Kurz vor dem Opec-Treffen wächst die Spannung – Iran setzt auf hohe Ölpreise zum Ausbau der Kapazitäten
Saudis schlagen höhere Ölförderung vor
Kurz vor dem Treffen der Organisation Erdöl exportierender Länder (Opec) hält sich der Rohölpreis auf hohem Niveau. Das wichtige Opec-Mitglied Saudi-Arabien hat nun eine Kehrtwende eingeläutet.
jsn/rp/tom DÜSSELDORF/TEHERAN. Mit bis zu 53,50 Dollar je Barrel (159 Liter) notiert Brentöl nur noch wenig unter dem Höchststand von 54,25 Dollar. Die festen Preise resultieren vor allem aus Käufen von Fonds, die auf weiter steigende Preise setzen.
Doch preisdämpfend wirkten am Montag Äußerungen des saudischen Ölministers Ali al-Naimi. Das wichtige Opec-Mitglied Saudi-Arabien hat eine Kehrtwende eingeläutet. „Das Königreich hält es für notwendig, die Opec-Förderquote bei dem Treffen am 16. März um eine halbe Million Barrel pro Tag zu erhöhen“, sagte al-Naimi in Riad. Saudi-Arabien ist der größte Ölförderer des Kartells und verfügt noch über freie Kapazitäten. Bisher zeichnete sich für das Treffen am Mittwoch ab, dass die Opec ihre Förderquote bei 27 Mill. Barrel am Tag belässt.
Opec-Präsident Scheich Ahmad Fahad Al-Ahmad Al-Sabah unterstrich zudem, „das Wenigste, was wir tun können, ist die Förderquoten unverändert zu lassen“. „Wir haben ausreichend Öl am Markt“, sagte indes Irans Ölminister Bijan Zanganeh in Isfahan. Der hohe Preis beruhe nicht auf einem Mangel an Rohöl, sondern sei vor allem das Werk von Spekulanten.
Erstmals seit 35 Jahren findet wieder eine Opec-Konferenz im Iran statt. Das Land, zweitgrößter Ölförderer des Kartells, hat sich zuletzt als „Preisfalke“ gezeigt. Diese setzen sich im Gegensatz zu den „Preistauben“ für höhere Preise ein. Irans Opec-Gouverneur Hossein Kazempour Ardebili stellte denn auch fest: „Die Zeit der Ölpreise von rund 25 Dollar ist vorbei, wir haben die Ära der 50-Dollar-Preise erreicht.“ In der Opec-Zentrale in Wien rufen solche Aussagen Stirnrunzeln hervor. Denn die Devise ist klar: nichts tun, was die Psychologie der Märkte zu stark anregen könnte.
Das Interesse des Iran an hohen Ölpreisen ist durch die Expansionspläne des Landes begründet. Einen hohen Stellenwert hat der Ausbau der Gasförderung: Der Iran sitzt nach Russland auf den zweitgrößten Reserven der Welt. Die Regierung hat das riesige Gasfeld South Pars in 20 Entwicklungsphasen eingeteilt und für ausländische Investoren geöffnet, darunter Eni, Repsol und Royal Dutch/Shell. Die französische Total produziert bereits.
Langfristiges Ziel ist es, mit dem Export verflüssigten Gases (LNG) oder per Pipeline den Energiehunger Indiens und Chinas zu stillen. Experten rechnen damit, dass in rund zehn Jahren der Iran mehr Einnahmen aus dem Gasgeschäft als aus der Ölförderung erzielen wird.
Irans ehrgeizige Entwicklungspläne für den Energiesektor stecken noch in den Anfängen, doch gerade das Gasprojekt South Pars und die immer konkreter werdenden Pläne einer Pipeline vom Iran über Pakistan nach Indien zeigen, dass es den Verantwortlichen ernst ist. Sicher sind sie sich auch, dass der Ölpreis in diesem Jahr wohl nicht unter 30 Dollar fallen wird. „Wie weit er über der Marke liegen wird, vermag niemand vorauszusehen“, sagt Bayazid Mardukhi, Berater der Management und Planungsbehörde und oberster Kontrolleur des staatlichen Fonds, in dem das Land die Überschüsse aus dem Ölgeschäft anlegt.
Von der Nachfrageseite her zeichnet sich jedenfalls keine Entspannung bei den Preisen ab. Die Internationale Energieagentur (IEA) hat soeben ihre Prognose für den globalen Nachfrageanstieg 2005 um 330 000 Barrel am Tag (bpd) angehoben. Wie bereits mehrfach in den vergangenen Jahren musste die Agentur ihre kurzfristigen Ölprognosen nachhaltig korrigieren: Der Weltölverbrauch ist unterschätzt und der Beitrag kartellungebundener Ölproduzenten überschätzt worden.
Anfang November 2004 prognostizierten die IEA-Experten den globalen Ölkonsum für 2005 auf 83,8 Mill. bpd und die Non-Opec-Produktion auf 51,3 Mill. bpd. Jetzt beläuft sich die Hochrechnung auf 84,3 beziehungsweise 51,0 bpd. Damit erhöht sich der Absatzspielraum für die Opec um gut 0,8 Mill. bpd. Der Bedarf an Opec-Rohöl würde 2005 im Durchschnitt bei neutralen Bestandseffekten nach der neuen Hochrechnung bei 28,6 Mill. bpd liegen; nach der Prognose vor vier Monaten wären es nur 27,7 Mill. bpd gewesen. Es sei nicht auszuschließen, dass die IEA noch weitere Korrekturen vornehmen müsste. Im Gesamtresultat wachse die Abhängigkeit von Opec-Rohöl immer mehr; trotz hoher Preise sinke der Weltölkonsum bisher nicht, und der Beitrag der Non-Opec-Anbieter wachse nur relativ schwach, sagt Hans W. Schiffer, Energieanalyst der RWE Power AG in Essen.
HANDELSBLATT, Dienstag, 15. März 2005, 08:37 Uhr