Im Visier der Fahnder
Geschickt nutzt die Bundesregierung die Angst vor dem Terror, um die Jagd nach Steuersündern weiter zu perfektionieren. Was die Herren Eichel & Co. planen, wann die Steuerfahnder stutzig werden.
von UrsulaWanders und Martina Wewetzer
Für Schwarzgeld-Besitzer wird's jetzt richtig ungemütlich. Das von Hans Eichel geplante Anti-Terror-Paket taugt auch dazu, Steuersündern auf die Spur zu kommen. Per Rasterfahndung will der Finanzminister die Geldquellen des Terrors austrocknen. So sollen Banken künftig einer "Konten-Evidenz-Zentrale" beim Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen alle Konten melden. Noch beschwichtigt das Ministerium: Erfasst würden nur Stammdaten wie Namen und Datum der Konto-Eröffnung, nicht aber Umsätze. Offen ist, ob Finanzbehörden Zugriff auf die Datei bekommen. Eine weitere Neuerung ist die geplante "Zentralstelle für verfahrensunabhängige Finanzermittlungen". Sie soll Geldwäsche-Verdachtsanzeigen aus dem ganzen Land sammeln, auswerten und an die Ermittlungsbehörden weiterleiten. Zudem will der Finanzminister die Banken dazu verpflichten, verdächtige Kontobewegungen per EDV herauszufiltern. Doch schon vor dem 11. September galten strenge "Spielregeln". Bei Bargeschäften ab 30000 Mark nehmen die Banken die Personalien des Kunden auf. So will es das Geldwäschegesetz. Ein Problem für Steuersünder mit Schwarzgeld. Durch die Euro-Einführung droht es zu Spielgeld zu werden. Wer sein Bares außer Landes bringen will, muss ebenfalls aufpassen. Zollfahnder patrouillieren auf der Suche nach Geldwäschern in Grenznähe: auf Straßen, in Zügen und sogar auf Wanderwegen. Stichprobenartig werden Reisende gefragt, ob sie Geld oder Wertgegenstände im Wert von 30000 Mark oder mehr dabei haben. Wer das bejaht, muss eine Erklärung parat haben. Wer nein sagt, kann gefilzt werden. Finden die Beamten Bares, können sie es bei Geldwäscheverdacht beschlagnahmen. Für die Schwindelei ist ein Bußgeld fällig. Ebenso wie die Kontrollmitteilung ans Finanzamt. Das gleiche gilt, wenn Kontobelege gefunden werden. Das Geldwäschegesetz macht aber nicht nur Bargeld-Touristen zu schaffen. Wenn Banker hinter Kontobewegungen kriminelle Machenschaften vermuten, müssen sie Anzeige erstatten. Und die Staatsanwaltschaft schickt umgehend eine Kopie davon an den Fiskus. "Wir müssen aufpassen, dass die Geldwäschegesetzgebung nicht zu einem Instrumentarium gegen Steuerhinterziehung verkümmert", mahnt der Frankfurter Oberstaatsanwalt Günter Wittig.
Geht es nach dem Willen der SPD, könnten bald noch mehr Sünder im Netz des Fiskus zappeln. Die Genossen wollen schwere Steuerhinterziehung zum Verbrechen aufwerten. Damit wäre auch dieser Tatbestand vom Geldwäschegesetz betroffen: Banker müssten ihre Kunden bei Hinterziehungsverdacht selbst ans Messer liefern. Denn andernfalls "würden auch sie Geldwäsche betreiben", erklärt SPD-Rechtsexperte Jürgen Meyer, der geistige Vater der Idee. Er versucht zugleich zu beruhigen: Es gehe nur um "Steuerhinterziehung, die von Banden oder gewerbsmäßig betrieben wird". Doch Wittig warnt: "Wenn schwere Steuerhinterziehung als Verbrechen gilt, bietet das Gesetz die Möglichkeit, Steuerhinterzieher und deren Gehilfen wie Schwerstkriminrelle zu verfolgen, etwa mit Wanzen und Telefonüberwachung." Die geplante Änderung der Geldwäsche-Richtlinie auf EU-Ebene verleiht dem Ganzen weitere Brisanz: So sollen künftig auch Anwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer ihre Mandanten anzeigen, wenn sie Geldwäsche wittern. Da passt es ins Bild, dass SPD-Vize Joachim Poß laut darüber nachdenkt, das Bankgeheimnis ganz oder in Teilen abzuschaffen. Poß will "Kontrollen bei Banken auch ohne konkrete Verdachtsmomente vornehmen" dürfen - und er hat es eilig. Sein Vorschlag soll zusammen mit Eichels Anti-Terror-Paket schon nächstes Jahr Realität werden. Der Finanzminister ist auch sonst kaum zu bremsen: Auf Umsatzsteuersünder setzt er 50 Prüfteams an. Verdächtig sind bereits Unternehmer, die nicht in der Nähe der Firma wohnen oder einen Anwalt haben, der wiederholt Steuerhinterzieher verteidigt hat. Ab 2002 dürfen Betriebsprüfer außerdem direkt Firmen-EDV-Systeme anzapfen. Folge: mehr Zufallsfunde - und Infos über Kunden.
