Interview mit CEO von Hannover Rück
23.09.2002 14:52:00
Frage: Herr Zeller, die Versicherungsbranche hat mit der Flutkatastrophe und der Situation am Kapitalmarkt in diesem Jahr gar nichts zu lachen. Wie steht es um die Hannover Rück?
Wilhelm Zeller: Zunächst einmal stellen für uns derartige Großschäden - ob aus Naturkatastrophen oder sonstigen Ursachen - nichts Außergewöhnliches dar. Solange sie einen gewissen Umfang nicht überschreiten. Dieser Umfang heißt bei uns bis zu 5 Prozent der Selbstbehaltsprämie der Schaden-Rückversicherung. Im ersten Quartal wurde diese Marke weit unterschritten, im zweiten und dritten Quartal erreicht. Auf die ersten neun Monate gerechnet sind wir also durchaus noch im Rahmen. Aber das Jahr ist noch nicht vorbei. Die sogenannte Hurrikansaison in der Karibik und die Taifunsaison in Fernost hält noch bis Oktober an. Und die "Erdbebensaison" dauert 365 Tage pro Jahr - es kann also immer noch etwas passieren.
Frage: Welche Auswirkungen hat das Hochwasser, um das in den letzten Wochen viel Wirbel in der Branche aufgekommen ist, für Ihr Unternehmen?
Wilhelm Zeller: Brutto kosten uns die Hochwasserschäden nach gegenwärtigen Erkenntnissen rund 150 Millionen Euro. Nach Inanspruchnahme der eigenen Rückversicherung verbleiben deutlich unter 100 Millionen vor und rund 50 Millionen Euro nach Steuern. Das liegt innerhalb des vorgenannten 5-Prozentpunkte-Rahmens.
Frage: Müssen Sie durch die Situation an den Finanzmärkten weitere Abschreibungen vornehmen?
Wilhelm Zeller: Das ist ein ernsteres und bedrohlicheres Thema für uns, wenn Sie auf den heutigen Kurszettel schauen. Wir haben im zweiten Quartal circa 48 Millionen Euro auf Aktien abgeschrieben. Das wird wahrscheinlich im dritten Quartal nochmals in ähnlicher Größenordnung erforderlich werden. Das Kapitalanlageergebnis wird in 2002 also deutlich unter unserer Planung bleiben. Gott sei Dank liegt unsere Aktienquote lediglich bei 7 Prozent. Anfang 2001 waren es noch 18 Prozent; hier haben wir also rechtzeitig gehandelt. Relativ gesehen, d. h. im Vergleich zu vielen anderen in unserer Branche, sind wir also noch recht gut dran, absolut gesehen gilt das aber nicht mehr.
Frage: Wollen Sie längerfristig Ihre Quote in Aktien wieder erhöhen?
Wilhelm Zeller: Strategisch und langfristig gesehen halten wir eine viel höhere Aktienquote für optimal. Aber für den Rest des Jahres sehen wir in allen wesentlichen Märkten bestenfalls eine Seitwärtsbewegung; unseren Aktienanteil werden wir daher in diesem Jahr sicher nicht erhöhen.
Frage: Lassen Sie uns über Ihr operatives Geschäft sprechen. Sind Sie im dritten Quartal auf Kurs und wie verläuft Ihre Sparte Schaden-Rückversicherung und welche Ziele verfolgen Sie hier?
Wilhelm Zeller: Die Schaden-Rückversicherung verläuft sehr positiv. Bereits vor dem 11. September hatte eine deutliche Marktverhärtung eingesetzt. Seit dem 11. September gibt es in vielen Segmenten ein Ungleichgewicht von Angebot und Nachfrage. Dieses Mal eben zu unseren Gunsten, vorher waren jahrelang die Rückversicherungs-kunden die Profiteure. Diese Situation hält an. Die Konditionen und die Preise ziehen weiter an, es gibt in keinem Segment irgendwelche Aufweichungs-erscheinungen. Für das dritte Quartal erwarten wir ein Wachstum in der Größenordnung des ersten Halbjahres, also um etwa 90 Prozent. Ab dem vierten Quartal wird sich dieses Wachstum aber abflachen, da wir bereits in Q4 2001 einen starken Zuwachs hatten.
Frage: Können Sie tatsächlich zur Zeit Prämienerhöhungen durchsetzen?
