Hohe Renditen mit Wohnblöcken
Von Brigitte Haacke
Angelsächsische Fonds wollen an deutschen Wohnimmobilien verdienen: nicht durch Ausschlachten, sondern durch Professionalisierung. Aber wie kommt man mit deutschen Mietskasernen auf 20 Prozent jährliche Verzinsung und mehr, so wie es Finanzinvestoren planen? Und das beim restriktiven deutschen Mieterrecht?
Die Farbe ist schwer definierbar. Beige-grau-braun vielleicht. Der letzte Anstrich ist lange her. In sechs Etagen übereinander gestapelt kann man hier preiswert wohnen. Und immerhin mit Balkon. Die Mehrfamilienblöcke im Essener Arbeiterviertel Katernberg haben schon bessere Zeiten gesehen. Wer es sich leisten kann, zieht weg.
Schwer zu glauben, dass 138 000 Wohnungen in Blöcken wie diesen dem britischen Finanzinvestor Terra Firma sieben Milliarden Euro wert waren. Für diesen stolzen Preis erwarben die Angelsachsen im Sommer dieses Jahres die Eon-Immobilientochter Viterra, der die schmucklosen Kästen gehörten. Doch sie sind nicht die Einzigen, denen es deutsche Mietskasernen angetan haben: Vergangene Woche übernahm der US-Wettbewerber Cerberus von der Beteiligungsgesellschaft der Gewerkschaften (BGAG) deren Immobilientochter Baubecon mit 20 000 Wohnungen sowie 2 850 weitere von der BGAG gehaltene Wohnungen. Branchenkreise beziffern den Kaufpreis auf mehr als eine Milliarde Euro.
Der Eifer, mit dem angelsächsische Finanzinvestoren im deutschen Immobilienmarkt investieren, lässt viele staunen. Gewiss, das Eigenheim galt schon immer als sichere Anlage fürs Alter. Und mancher kaufte auch bisher schon eine Wohnung, um sie anschließend zu vermieten. Dabei kamen dann vielleicht vier, fünf oder auch sechs Prozent Rendite für den Privatmann heraus. Aber wie kommt man mit deutschen Mietskasernen auf 20 Prozent jährliche Verzinsung und mehr, so wie es Finanzinvestoren planen? Und das beim restriktiven deutschen Mieterrecht?
Die angelsächsischen Fonds schreckt das nicht. Denn der deutsche Wohnungsmarkt steht an einem Wendepunkt: Weg von einem vielfach öffentlich dominierten Wohnungssektor mit den üblichen Ineffizienzen hin zu einer professionell geführten Anlageklasse und wettbewerbsfähigen Renditen. Wer diese Transformation beherrscht, kann auch mit langweiligen Wohnblöcken Geld verdienen. "Mit der Übernahme deutscher Wohnungsgesellschaften werden zurzeit Vermögen verdient", sagt Andreas Lehner, Vorstandschef der börsennotierten Deutsche Wohnen.
Die Begeisterung der Ausländer für deutsche Immobilien wird von der Einschätzung geschürt, dass die Preise steigen werden. David Pascall, Deutschlandchef von Terra Firma: "Wir gehen davon aus, dass Immobilien in Deutschland derzeit unterbewertet sind." Die hiesigen Immobilienpreise sind auf dem Niveau von 1993. Wenn sie steigen, vollzieht Deutschland nur eine Entwicklung nach, die Amerika und das europäische Ausland schon hinter sich haben. Auch Deutsche-Wohnen-Chef Lehner glaubt, dass die Wohnungspreise anziehen, vor allem in zehn Schlüsselregionen wie Rhein-Main-Gebiet oder Hamburg.
