von Ralf Andreß
Die Aktien von Unternehmen aus der Medizintechnik - in Anlehnung an die Biotechs kurz Medtechs genannt - gehören zu den defensiven Werten, deren Geschäft auch in konjunkturell schwachen Phasen weiter floriert. Dies erklärt sich schon allein dadurch, dass bestimmte medizinische Leistungen in Anspruch genommen werden müssen und zwar unabhängig von der aktuellen Einkommenslage oder den Aussichten der Weltwirtschaft.
Untermauert wird der positive Trend der Medizintechniker vor allem durch demographische Faktoren: immer mehr Menschen bevölkern den Erdball und dank medizinischer Fortschritte steigt die allgemeine Lebenserwartung. Damit verbunden wachsen die Ausgaben für Krankenhausaufenthalte und Pflege. Das zwingt zu Einsparungen auf staatlicher Seite und damit zum Einsatz modernerer Geräte. Gleichzeitig steigt aber auch der Anspruch der Patienten auf effiziente und möglichst schonende Behandlungs- und Therapieformen. Auch dies stärkt die Position der Entwickler innovativer Hilfs- und Heilmittel.
Doch der erwartete Boom für den Gesundheitsmarkt nährt sich nicht nur aus medizinischen Notwendigkeiten. Deutlich wird dies etwa bei den wachsenden privaten Ausgaben für Schönheitsoperationen, die allein aus „ästhetischen“ Gründen durchgeführt werden. Auch in diesem Bereich, der vielleicht der einzige „konjunktursensible“ in diesem Segment ist, tummeln sich eine Vielzahl von Unternehmen aus der Medtech-Branche.
Breites Spektrum erschwert die Auswahl
So breit und heterogen die Antriebskräfte des Marktes sind, so weit ist auch das Spektrum der Werte, die dem Medizintechnik-Sektor zugeordnet werden. Es reicht von großkapitalisierten und hochprofitablen Konzernen bis zu kleinen innovativen Unternehmen, deren Wohl und Wehe von einem einzigen Produkt abhängt. Und auch die Zuordnung erweist sich immer wieder als schwierig zumal der Übergang zu anderen Sektoren - vor allem zur Biotechnologie - oft fließend ist.
Für den Investor bedeutet dies ein erhöhtes Maß an Aufmerksamkeit bei der Titelauswahl, da ein Vergleich der Branchenvertreter untereinander oft nur bedingt oder gar nicht möglich ist. Das nachfolgende Schema veranschaulicht die Aspekte, die professionelle Investoren (hier: Goldman Sachs) bei der Bewertung heranziehen:
Herz(schrittmacher) des Marktes
Die großen Namen im Medtech-Sektor kommen, wie in vielen anderen Branchen auch, aus den USA. Die unbestrittene Nummer Eins ist die vor über 50 Jahren gegründete Medtronic, die vor mehr als 40 Jahren den ersten batteriebetriebenen Herzschrittmacher entwickelten und seitdem ihre Expertise in diesem Teilmarkt weiter ausgebaut und gefestigt haben. Nach Unternehmensangaben werden heute mehr als die Hälfte aller weltweit implantierten Herzschrittmacher von Medtronic.
Produkte für die Kardiologie (Herz) sind zwar noch immer die wichtigsten Umsatzsäule des 50-Milliarden-Dollar schweren Konzerns, die Angebotspalette wurde inzwischen aber auf eine Vielzahl anderer Bereiche ausgedehnt. Unter anderem zählen hierzu Geräte und Systeme zum Einsatz in der Herz-, Gefäß- und Neurochirurgie oder seit Kurzem für die Diabetes-Behandlung.
Auch in Hinblick auf die fundamentalen Daten ist die Bilanz von Medtronic imposant. Seit 1985 kann das Unternehmen Umsatz und Gewinn stetig mit hohen zweistelligen Zuwachsraten steigern und es gibt wenig Grund an einer Fortsetzung dieses Trends zu zweifeln. Entsprechend zuversichtlich fällt das Votum von Analysten aus, die beinahe einhellig zum Kauf der Aktie raten.
Auch europäische Werte glänzen
Andere große amerikanische Akteure sind Baxter, Guidant, Becton Dickinson, Stryker,(zu Stryker später ein neuer Thread) Biomet oder St. Jude, wobei selbst der kleinste der genannten Werte - St. Jude - in etwa das gleiche Gewicht auf die Börsenwaage wie die größten europäischen Branchenvertreter Synthes-Stratec und Fresenius Medical Care (FMC), die bei vielen Analysten auf den Empfehlungslisten stehen.