Wilhelm Zeller: Ja, ganz eindeutig. Die Situation verbessert sich für uns sogar von Quartal zu Quartal. Die stärksten Steigerungen erfahren wir in den USA.
Frage: Welches organische Wachstum erwarten Sie für dieses Jahr in der Personen-Rückversicherung?
Wilhelm Zeller: Wir planen in der Personen-Rückversicherung ein organisches Wachstum von mindestens 15 Prozent. Das gilt auch für das nächste Jahr.
Frage: ...und wie zufrieden sind Sie mit dem Verlauf im Programmgeschäft und der Rückversicherungen für Finanzen Finanz Rückversicherung?
Wilhelm Zeller: Das Programmgeschäft entwickelt sich im laufenden Jahr sehr erfreulich. Dieses Jahr erwarten wir hier ein operatives Ergebnis von über 50 und im kommenden Jahr über 60 Millionen Euro. Außerdem ist das Geschäft auf einem guten Wachstumspfad. In der Finanz-Rückversicherung wird aufgrund der exorbitanten Entwicklung der beiden Vorjahre das Wachstum abflachen. Das gilt aber nicht in gleichem Maße für das Ergebnis, welches in diesem Geschäftsfeld etwas phasenverschoben anfällt. Wir erwarten ein operatives Ergebnis von gut 70 Millionen und in 2003 über 80 Millionen Euro.
Frage: Sie wollen in diesem Jahr einen operativen Ertrag von 600 Millionen und einen Konzerngewinn von 300 Millionen Euro erwirtschaften. Stehen die Ziele noch und was könnte Ihnen noch einen Strich durch Ihre Rechnung machen?
Wilhelm Zeller: Unsere Ziele stehen noch. Naturkatastrophen und sonstige Großschäden im vierten Quartal, die die genannte Marke von 5 Prozent der Selbstbehaltsprämie in der Schaden-Rückversicherung deutlich überschreiten, und/oder eine weitere gravierende Verschlechterung an den Kapitalmärkten würden wir sicherlich nicht mehr einfach so wegstecken. Wenn der Dax zum Beispiel nachhaltig unter die Marke von 3000 Punkten fällt, gefährdet das die Realisierung unserer Ziele. Kommt es im vierten Quartal jedoch zu keinen größeren Schäden, und wir liegen deutlich unter den genannten 5 Prozentpunkten für Großschäden, wäre selbst eine derartige Schwäche an den Kapitalmärkten kompensierbar.
Frage: Ihre Eigenmittelausstattung ist sehr dünn. Eine Kapitalmaßnahme ist unumgänglich. Was haben Sie vor?
Wilhelm Zeller: Die Eigenkapitalquote ist nicht dünn, wenn man genau hinschaut. Die Hannover Rück läuft in diesem Jahr auf eine Bruttoprämie von 14 Milliarden zu und hat ein sichtbares Eigenkapital von 1,6 Milliarden Euro. Das sieht in der Tat nach dünner Eigenkapitaldecke aus. Man muss diese beiden Werte aber relativieren. Die mit Eigenmittel zu unterlegende Selbstbehaltsprämie liegt bei 8 bis 9 Milliarden Euro. Wir haben des Weiteren nicht nur die kapitalintensive Schaden-Rückversicherung, sondern mit Personen- und Finanz-Rückversicherung zwei sehr kapitalunintensive Geschäftsfelder. Unterm Strich haben wir einen Kapitalbedarf von rund 25 Prozent der Selbstbehaltsprämie, d. h. 2 bis 2,25 Milliarden. Unsere 1,6 Milliarden in der US GAAP-Konzernbilanz ist lediglich die Shareholders’ Equity. Dazu kommen noch die Minderheitsanteile, also das Kapital, welches auf Minderheitsaktionäre bei Tochtergesellschaften entfällt. Aufsummiert ergibt dies einen Wert von rund 2 Milliarden Euro. Zusätzlich haben wir nachrangiges haftendes Kapital; man nennt das heute Hybridkapital. Das sind knapp 900 Millionen Euro. Darüber hinaus haben wir noch, was die Ratingagenturen "soft" bzw. "invisible capital" nennen. Das sind Vermögenswerte, die in der Bilanz nicht als solche ausgewiesen werden - z. B. der Netto-Portefeuillewert unserer Personen-Rückversicherung; das ist eine weitere Milliarde Euro. Die Ratingagenturen, denen wir diese unsichtbaren Vermögenswerte im Detail darlegen, sehen dieses als zusätzliches Kapital an. Wenn Sie also unsere Finanzkraft bewerten wollen, müssen Sie aufs Rating und dessen Begründung sehen. Unser Standard & Poor’s-Rating lautet AA und hat einen "stable outlook".