Immobilien sind für Finanzinvestoren auch deshalb interessant, weil sie über die monatlichen Mieten einen äußerst stabilen Geldzufluss bieten. "98 Prozent der Mieter zahlen pünktlich ihre Miete, 90 Prozent sogar per Dauerauftrag", sagt Volker Riebel, Chef der Deutsche Annington Immobilien GmbH (DAIG). Ein Traum für Private-Equity-Fonds: Mit den Mieteinnahmen lassen sich Zins und Tilgung für die Übernahmefinanzierung bequem bedienen.
Damit sie im Wohnungsgeschäft auf Eigenkapitalrenditen von jährlich über 20 Prozent kommen, drehen die Immobilienprofis an drei Stellschrauben: Sie heben Effizienzreserven in der Wohnungsverwaltung, finanzieren die Übernahme mit viel Fremdkapital und verkaufen möglichst viele Wohnungen an ihre eigenen Mieter.
Den Angelsachsen kommt es sogar sehr gelegen, dass der hiesige Immobilienmarkt in weiten Teilen wesentlich unprofessioneller organisiert ist als im Ausland. Das reduziert die Übernahmepreise und lässt Spielraum für operative Verbesserungen. Anders als in den USA sind die meisten großen Immobilienportfolios in Deutschland heute noch in öffentlicher oder genossenschaftlicher Hand. 3,3 Millionen Wohnungen halten Länder und Kommunen, weitere 1,7 Millionen Genossenschaften. An der Spitze landeseigener und kommunaler Wohnungsgesellschaften sitzen oft abgehalfterte Politiker mit Versorgungsposten.
Wenn diese Gesellschaften an angelsächsische Fonds verkauft werden, setzen die Finanzinvestoren in der Regel als Erstes ein professionelles Management ein. Die Profis steigern dann die Mieteinnahmen und senken die laufenden Kosten. "Bei öffentlichen Wohnungsgesellschaften lassen sich die Modernisierungs- und Instandhaltungsaufwendungen oft um ein Drittel reduzieren", sagt Deutsche-Wohnen-Chef Lehner. Damit kann man den Eigenkapitalwert einer Immobiliengesellschaft bereits in kurzer Zeit mehr als verdoppeln (siehe Fallbeispiel).
Wie das laufen kann, zeigt das Beispiel der Eisenbahnerwohnungen. Terra Firma hatte 2001 von der Bahn 64 000 ehemalige Werkswohnungen gekauft und daraus die heutige Deutsche Annington geformt. Die Briten führten die zehn separaten Gesellschaften zu einer zusammen. Sie systematisierten Prozesse von der Ausschreibung über Vermietung und Verwaltung, bündelten den Einkauf und vereinheitlichten IT-Systeme. Der Leerstand sank von vier auf unter ein Prozent. Die DAIG reduzierte die Kosten um rund 30 Prozent, ohne dass die Leistungen darunter gelitten hätten, behauptet jedenfalls Geschäftsführer Riebel.
Seit die DAIG im Mai dieses Jahres die Eon-Tochter Viterra übernommen hat, ist sie mit insgesamt rund 230 000 Wohnungen das größte Wohnungsunternehmen in Deutschland. Zusammen kommen die Gesellschaften auf einen Umsatz von mehr als 1,5 Milliarden Euro pro Jahr. Der kombinierte jährliche Cash-Flow dürfte bei jährlich über 700 Millionen Euro liegen. Doch bei der Viterra ähnliche Effizienzreserven zu heben wie bei den Eisenbahnerwohnungen, wird schwer: Die Eon-Tochter wurde schon vor der Übernahme professionell geführt und warf stattliche Gewinne ab.
So sind die Angelsachsen bei der Integration nicht zimperlich: 500 der insgesamt 1 900 Arbeitsplätze sollen gestrichen werden. Insider schätzen, dass dazu noch die rund 160 Arbeitsplätze bei der Immobilienentwicklung und der hauseigenen IT kommen könnten, wenn die DAIG für die Gesellschaften keinen Käufer findet. Die bisher fünf Verwaltungsstandorte werden am Sitz der ehemaligen Veba Immobilien in Bochum zusammengeführt. Die Viterra-Leute sind von der Härte der Einschnitte überrascht. Allerdings hatte man bei Terra Firma schon vor der Übernahme kritisiert, dass die Viterra zwar doppelt so viele Wohnungen verwaltet wie die DAIG, dafür aber dreimal so viele Mitarbeiter beschäftigt.
