FLUT NEUER FINANZAKTIEN DRÜCKT AUF DIE KURSE
Nachdem die Banken vor einem Jahr durch staatliche Hilfen
gerettet wurden, ist nun die Zeit gekommen, wo diese Hilfen
zurückgezahlt werden. Die Rückzahlung ist an Auflagen geknüpft:
Die für die Rückzahlung verwendeten Gelder müssen zu einem
maßgeblichen Anteil frisches Eigenkapital der Banken sein. Es
dürfen also keine Kredite anderswo dafür aufgenommen werden.
Es dürfen auch nicht einfach erwirtschaftete Gewinne dafür
verwendet werden. Vielmehr müssen Anleger davon überzeugt
werden, dass die Bank ein Investment wert ist.
Anfang des Monats hat die Bank of America auf diese Weise
Aktien im Wert von knapp 20 Mrd. USD platziert. Anleger, die
ihre Schäfchen in Aktien wie Apple, J.P. Morgan oder Exxon
Mobil gesteckt hatten, wurden mit einem Angebot gelockt, ein
wenig Geld in die Bank of America umzuschichten.
Apple-Aktionäre sitzen beispielsweise auf einem Jahresgewinn
von schlappen 100%. Während der Dow Jones beispielsweise im
Vergleich zum Jahresbeginn heute nur um 20% höher steht, steht
die Aktie von Apple um satte 100% höher. Insbesondere
Fondsmanager, die in ihrem Portfolio eine ausgewogene
Diversifizierung realisieren müssen, werden zum Jahresende ein
Problem haben: Die Apple-Aktie ist zu schwer gewichtet.
So müssen diese Fondsmanager durchschnittlich 40% ihrer Apple-
Position verkaufen, um zum Jahreswechsel eine ausgewogene
Diversifikation wie vor einem Jahr realisieren zu können. Bei
Multi-Milliarden-Dollarfonds ist das schon eine hübsche Stange
Geld, die da zum Jahresende gedreht werden muss.
Schlimm genug, dass der Verkauf der Anteile den Aktienkurs von
Apple unter Druck setzt: Der Kurs ist in den vergangenen vier
Wochen um 8% zurückgekommen. Doch nun muss das Geld auch noch
in eine neue Aktie gesteckt werden, die bei so großen Käufen
schlimmstenfalls auch noch zu steigen beginnt.
Da kommt die Aktienplatzierung von der Bank of America wie
gerufen: Zu einem festen Preis können fast unendlich viele
Aktien gekauft werden. Insgesamt hat die Bank of America Aktien
im Wert von 20 Mrd. USD ausgegeben. Und niemand zweifelt mehr
daran, dass die inzwischen größte US-Bank im nächsten Jahr
wieder gute Geschäfte wird machen können. Die Aktienplatzierung
von der Bank of America war binnen kürzester Zeit ausverkauft.
Diese Woche nun kam auch Wells Fargo überraschend mit einem
entsprechenden Angebot an den Markt. Aktien im Wert von 10 Mrd.
USD wurden zu einem festen Preis platziert. Fonds, die auch im
Bereich der Finanztitel noch ein wenig diversifizieren wollten,
konnten sich bei Wells Fargo noch eindecken. Auch diejenigen,
die bei der Bank of America nicht schnell genug waren, bekamen
hier noch eine zweite Chance. Und, nachdem die
Aktienplatzierungen von Goldman Sachs und J.P. Morgan so
bejubelt wurden und auch die Bank of America eine Erfolgsstory
zu werden scheint, gab es noch eine ganze Reihe von Anlegern,
die in der Aktienplatzierung von Wells Fargo eine bessere
Chance sahen, als in ihren aktuellen Positionen.
Kein Wunder, denn in den Medien wird kaum etwas über die
Rekordumsätze im Einzelhandel berichtet. Es ist kaum etwas über
die Investitionswelle im Technologie-, insbesondere Chipsektor
zu lesen und die Kursanstiege der Rohstoffkonzerne werden gerne
als vorübergehend und auf tönernen Füßen stehend bezeichnet. Da
erscheint dann so eine Aktienplatzierung einer Bank richtig
chancenreich. Es wurden also von Wells Fargo sogar eine ganze
Reihe von Anlegern angesprochen, die ohne Not andere Aktien
verkauften und neue Wells Fargo Aktien dafür zeichneten.
Und nun, nur drei Tage später, kam die Citigroup mit einer
weiteren Aktienplatzierung. Und während schon die
Aktienplatzierung von der Bank of America die zweitgrößte der
vergangenen 10 Jahre war, so setzte die Citigroup noch ein paar
hundert Millionen oben drauf: 20,2 Mrd. USD betrug der Wert der
Aktien, die von der Citigroup vorgestern Nachmittag plötzlich
angeboten wurden.