Frage: Sie schließen aber eine Kapitalerhöhung nicht grundsätzlich aus?
Wilhelm Zeller: Wer derart stark wächst wie wir - in der kapitalintensiven Schaden-Rückversicherung um 90 Prozent im ersten Halbjahr -, der muss über kurz oder lang eine Kapitalerhöhung ins Auge fassen. In welcher Form dies geschieht klassisches Eigen- oder Hybridkapital -, ist eine andere Frage. Ebenfalls auf einem anderen Blatt steht, wann wir das gegebenenfalls tun.
Frage: Das Kursniveau lädt ja nicht gerade zu einer Kapitalmaßnahme ein.
Wilhelm Zeller: Sie sagen es! Im gegenwärtigen Marktumfeld werden wir alles, nur keine Eigenkapital-Erhöhung über die Börse in Angriff nehmen. Schließlich haben wir ja keine Eile. Wir bereiten uns auf alles vor, halten uns aber auch alle Optionen offen.
Frage: Mit welchen Wachstumsraten rechnen Sie im kommenden Jahr?
Wilhelm Zeller: Im kommenden Jahr wird sich unser Wachstum verlangsamen, wir sind schließlich in den letzten Quartalen in der Schaden-Rückversicherung jeweils um fast 100 Prozent gewachsen. Trotzdem streben wir weiterhin ein zweistelliges Wachstum der Bruttoprämie an. Ziel beim operativen Ergebnis und beim Ergebnis pro Aktie ist eine zweistellige Steigerung pro Jahr. Das gilt selbstverständlich auch für nächstes Jahr. Erreichen wir in 2002 die 300 Millionen Gewinn nach Steuern, bedeutet das für 2003 mindestens 330 Millionen Euro.
Frage: Wann spiegeln sich diese erfreulichen Zahlen im Aktienkurs wieder. Die Börse bewertet die Hannover Rück lediglich mit einem KGV von 7 für das laufende Geschäftsjahr bei hochprofitablem, zweistelligen Wachstumskurs?
Wilhelm Zeller: Der Aktienkurs setzt sich aus zwei Komponenten zusammen: dem Gewinn je Aktie und dem Multiplikator, den der Markt dafür zahlt: das Kurs/Gewinn-Verhältnis (KGV). Den Gewinn je Aktie generieren wir, das KGV bestimmt der Markt. Genauso wie die Euphorie bis Anfang 2000 mit ihren weit überzogenen KGVs für unprofitable Hoffnungswerte, insbesondere am Neuen Markt, übertrieben war, ist der Pessimismus mit einstelligen KGVs für etablierte, erfolgreiche und profitable Unternehmen wie uns eine Übertreibung nach unten. Genauso wie die übertriebene Euphorie ihre Korrektur erfahren hat, wird sich der gegenwärtige Pessimismus - früher oder später - auch wieder normalisieren. Dann wird das KGV für Hannover Rück wieder steigen, und der Aktienkurs wird angesichts unserer nachhaltigen Profitabilität überproportional zulegen. So einfach ist das!
Alles, was wir also für unsere Aktionäre tun können ist: unbeirrt unseren Erfolgskurs weiterverfolgen.
Frage: Lassen Sie Ihre Aktionäre in diesem Jahr an Ihrem Gewinn teilhaben?
Wilhelm Zeller: Wir waren immer ein Unternehmen, welches eine sehr komfortable Dividende ausgeschüttet hat. In 2001 mussten wir dies wegen der Auswirkungen der Terroranschläge leider unterbrechen. Wir werden aber auf das Niveau von 2000 wieder zurückkehren. Das waren exklusive eines Bonus rund 90 Millionen Euro. Der Vorteil eines niedrigen Kurses ist bei Hannover Rück wenigstens, dass man eine attraktive Dividendenrendite hat.
Herr Zeller, wir bedanken uns für das ausführliche Gespräch.