Für die Mieter muss die Übernahme durch einen Finanzinvestor kein Nachteil sein. "Im Gegenteil", verspricht Riebel: "Wir investieren in die Zufriedenheit unserer Mieter. Es soll ihnen besser gehen als vorher. Denn nur ein zufriedener Mieter überlegt sich auch, seine Wohnung zu kaufen." Die Mieterprivatisierung ist Kernelement jeder Kalkulation eines Private-Equity-Fonds. Die Deutsche Annington beispielsweise hat bisher pro Jahr vier bis fünf Prozent des Bestands an ehemalige Mieter übergeben können. Bei den Viterra-Wohnungen in ehemaligen Bergarbeitersiedlungen in Duisburg, Bochum oder im Essener Norden könnte die DAIG allerdings Überraschungen erleben.
Doch selbst wenn Mieter nicht kaufen wollen, haben die Finanzinvestoren einen Anreiz, sie bei Laune zu halten. Zuverlässig zahlende Bewohner sind ein wichtiges Kapital. "Leere Wohnungen sind Geldvernichtung. Ein glücklicher Mieter ist ein entscheidendes Element, damit die Wohnung auch für Kapitalanleger werthaltig ist", sagt Thomas Zinnöcker, Chef der Berliner Wohnungsgesellschaft GSW, die von den Private-Equity-Investoren Cerberus und Whitehall übernommen wurde.
Damit die Mieter nach der Übernahme nicht nervös werden, gehen viele Finanzinvestoren weit reichende soziale Verpflichtungen ein. Die Gagfah-Sozial-Charta beispielsweise sichert den Mietern des Unternehmens einen erweiterten Kündigungsschutz weit über die gesetzlichen Vorgaben hinaus zu. Und bevor ihre Wohnungen weiterverkauft werden, haben Mieter ohnehin ein Vorkaufsrecht. Bei der GSW bekommen sie ein Vorzugsangebot, das bei 1 100 bis 1 150 Euro pro Quadratmeter liegt. Wer sich schnell entscheidet, bekommt weitere zehn Prozent Nachlass. Parallel sucht die GSW nach privaten Kapitalanlegern, die bei einer Ablehnung bereitstehen. Insgesamt 2 000 Wohnungen bietet die GSW derzeit ihren Mietern zum Kauf an.
Zinnöcker versteht die GSW als Referenzmodell: "Wir wollen beweisen, dass profitable, effizient geführte Immobilienunternehmen auch soziale Verantwortung wahrnehmen können." - "Wir halten die Augen offen", sagt Betriebsratschef Ralf Wittig, "aber bisher sind alle Versprechen gehalten worden."
Anders als die DAIG hat die GSW allerdings zusätzlich zur Mieterprivatisierung Blockverkäufe angekündigt. 9 500 Wohnungen sollen in zwei Paketen den Besitzer wechseln. Selbst die Präsidentin des Deutschen Mieterbundes, Anke Fuchs, sagt, dass Konflikte zwischen Mietern und auslän- » dischen Geldgebern bisher "eher die Ausnahme" seien.
Sofern es den Investoren gelingt, ausreichend viele Wohnungen an ihre Mieter zu verkaufen, können sie ihr eingesetztes Eigenkapital schon ein Jahr nach der Übernahme wieder zurückhaben (siehe Beispielrechnung im Kasten). Der Eigenkapitalanteil, den Private-Equity-Fonds beim Kauf von Immobiliengesellschaften einsetzen, liegt zurzeit bei höchstens zehn Prozent. Der hohe Fremdkapitalhebel verbunden mit niedrigen Zinsen sorgt für die zweistelligen Renditen der Investoren.
