristigen Betätigung der USA im Irak zugefügt wird," so Kim Wallace, leitender politischer Stratege bei Lehman Brothers.
"Wenn die Leute denken, die internationale Politik sei unentschlossen, lassen sie uns abwarten, was geschieht, wenn wir den Irak besiegt und immer noch kein Endspiel haben. Das ist wirkliche Unsicherheit," sagt Wallace weiter.
Die Schätzungen für die Kosten eines Krieges reichen von einstelligen Milliardenbeträgen bis hin zu hohen dreistelligen Beträgen. Das Congressional Budget Office rechnet mit monatlichen Kosten von $9 Milliarden, während ein 60 täglicher Konflikt zwischen $28 und $37 Milliarden verschlingen könnte.
Der Wirtschaftsberater des Weißen Hauses, Lawrence Lindsey, schätzt den Kostenpunkt auf zwischen $100 und $200 Milliarden.
"Jeder, der versucht, jetzt die Kosten zu beziffern, lügt, es ist bestenfalls eine gut gemeinte Schätzung," sagt der Budget Experte Stanley Collender.
"Es scheint nicht der Fall zu sein, dass irgendjemand Einsparungen oder Steuererhöhungen fordert, um das zu finanzieren, also muss es aufgenommen werden," fügt er hinzu.
Das Weiße Haus rechnet bereits bis ins Jahr 2005 hinein mit Haushaltsdefiziten. Das Congressional Budget Office nennt das Jahr 2006.
Auch Firmenbosse machen sich Gedanken um mögliche Auswirkungen auf die Wirtschaft und besonders ihrer Unternehmen.
Ein Krieg gegen den Irak wurde von Firmenbossen unter dem Strich negativ bewertet. Es könnte der Wirtschaft das Momentum geraubt werden, dass langsam aufgebaut werde, hieß es.
So ist mit höheren Ölpreisen zu rechnen, wodurch Amerikaner Reisepläne verschieben. Dadurch würde sich aber die Nutzung von Telefon- und Internet-Diensten erhöhen.
Die US Regierung fordert nach wie vor eine bedingungslose Wiederaufnahme der Inspektionen - auch in den Präsidentschaftspalästen, die bisher vom Irak ausgeklammert werden. Sollte Saddam Hussein dies ablehnen, so droht US Präsident Bush mit einem Krieg.
"Das ist einfach noch ein Nachteil ... wenn man es aus Sicht der Kapitalmärkte und Aktienmärkte betrachtet," sagt Bill Harrison von J.P. Morgan Chase & Co. Inc.
Ein kurzer Militärschlag gegen den Irak würde die negativen Wirkungen auf die Wirtschaft verringern, so der allgemeine Tenor auf der Business Council Sitzung in West Virginia. Allerdings würde ein langer Krieg die negativen Effekte verstärken, so Harrison, der Vice Chairman des Business Coucil.
Die CEOs großer Unternehmen aus dem Tech- bis hin zum Pharmasektor fanden sich an dem Treffen ein. Sie wurden von dem Chef des CIA George Tenet und dem Verteidigungsminister John Ashcroft über den Stand der Situation unterrichtet.
Ein Umfrageergebnis von der Sitzung zeigt, dass der Großteil der Firmenbosse einen Rückgang des Wachstums im zweiten Halbjahr gegenüber dem ersten erwarten. Im ersten Halbjahr lag das Wachstum bei 3.2%.
"Ich glaube nicht, dass eine $100 Milliarden Belastung für die US-Bürger so gut ist," sagt Scott McNealy, Chef von Sun Microsystems und spricht damit die geschätzten Kosten eines Krieges gegen den Irak an.
Der Chef von Fannie Mae, Franklin Raines, sieht eine weitere Verschlechterung des Investitionsklimas durch einen Krieg. Ein Angriff würde Unternehmen dazu bewegen, ihre Investitionen noch weiter aufzuschieben.
Der Chef von Delta Air Lines, Leo Mullin, sieht einen unausweichlichen Rückgang der Zahl der Fluggäste. Während des Golfkrieges im Jahr 1991 war die Zahl der Fluggäste bei Transatlantikflügen um 10 Prozent und bei Inlandsflügen in den USA um 5 Prozent zurückgegangen, sagt Mullin.
Der CEO von DuPont, Charles Holliday, sieht eine Gefahr durch den Ölpreis. Dieser werde wahrscheinlich weiter ansteigen, wenn ein Angriff durchgeführt werde. Seit dem die Spekulationen über einen Krieg auftauchten, stieg der Ölpreis bereits um $5, so Holliday.
Bill Esrey, Chef von Sprint, dem zweigrößten Festnetzanbieter und dem viertgrößten Mobilfunkkonzern der USA, betont, dass durch große Ereignisse mehr telefoniert und mehr eMails verschickt würden. So seien die Netzwerke in den USA am 11. September doppelt so stark wie normal belastet gewesen.