23.09.2002 14:52:00
Frage: Herr Zeller, die Versicherungsbranche hat mit der Flutkatastrophe und der Situation am Kapitalmarkt in diesem Jahr gar nichts zu lachen. Wie steht es um die Hannover Rück?
Wilhelm Zeller: Zunächst einmal stellen für uns derartige Großschäden - ob aus Naturkatastrophen oder sonstigen Ursachen - nichts Außergewöhnliches dar. Solange sie einen gewissen Umfang nicht überschreiten. Dieser Umfang heißt bei uns bis zu 5 Prozent der Selbstbehaltsprämie der Schaden-Rückversicherung. Im ersten Quartal wurde diese Marke weit unterschritten, im zweiten und dritten Quartal erreicht. Auf die ersten neun Monate gerechnet sind wir also durchaus noch im Rahmen. Aber das Jahr ist noch nicht vorbei. Die sogenannte Hurrikansaison in der Karibik und die Taifunsaison in Fernost hält noch bis Oktober an. Und die "Erdbebensaison" dauert 365 Tage pro Jahr - es kann also immer noch etwas passieren.
Frage: Welche Auswirkungen hat das Hochwasser, um das in den letzten Wochen viel Wirbel in der Branche aufgekommen ist, für Ihr Unternehmen?
Wilhelm Zeller: Brutto kosten uns die Hochwasserschäden nach gegenwärtigen Erkenntnissen rund 150 Millionen Euro. Nach Inanspruchnahme der eigenen Rückversicherung verbleiben deutlich unter 100 Millionen vor und rund 50 Millionen Euro nach Steuern. Das liegt innerhalb des vorgenannten 5-Prozentpunkte-Rahmens.
Frage: Müssen Sie durch die Situation an den Finanzmärkten weitere Abschreibungen vornehmen?
Wilhelm Zeller: Das ist ein ernsteres und bedrohlicheres Thema für uns, wenn Sie auf den heutigen Kurszettel schauen. Wir haben im zweiten Quartal circa 48 Millionen Euro auf Aktien abgeschrieben. Das wird wahrscheinlich im dritten Quartal nochmals in ähnlicher Größenordnung erforderlich werden. Das Kapitalanlageergebnis wird in 2002 also deutlich unter unserer Planung bleiben. Gott sei Dank liegt unsere Aktienquote lediglich bei 7 Prozent. Anfang 2001 waren es noch 18 Prozent; hier haben wir also rechtzeitig gehandelt. Relativ gesehen, d. h. im Vergleich zu vielen anderen in unserer Branche, sind wir also noch recht gut dran, absolut gesehen gilt das aber nicht mehr.
Frage: Wollen Sie längerfristig Ihre Quote in Aktien wieder erhöhen?
Wilhelm Zeller: Strategisch und langfristig gesehen halten wir eine viel höhere Aktienquote für optimal. Aber für den Rest des Jahres sehen wir in allen wesentlichen Märkten bestenfalls eine Seitwärtsbewegung; unseren Aktienanteil werden wir daher in diesem Jahr sicher nicht erhöhen.
Frage: Lassen Sie uns über Ihr operatives Geschäft sprechen. Sind Sie im dritten Quartal auf Kurs und wie verläuft Ihre Sparte Schaden-Rückversicherung und welche Ziele verfolgen Sie hier?
Wilhelm Zeller: Die Schaden-Rückversicherung verläuft sehr positiv. Bereits vor dem 11. September hatte eine deutliche Marktverhärtung eingesetzt. Seit dem 11. September gibt es in vielen Segmenten ein Ungleichgewicht von Angebot und Nachfrage. Dieses Mal eben zu unseren Gunsten, vorher waren jahrelang die Rückversicherungs-kunden die Profiteure. Diese Situation hält an. Die Konditionen und die Preise ziehen weiter an, es gibt in keinem Segment irgendwelche Aufweichungs-erscheinungen. Für das dritte Quartal erwarten wir ein Wachstum in der Größenordnung des ersten Halbjahres, also um etwa 90 Prozent. Ab dem vierten Quartal wird sich dieses Wachstum aber abflachen, da wir bereits in Q4 2001 einen starken Zuwachs hatten.
Frage: Können Sie tatsächlich zur Zeit Prämienerhöhungen durchsetzen?