Auch aus dem Ausland bläst Steuersündern der Wind ins Gesicht. Beispiel Spanien: "Von dort bekommen wir kartonweise Mitteilungen über deutsche Finca-Besitzer", schwärmt Bernd Heine, Leiter des Referats für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung bei der Oberfinanzdirektion München. Auch EU-Kandidaten wie Ungarn sind um ihr finanzpolitisches Ansehen bemüht. Noch in diesem Monat will das Parlament eine Regierungsvorlage absegnen, die vorsieht, Anfang Juni 2002 die Anonymität von Konten aufzuheben. Rund 1,18 Milliarden Euro sollen nach Meinung von Experten in Ungarn schlummern.
Klassische Steueroasen trocknen langsam aus
Ungemach droht auch aus den klassischen Steueroasen. Im vergangenen November hatte sich die Europäische Union auf eine einheitliche Zinsbesteuerung geeinigt. Spätestens ab 2010 sollen die Mitgliedsländer Kontrollmitteilungen über Zinseinkünfte an die Heimatfinanzämter verschicken. Eine einvernehmliche Regelung ist jedoch nicht in Sicht. Luxemburg und Österreich drohten bereits, dass sie sich an den EU-Kompromiss nicht mehr gebunden fühlen, wenn die Schweiz den Informationsaustausch mit der EU weiterhin verweigert. Und Liechtenstein hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass es sich nicht als verlängerten Arm der deutschen Steuerbehörden sieht. Dabei hatte sich Österreich zunächst kooperativ gezeigt und erklärt, bis Juni 2002 die so genannten anonymen Sparbücher abzuschaffen. Danach sind Transaktionen über 200000 österreichische Schilling nur noch möglich, wenn der Banker den Sparbuchinhaber anhand des Personalausweises identifiziert hat. Allerdings ist der Kunde nur der Bank bekannt und genießt weiterhin den Schutz des Bankgeheimnisses. Werden Sparbücher nicht identifiziert, "gehen Meldungen der Banken an die zentrale Geldwäschebehörde des österreichischen Innenministeriums", sagt Alfred Wurzer, Geschäftsführer der Sektion Banken und Versicherungen bei der Wirtschaftskammer Österreich. Bei Amts- oder Rechtshilfe bleibt Österreich dagegen zugeknöpft. Auskünfte gibt es nur bei Strafverfahren - und nur mit Gerichtsbeschluss und konkreten Fragen. Selbst das Schweizer Bankgeheimnis bekommt Löcher. Bei Delikten aus den Bereichen Straf-, Konkurs- oder Verwaltungsrecht brechen Banker ihre Schweigepflicht. Bei einfacher Steuerhinterziehung - nach Schweizer Lesart - schweigen die Eidgenossen. Anders bei Steuerbetrug, da leisten sie staatsübergeifend Rechtshilfe. Unter Steuerbetrug verstehe die Schweiz Steuerhinterziehung mittels gefälschter Urkunden, erklärt Markus Leitner, diplomatischer Mitarbeiter des eidgenössischen Departments für auswärtige Angelegenheiten. Im harten Alltag der Steuerfahnder trotzt das Schweizer Bankgeheimnis derzeit noch allen Anfeindungen. Sehr zum Verdruss des obersten deutschen Schwarzgeld-Fahnders Hans Eichel.