„Wer kann das bezahlen? Wer hat das bestellt? Wer hat soviel
Pinke Pinke, wer hat soviel Geld?“, würden die Kölner nun
jammern. Schon im September hatte Vikram Pandit, CEO der
Citigroup, die US-Regierung gebeten, die Rückzahlung der TARP-
Hilfen zuzulassen. Doch Finanzminister Geithner blockte ab, er
sah die Zeit für noch nicht gekommen. Die Aktie der Citigroup
stand damals bei 5 USD.
Seither ist der Kurs sukzessive abgerutscht, zuletzt stand die
Citigroup knapp unter 4 USD. Und nachdem die Bank of America
sowie Wells Fargo grünes Licht aus Washington bekommen hatten,
fehlten die Argumente, um die Citigroup länger am Haken zu
halten: Auch die Citigroup erhielt grünes Licht. Doch leider
als letzte Bank und leider in so kurzer Abfolge, dass es kaum
mehr ausreichend Käufer gab, um diese Mega-Platzierung
aufzusaugen.
Das Resultat: Statt 5 USD vor drei Monaten erhielt die
Citigroup nunmehr nur noch 3,15 USD je Aktie. Zu einem höheren
Preis wäre sie ihre Aktien nicht losgeworden und das wäre noch
schlimmer gewesen.
Nun hält die US-Regierung noch weitere 33% der Citigroup-Aktien
(Nach der Aktienplatzierung ist es natürlich prozentual etwas
weniger geworden – Verwässerungseffekt). Geithner wollte
ursprünglich im Rahmen der Aktienplatzierung ebenfalls Aktien
für rund 5 Mrd. USD verkaufen und somit den Rückzug der
Regierung aus dieser Beteiligung einläuten. Ein wichtiges
Signal für den Markt!
Doch dieses Signal blieb aus: Geithner sagt, dass er zu diesem
niedrigen Kurs keine Anteile abgibt.
Damit befindet sich die Citigroup nun in den schlechtesten
aller Welten: Zu extrem negativen Konditionen wurden Gelder
eingesammelt, um sich aus der Leibeigenschaft der US-Regierung
freizukaufen. Doch nach der Transaktion verkündet der Gutsherr,
dass zwar die Schulden abbezahlt werden dürfen, das
Leibverhältnis werde jedoch zu einem späteren Zeitpunkt
beendet.
Ich erwarte für die nächsten Wochen eine moralische Diskussion:
Darf der Staat am Markt spekulieren? Oder ist er als Retter in
der Not eingesprungen und muss sich mit den Zinszahlungen
zufrieden geben, die auf die TARP-Hilfen berechnet werden?
Schon vor drei Monaten hatte Geithner in meinen Augen den
Fehler begangen, die Citigroup nicht freizulassen. Es gab
damals kein Argument mehr für eine Fortführung des
Leibverhältnissen, bis auf die Möglichkeit, auf einen höheren
Kurs in der Zukunft zu spekulieren. Diese Spekulation ist
damals schief gegangen, denn der Kurs fiel seither.
Und nun gibt es auch keinen Grund mehr für die US-Regierung,
die Aktien zu behalten. Die Citigroup ist wieder in der Lage,
auf eigenen Füßen zu stehen und braucht den Staat nicht mehr.
Doch der Staat behält die Anteile, um zu einem späteren
Zeitpunkt einen Gewinn damit für seine Steuerzahler erzielen zu
können.
Der regulativen Aufgabe des Staates wird die Spekulation nicht
gerecht. Wenngleich kein einziger Steuerzahler gerne sieht, wie
sein Geld vom Winde verweht wird, und wenngleich der Jubel groß
sein wird, wenn durch den nunmehr für das nächste Jahr
angekündigten Verkauf der Anteile dann tatsächlich Gewinne für
den Steuerzahler anfallen, so ist in meinen dennoch die
Spekulation am Markt ein Bereich, den der Staat nicht besetzen
darf.
Vor diesem Hintergrund wird es Sie nicht überraschen, wenn Sie
in der folgenden Übersicht sehen, dass der Dow Jones im
Wochenvergleich 0,9% abgegeben hat während der DAX um 2,4%
zulegen konnte. In den USA sind die verfügbaren Anlegergelder
von Wells Fargo und der Citigroup aufgesogen worden, da war für
eine kurstreibende Nachfrage bei anderen Aktien nichts mehr
übrig.
Die volle (for free) Ausgabe hier: www.heibel-ticker.de/archiv.php?standardID=230&start=0
Auszug aus dem aktuellen (free) Heibel Ticker, für den man sich per Email unter www.heibel-ticker.de registrieren kann. In der Regel jeden Freitag gegen 20:00 Uhr gibt es einen Rückblick auf die vergangene und einen Ausblick auf die kommenden Wochen. Sehr lesenswert!
Tune in >>> www.ibizaglobalradio.com
>>>>>> www.meinboersenblog.de <<<<<<