Wilhelm Zeller: Ja, ganz eindeutig. Die Situation verbessert sich für uns sogar von Quartal zu Quartal. Die stärksten Steigerungen erfahren wir in den USA.
Frage: Welches organische Wachstum erwarten Sie für dieses Jahr in der Personen-Rückversicherung?
Wilhelm Zeller: Wir planen in der Personen-Rückversicherung ein organisches Wachstum von mindestens 15 Prozent. Das gilt auch für das nächste Jahr.
Frage: ...und wie zufrieden sind Sie mit dem Verlauf im Programmgeschäft und der Rückversicherungen für Finanzen Finanz Rückversicherung?
Wilhelm Zeller: Das Programmgeschäft entwickelt sich im laufenden Jahr sehr erfreulich. Dieses Jahr erwarten wir hier ein operatives Ergebnis von über 50 und im kommenden Jahr über 60 Millionen Euro. Außerdem ist das Geschäft auf einem guten Wachstumspfad. In der Finanz-Rückversicherung wird aufgrund der exorbitanten Entwicklung der beiden Vorjahre das Wachstum abflachen. Das gilt aber nicht in gleichem Maße für das Ergebnis, welches in diesem Geschäftsfeld etwas phasenverschoben anfällt. Wir erwarten ein operatives Ergebnis von gut 70 Millionen und in 2003 über 80 Millionen Euro.
Frage: Sie wollen in diesem Jahr einen operativen Ertrag von 600 Millionen und einen Konzerngewinn von 300 Millionen Euro erwirtschaften. Stehen die Ziele noch und was könnte Ihnen noch einen Strich durch Ihre Rechnung machen?
Wilhelm Zeller: Unsere Ziele stehen noch. Naturkatastrophen und sonstige Großschäden im vierten Quartal, die die genannte Marke von 5 Prozent der Selbstbehaltsprämie in der Schaden-Rückversicherung deutlich überschreiten, und/oder eine weitere gravierende Verschlechterung an den Kapitalmärkten würden wir sicherlich nicht mehr einfach so wegstecken. Wenn der Dax zum Beispiel nachhaltig unter die Marke von 3000 Punkten fällt, gefährdet das die Realisierung unserer Ziele. Kommt es im vierten Quartal jedoch zu keinen größeren Schäden, und wir liegen deutlich unter den genannten 5 Prozentpunkten für Großschäden, wäre selbst eine derartige Schwäche an den Kapitalmärkten kompensierbar.
Frage: Ihre Eigenmittelausstattung ist sehr dünn. Eine Kapitalmaßnahme ist unumgänglich. Was haben Sie vor?
Wilhelm Zeller: Die Eigenkapitalquote ist nicht dünn, wenn man genau hinschaut. Die Hannover Rück läuft in diesem Jahr auf eine Bruttoprämie von 14 Milliarden zu und hat ein sichtbares Eigenkapital von 1,6 Milliarden Euro. Das sieht in der Tat nach dünner Eigenkapitaldecke aus. Man muss diese beiden Werte aber relativieren. Die mit Eigenmittel zu unterlegende Selbstbehaltsprämie liegt bei 8 bis 9 Milliarden Euro. Wir haben des Weiteren nicht nur die kapitalintensive Schaden-Rückversicherung, sondern mit Personen- und Finanz-Rückversicherung zwei sehr kapitalunintensive Geschäftsfelder. Unterm Strich haben wir einen Kapitalbedarf von rund 25 Prozent der Selbstbehaltsprämie, d. h. 2 bis 2,25 Milliarden. Unsere 1,6 Milliarden in der US GAAP-Konzernbilanz ist lediglich die Shareholders’ Equity. Dazu kommen noch die Minderheitsanteile, also das Kapital, welches auf Minderheitsaktionäre bei Tochtergesellschaften entfällt. Aufsummiert ergibt dies einen Wert von rund 2 Milliarden Euro. Zusätzlich haben wir nachrangiges haftendes Kapital; man nennt das heute Hybridkapital. Das sind knapp 900 Millionen Euro. Darüber hinaus haben wir noch, was die Ratingagenturen "soft" bzw. "invisible capital" nennen. Das sind Vermögenswerte, die in der Bilanz nicht als solche ausgewiesen werden - z. B. der Netto-Portefeuillewert unserer Personen-Rückversicherung; das ist eine weitere Milliarde Euro. Die Ratingagenturen, denen wir diese unsichtbaren Vermögenswerte im Detail darlegen, sehen dieses als zusätzliches Kapital an. Wenn Sie also unsere Finanzkraft bewerten wollen, müssen Sie aufs Rating und dessen Begründung sehen. Unser Standard & Poor’s-Rating lautet AA und hat einen "stable outlook".