Die schweizerische Synthes-Stratec brillierte unlängst zum wiederholten Male mit ausgezeichneten Quartalsergebnissen, die den Aufwärtstrend des Unternehmens bestätigten. Der Produkt-Fokus liegt auf der Osteosynthese (operatives Verfahren zur Wiederherstellung der vollen Funktionalität nach Frakturen), ein augenscheinlich hoch lukratives Geschäft. Denn mit einer Gewinnmarge von mehr als 40% vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen, stellen die Eidgenossen die gesamte Konkurrenz in den Schatten.
Nicht ganz so lukrativ ist das Geschäft der deutschen FMC, die aber dennoch zu den Börsenfavoriten im Medtech-Sektor gehört. Dies verdankt der Weltmarktführer für Dialyse-Technik zur Behandlung von Nierenfunktionsstörungen zum einen der im Sektorvergleich niedrigen Bewertung, sowie der Zuversicht, dass das Gewinnwachstum in den kommenden Jahren an Dynamik gewinnen soll.
Deutsche im Schatten der Schweizer
Neben diesen beiden, die durchaus auch in jedem Standardwerte-Depot Berücksichtigung finden sollten, tummeln sich gerade in der Schweiz und in Deutschland auch eine Reihe kleinerer Medizintechniker in den jeweiligen Wachstumssegmenten. Dabei scheinen Medtech-Aktien gerade im Windschatten der schweizerischen Pharmariesen Novartis und Roche besonders gut zu gedeihen. Interessante Namen aus der Alpenrepublik sind etwa Disetronic, Jomed oder Card-Guard.
Demgegenüber stehen die Vertreter am Neuen Markt noch immer etwas im Schatten, was vor allem auf die in die zum Teil extrem niedrige Marktkapitalisierung zurückzuführen sein dürfte, da sie damit für große institutionelle Anleger uninteressant werden. Trotzdem verbirgt sich in dem kleinsten Untersektor des Neuen Marktes manche Perle, die nicht nur zum Börsengang glänzende Perspektiven versprach, sondern die Planzahlen im Nachhinein auch erfüllen konnte.
Perlen am Neuen Markt
Beispiele hierfür sind die beiden Spezialisten für minimalinvasive Chirurgie W.O.M. und Biolitec, sowie United Medical Systems (UMS), die sich darauf spezialisiert haben mobile medizintechnische Geräte sowie das entsprechende Fachpersonal an Kliniken oder Praxen „auszuleihen“. Für die Klinikbetreiber entfällt somit die kostspielige Anschaffung und die Geräte werden optimal ausgelastet. Die Aktie hat auch jenseits des Emissionskonsortiums einige Analysten von ihrem Geschäftsmodell überzeugen können und wird unter anderen von der Credit Suisse First Boston und der Landesbank Baden-Württemberg zum Kauf empfohlen.
Ebenfalls im Plan bewegt sich die Berliner Eckert & Ziegler, die im ersten Halbjahr Rekordzahlen vorlegen konnte und ihre Plandaten unlängst bekräftigt hat. Die Gesellschaft entwickelt radioaktive Strahlenquellen für die Behandlung von Herz-Kreislauf- und Krebs-Erkrankungen. Allerdings lastet derzeit der Markteintritt eines Wettbewerbers bleischwer auf dem Kurs und die Analysten sind uneins. Während die DZ Bank zum Kauf rät, ist Equinet auf die Seite der Zweifler gegangen. Wer letztlich Recht behält, wird sich zeigen. Das Beispiel belegt jedoch, dass bei den kleinen Medizintechnikern viele Unwägbarkeiten drohen, die es im Vorfeld zu bedenken gilt.
Rösch braucht dringend seine Spritze
Denn längst nicht für jede brillante Idee eröffnet sich später auch ein großer Markt - oder aber die Zeitspanne die bis dahin vergeht, zieht sich in die Länge. Diese schmerzliche Erkenntnis machen seit einiger Zeit die Aktionäre der ebenfalls in Berlin beheimateten Rösch AG, die seit geraumer Zeit darauf wartet, endlich die Kassenzulassung für ihre „nadelfreie Spritze“ zu bekommen. Ohne die, wird es der Aktie kaum gelingen, das inzwischen erreichte Kurs-Tal wieder zu verlassen. Nach neuesten Angaben des Unternehmens soll dies vor Weihnachten der Fall sein. Bis dahin dürfte die Aktie allenfalls für sehr spekulative Anleger interessant sein.