Die große Frage in der Kalkulation der Finanzinvestoren bleibt, wie sich die Fonds nach fünf, sieben oder auch zehn Jahren von den riesigen Beständen wieder trennen wollen. Fortress kündigte an, die Gagfah zusammen mit der jüngst gekauften Nileg an die Börse bringen zu wollen. "Eine elegantere Lösung für die Fonds wäre die Einführung der geplanten deutschen Immobilien-Trusts", sagt Bernd Kottmann, Vorstand bei der Immobiliengesellschaft IVG. Derzeit stehen die Chancen für die Einführung der so genannten Reits ganz gut.
So lange keine Entscheidung vorliegt, konzentrieren sich die Fonds auf Zukäufe. Die Deutsche Bank schätzt, dass bis 2010 bis zu eine Million weitere Wohneinheiten verkauft werden. Derzeit ist die Woba in Dresden mit 50 000 Wohnungen auf dem Markt. Zudem will die neue Landesregierung in Nordrhein-Westfalen die Landesentwicklungsgesellschaft (LEG) mit 106 000 Wohnungen loswerden.
Die Bestände sind nicht unproblematisch: Die LEG sitzt teilweise auf ehemaligen Neue-Heimat-Wohnungen in NRW. Die Woba ist als ostdeutsches Unternehmen in einem problematischen Immobilienmarkt aktiv. Die Chancen, dass sich auch für diese Problemkinder Käufer finden, sind trotzdem gut. Denn alle angelsächsischen Fonds wollen ihre Bestände in Deutschland aufstocken. Fortress kündigte an, mit Gagfah und Nileg zügig von 110 000 auf 150 000 Wohnungen wachsen zu wollen. Und DAIG-Deutschland-Chef Pascall will die Zahl der Wohnungen von heute 230 000 innerhalb von fünf bis zehn Jahren auf bis zu eine Million steigern.
Quelle: WirtschaftsWoche
Von Brigitte Haacke
Angelsächsische Fonds wollen an deutschen Wohnimmobilien verdienen: nicht durch Ausschlachten, sondern durch Professionalisierung. Aber wie kommt man mit deutschen Mietskasernen auf 20 Prozent jährliche Verzinsung und mehr, so wie es Finanzinvestoren planen? Und das beim restriktiven deutschen Mieterrecht?
Die Farbe ist schwer definierbar. Beige-grau-braun vielleicht. Der letzte Anstrich ist lange her. In sechs Etagen übereinander gestapelt kann man hier preiswert wohnen. Und immerhin mit Balkon. Die Mehrfamilienblöcke im Essener Arbeiterviertel Katernberg haben schon bessere Zeiten gesehen. Wer es sich leisten kann, zieht weg.
Schwer zu glauben, dass 138 000 Wohnungen in Blöcken wie diesen dem britischen Finanzinvestor Terra Firma sieben Milliarden Euro wert waren. Für diesen stolzen Preis erwarben die Angelsachsen im Sommer dieses Jahres die Eon-Immobilientochter Viterra, der die schmucklosen Kästen gehörten. Doch sie sind nicht die Einzigen, denen es deutsche Mietskasernen angetan haben: Vergangene Woche übernahm der US-Wettbewerber Cerberus von der Beteiligungsgesellschaft der Gewerkschaften (BGAG) deren Immobilientochter Baubecon mit 20 000 Wohnungen sowie 2 850 weitere von der BGAG gehaltene Wohnungen. Branchenkreise beziffern den Kaufpreis auf mehr als eine Milliarde Euro.