Frage: Sie schließen aber eine Kapitalerhöhung nicht grundsätzlich aus?
Wilhelm Zeller: Wer derart stark wächst wie wir - in der kapitalintensiven Schaden-Rückversicherung um 90 Prozent im ersten Halbjahr -, der muss über kurz oder lang eine Kapitalerhöhung ins Auge fassen. In welcher Form dies geschieht klassisches Eigen- oder Hybridkapital -, ist eine andere Frage. Ebenfalls auf einem anderen Blatt steht, wann wir das gegebenenfalls tun.
Frage: Das Kursniveau lädt ja nicht gerade zu einer Kapitalmaßnahme ein.
Wilhelm Zeller: Sie sagen es! Im gegenwärtigen Marktumfeld werden wir alles, nur keine Eigenkapital-Erhöhung über die Börse in Angriff nehmen. Schließlich haben wir ja keine Eile. Wir bereiten uns auf alles vor, halten uns aber auch alle Optionen offen.
Frage: Mit welchen Wachstumsraten rechnen Sie im kommenden Jahr?
Wilhelm Zeller: Im kommenden Jahr wird sich unser Wachstum verlangsamen, wir sind schließlich in den letzten Quartalen in der Schaden-Rückversicherung jeweils um fast 100 Prozent gewachsen. Trotzdem streben wir weiterhin ein zweistelliges Wachstum der Bruttoprämie an. Ziel beim operativen Ergebnis und beim Ergebnis pro Aktie ist eine zweistellige Steigerung pro Jahr. Das gilt selbstverständlich auch für nächstes Jahr. Erreichen wir in 2002 die 300 Millionen Gewinn nach Steuern, bedeutet das für 2003 mindestens 330 Millionen Euro.
Frage: Wann spiegeln sich diese erfreulichen Zahlen im Aktienkurs wieder. Die Börse bewertet die Hannover Rück lediglich mit einem KGV von 7 für das laufende Geschäftsjahr bei hochprofitablem, zweistelligen Wachstumskurs?
Wilhelm Zeller: Der Aktienkurs setzt sich aus zwei Komponenten zusammen: dem Gewinn je Aktie und dem Multiplikator, den der Markt dafür zahlt: das Kurs/Gewinn-Verhältnis (KGV). Den Gewinn je Aktie generieren wir, das KGV bestimmt der Markt. Genauso wie die Euphorie bis Anfang 2000 mit ihren weit überzogenen KGVs für unprofitable Hoffnungswerte, insbesondere am Neuen Markt, übertrieben war, ist der Pessimismus mit einstelligen KGVs für etablierte, erfolgreiche und profitable Unternehmen wie uns eine Übertreibung nach unten. Genauso wie die übertriebene Euphorie ihre Korrektur erfahren hat, wird sich der gegenwärtige Pessimismus - früher oder später - auch wieder normalisieren. Dann wird das KGV für Hannover Rück wieder steigen, und der Aktienkurs wird angesichts unserer nachhaltigen Profitabilität überproportional zulegen. So einfach ist das!
Alles, was wir also für unsere Aktionäre tun können ist: unbeirrt unseren Erfolgskurs weiterverfolgen.
Frage: Lassen Sie Ihre Aktionäre in diesem Jahr an Ihrem Gewinn teilhaben?
Wilhelm Zeller: Wir waren immer ein Unternehmen, welches eine sehr komfortable Dividende ausgeschüttet hat. In 2001 mussten wir dies wegen der Auswirkungen der Terroranschläge leider unterbrechen. Wir werden aber auf das Niveau von 2000 wieder zurückkehren. Das waren exklusive eines Bonus rund 90 Millionen Euro. Der Vorteil eines niedrigen Kurses ist bei Hannover Rück wenigstens, dass man eine attraktive Dividendenrendite hat.
Herr Zeller, wir bedanken uns für das ausführliche Gespräch.