Der Eifer, mit dem angelsächsische Finanzinvestoren im deutschen Immobilienmarkt investieren, lässt viele staunen. Gewiss, das Eigenheim galt schon immer als sichere Anlage fürs Alter. Und mancher kaufte auch bisher schon eine Wohnung, um sie anschließend zu vermieten. Dabei kamen dann vielleicht vier, fünf oder auch sechs Prozent Rendite für den Privatmann heraus. Aber wie kommt man mit deutschen Mietskasernen auf 20 Prozent jährliche Verzinsung und mehr, so wie es Finanzinvestoren planen? Und das beim restriktiven deutschen Mieterrecht?
Die angelsächsischen Fonds schreckt das nicht. Denn der deutsche Wohnungsmarkt steht an einem Wendepunkt: Weg von einem vielfach öffentlich dominierten Wohnungssektor mit den üblichen Ineffizienzen hin zu einer professionell geführten Anlageklasse und wettbewerbsfähigen Renditen. Wer diese Transformation beherrscht, kann auch mit langweiligen Wohnblöcken Geld verdienen. "Mit der Übernahme deutscher Wohnungsgesellschaften werden zurzeit Vermögen verdient", sagt Andreas Lehner, Vorstandschef der börsennotierten Deutsche Wohnen.
Die Begeisterung der Ausländer für deutsche Immobilien wird von der Einschätzung geschürt, dass die Preise steigen werden. David Pascall, Deutschlandchef von Terra Firma: "Wir gehen davon aus, dass Immobilien in Deutschland derzeit unterbewertet sind." Die hiesigen Immobilienpreise sind auf dem Niveau von 1993. Wenn sie steigen, vollzieht Deutschland nur eine Entwicklung nach, die Amerika und das europäische Ausland schon hinter sich haben. Auch Deutsche-Wohnen-Chef Lehner glaubt, dass die Wohnungspreise anziehen, vor allem in zehn Schlüsselregionen wie Rhein-Main-Gebiet oder Hamburg.
Immobilien sind für Finanzinvestoren auch deshalb interessant, weil sie über die monatlichen Mieten einen äußerst stabilen Geldzufluss bieten. "98 Prozent der Mieter zahlen pünktlich ihre Miete, 90 Prozent sogar per Dauerauftrag", sagt Volker Riebel, Chef der Deutsche Annington Immobilien GmbH (DAIG). Ein Traum für Private-Equity-Fonds: Mit den Mieteinnahmen lassen sich Zins und Tilgung für die Übernahmefinanzierung bequem bedienen.
Damit sie im Wohnungsgeschäft auf Eigenkapitalrenditen von jährlich über 20 Prozent kommen, drehen die Immobilienprofis an drei Stellschrauben: Sie heben Effizienzreserven in der Wohnungsverwaltung, finanzieren die Übernahme mit viel Fremdkapital und verkaufen möglichst viele Wohnungen an ihre eigenen Mieter.
Den Angelsachsen kommt es sogar sehr gelegen, dass der hiesige Immobilienmarkt in weiten Teilen wesentlich unprofessioneller organisiert ist als im Ausland. Das reduziert die Übernahmepreise und lässt Spielraum für operative Verbesserungen. Anders als in den USA sind die meisten großen Immobilienportfolios in Deutschland heute noch in öffentlicher oder genossenschaftlicher Hand. 3,3 Millionen Wohnungen halten Länder und Kommunen, weitere 1,7 Millionen Genossenschaften. An der Spitze landeseigener und kommunaler Wohnungsgesellschaften sitzen oft abgehalfterte Politiker mit Versorgungsposten.
Wenn diese Gesellschaften an angelsächsische Fonds verkauft werden, setzen die Finanzinvestoren in der Regel als Erstes ein professionelles Management ein. Die Profis steigern dann die Mieteinnahmen und senken die laufenden Kosten. "Bei öffentlichen Wohnungsgesellschaften lassen sich die Modernisierungs- und Instandhaltungsaufwendungen oft um ein Drittel reduzieren", sagt Deutsche-Wohnen-Chef Lehner. Damit kann man den Eigenkapitalwert einer Immobiliengesellschaft bereits in kurzer Zeit mehr als verdoppeln (siehe Fallbeispiel).
Wie das laufen kann, zeigt das Beispiel der Eisenbahnerwohnungen. Terra Firma hatte 2001 von der Bahn 64 000 ehemalige Werkswohnungen gekauft und daraus die heutige Deutsche Annington geformt. Die Briten führten die zehn separaten Gesellschaften zu einer zusammen. Sie systematisierten Prozesse von der Ausschreibung über Vermietung und Verwaltung, bündelten den Einkauf und vereinheitlichten IT-Systeme. Der Leerstand sank von vier auf unter ein Prozent. Die DAIG reduzierte die Kosten um rund 30 Prozent, ohne dass die Leistungen darunter gelitten hätten, behauptet jedenfalls Geschäftsführer Riebel.
Seit die DAIG im Mai dieses Jahres die Eon-Tochter Viterra übernommen hat, ist sie mit insgesamt rund 230 000 Wohnungen das größte Wohnungsunternehmen in Deutschland. Zusammen kommen die Gesellschaften auf einen Umsatz von mehr als 1,5 Milliarden Euro pro Jahr. Der kombinierte jährliche Cash-Flow dürfte bei jährlich über 700 Millionen Euro liegen. Doch bei der Viterra ähnliche Effizienzreserven zu heben wie bei den Eisenbahnerwohnungen, wird schwer: Die Eon-Tochter wurde schon vor der Übernahme professionell geführt und warf stattliche Gewinne ab.
So sind die Angelsachsen bei der Integration nicht zimperlich: 500 der insgesamt 1 900 Arbeitsplätze sollen gestrichen werden. Insider schätzen, dass dazu noch die rund 160 Arbeitsplätze bei der Immobilienentwicklung und der hauseigenen IT kommen könnten, wenn die DAIG für die Gesellschaften keinen Käufer findet. Die bisher fünf Verwaltungsstandorte werden am Sitz der ehemaligen Veba Immobilien in Bochum zusammengeführt. Die Viterra-Leute sind von der Härte der Einschnitte überrascht. Allerdings hatte man bei Terra Firma schon vor der Übernahme kritisiert, dass die Viterra zwar doppelt so viele Wohnungen verwaltet wie die DAIG, dafür aber dreimal so viele Mitarbeiter beschäftigt.
Für die Mieter muss die Übernahme durch einen Finanzinvestor kein Nachteil sein. "Im Gegenteil", verspricht Riebel: "Wir investieren in die Zufriedenheit unserer Mieter. Es soll ihnen besser gehen als vorher. Denn nur ein zufriedener Mieter überlegt sich auch, seine Wohnung zu kaufen." Die Mieterprivatisierung ist Kernelement jeder Kalkulation eines Private-Equity-Fonds. Die Deutsche Annington beispielsweise hat bisher pro Jahr vier bis fünf Prozent des Bestands an ehemalige Mieter übergeben können. Bei den Viterra-Wohnungen in ehemaligen Bergarbeitersiedlungen in Duisburg, Bochum oder im Essener Norden könnte die DAIG allerdings Überraschungen erleben.
Doch selbst wenn Mieter nicht kaufen wollen, haben die Finanzinvestoren einen Anreiz, sie bei Laune zu halten. Zuverlässig zahlende Bewohner sind ein wichtiges Kapital. "Leere Wohnungen sind Geldvernichtung. Ein glücklicher Mieter ist ein entscheidendes Element, damit die Wohnung auch für Kapitalanleger werthaltig ist", sagt Thomas Zinnöcker, Chef der Berliner Wohnungsgesellschaft GSW, die von den Private-Equity-Investoren Cerberus und Whitehall übernommen wurde.
Damit die Mieter nach der Übernahme nicht nervös werden, gehen viele Finanzinvestoren weit reichende soziale Verpflichtungen ein. Die Gagfah-Sozial-Charta beispielsweise sichert den Mietern des Unternehmens einen erweiterten Kündigungsschutz weit über die gesetzlichen Vorgaben hinaus zu. Und bevor ihre Wohnungen weiterverkauft werden, haben Mieter ohnehin ein Vorkaufsrecht. Bei der GSW bekommen sie ein Vorzugsangebot, das bei 1 100 bis 1 150 Euro pro Quadratmeter liegt. Wer sich schnell entscheidet, bekommt weitere zehn Prozent Nachlass. Parallel sucht die GSW nach privaten Kapitalanlegern, die bei einer Ablehnung bereitstehen. Insgesamt 2 000 Wohnungen bietet die GSW derzeit ihren Mietern zum Kauf an.
Zinnöcker versteht die GSW als Referenzmodell: "Wir wollen beweisen, dass profitable, effizient geführte Immobilienunternehmen auch soziale Verantwortung wahrnehmen können." - "Wir halten die Augen offen", sagt Betriebsratschef Ralf Wittig, "aber bisher sind alle Versprechen gehalten worden."
Anders als die DAIG hat die GSW allerdings zusätzlich zur Mieterprivatisierung Blockverkäufe angekündigt. 9 500 Wohnungen sollen in zwei Paketen den Besitzer wechseln. Selbst die Präsidentin des Deutschen Mieterbundes, Anke Fuchs, sagt, dass Konflikte zwischen Mietern und auslän- » dischen Geldgebern bisher "eher die Ausnahme" seien.
Sofern es den Investoren gelingt, ausreichend viele Wohnungen an ihre Mieter zu verkaufen, können sie ihr eingesetztes Eigenkapital schon ein Jahr nach der Übernahme wieder zurückhaben (siehe Beispielrechnung im Kasten). Der Eigenkapitalanteil, den Private-Equity-Fonds beim Kauf von Immobiliengesellschaften einsetzen, liegt zurzeit bei höchstens zehn Prozent. Der hohe Fremdkapitalhebel verbunden mit niedrigen Zinsen sorgt für die zweistelligen Renditen der Investoren.
Die große Frage in der Kalkulation der Finanzinvestoren bleibt, wie sich die Fonds nach fünf, sieben oder auch zehn Jahren von den riesigen Beständen wieder trennen wollen. Fortress kündigte an, die Gagfah zusammen mit der jüngst gekauften Nileg an die Börse bringen zu wollen. "Eine elegantere Lösung für die Fonds wäre die Einführung der geplanten deutschen Immobilien-Trusts", sagt Bernd Kottmann, Vorstand bei der Immobiliengesellschaft IVG. Derzeit stehen die Chancen für die Einführung der so genannten Reits ganz gut.
So lange keine Entscheidung vorliegt, konzentrieren sich die Fonds auf Zukäufe. Die Deutsche Bank schätzt, dass bis 2010 bis zu eine Million weitere Wohneinheiten verkauft werden. Derzeit ist die Woba in Dresden mit 50 000 Wohnungen auf dem Markt. Zudem will die neue Landesregierung in Nordrhein-Westfalen die Landesentwicklungsgesellschaft (LEG) mit 106 000 Wohnungen loswerden.
Die Bestände sind nicht unproblematisch: Die LEG sitzt teilweise auf ehemaligen Neue-Heimat-Wohnungen in NRW. Die Woba ist als ostdeutsches Unternehmen in einem problematischen Immobilienmarkt aktiv. Die Chancen, dass sich auch für diese Problemkinder Käufer finden, sind trotzdem gut. Denn alle angelsächsischen Fonds wollen ihre Bestände in Deutschland aufstocken. Fortress kündigte an, mit Gagfah und Nileg zügig von 110 000 auf 150 000 Wohnungen wachsen zu wollen. Und DAIG-Deutschland-Chef Pascall will die Zahl der Wohnungen von heute 230 000 innerhalb von fünf bis zehn Jahren auf bis zu eine Million steigern.
Quelle: WirtschaftsWoche