STEUERHINTERZIEHUNG: Volkssport mit teuren Folgen
Am Stammtisch sind Steuersünder die großen Helden. Fliegen sie auf, wird aus ihnen schnell ein Häufchen Elend.
Bei der mündlichen Verhandlung bricht Helmut Reimer (Name geändert) in Tränen aus: "Wenn ich ins Gefängnis muss, kann ich meinen Beruf an den Nagel hängen." Der Grund: Der 50-jährige Handwerker hatte vor vier Jahren schwarz verdientes Geld nach Luxemburg geschafft und kassierte seitdem fleißig Zinsen. Der deutsche Fiskus bekam Wind davon, als Zöllner bei einer Routinekontrolle verdächtige Kontoauszüge im Handschuhfach von Reimers Auto fanden. Vorsätzliche Steuerhinterziehung, lautete der Vorwurf. Und die ahndet der Staat nicht eben zimperlich: mit einer Geldstrafe oder einer Haftstrafe von bis zu fünf Jahren, in besonders schweren Fällen sogar bis zu zehn Jahren. Doch damit nicht genug. Die Steuern müssen nachgezahlt werden. Zudem fallen pro Jahr sechs Prozent Hinterziehungszinsen an. Besonders bitter: Strafrechtlich werden vorsätzliche Steuersünden zwar nur fünf Jahre verfolgt, doch steuerrechtlich verjähren sie erst nach zehn Jahren. Die Höhe der Geldstrafe errechnet sich anhand von Tagessätzen - einem Dreißigstel des Monatseinkommens. Faustregel: Bis 20000 Mark hinterzogener Steuern wird pro 250 Mark ein Tagessatz fällig. Von 20001 bis 100000 Mark kommt für jede weiteren 500 Mark ein Tagessatz hinzu. Die Frage Knast oder Kohle entscheiden die Gerichte im Einzelfall. Neben der Höhe der hinterzogenen Steuern spielt auch die kriminelle Energie des Sünders eine Rolle. "Ersttätern droht erst bei mehr als 360 Tagessätzen eine Haftstrafe. Bei mehreren Steuersünden beträgt die Geldstrafe maximal 720 Tagessätze", sagt Jörg Burkhard, Steuerstrafverteidiger aus Wiesbaden. Ab 90 Tagessätzen ist der Steuersünder vorbestraft. Bei Freiheitsstrafen ab zwei Jahren ist Bewährung nicht möglich. Ein großes Problem bei der Strafzumessung: die regionalen Unterschiede (siehe Tabelle). "In Berlin müssen Ersttäter schon ab 200000 Mark ins Gefängnis, in Frankfurt erst bei mehr als einer Million Mark", klagt Burkhard. Hätte Steuersünder Reimer sich nur wegen "leichtfertiger Steuerverkürzung" verantworten müssen, hätte ihm keine Strafe, sondern nur ein Bußgeld von höchstens 100000 Mark geblüht. Und: Das Finanzamt könnte Steuern plus Zinsen nur für fünf Jahre nachfordern. "Die Behörden unterstellen aber meist Vorsatz", weiß Rechtsanwalt Burkhard aus Erfahrung. Und so brummt das Gericht Reimer eine saftige Geldstrafe auf. Ins Gefängnis müsste er nur, wenn er nicht zahlen könnte. Umrechnungskurs: pro Tagessatz ein Tag Haft. Vielen Steuersündern bleibt eine Strafe erspart, weil sie sich mit den Behörden gegen Geldauflage außergerichtlich einigen. Anwalt Ingo Flore aus Dortmund: "Der Steuersünder kauft sich frei." Weiterer Ausweg in die Straffreiheit: die Selbstanzeige. Wer schriftlich beim Fiskus beichtet, muss weder Bußgeld noch Geld- oder Haftstrafe befürchten, wenn er die Steuer nebst Hinterziehungszinsen pünktlich nachzahlt. Das Finanzamt setzt eine Frist. Wichtig auch: Die Selbstanzeige muss rechtzeitig beim Finanzamt sein. Steht bereits ein Betriebsprüfer oder Steuerfahnder vor der Tür, ist es zu spät. Das gilt auch, wenn die Sünde bereits entdeckt ist und der Missetäter das wissen müsste, oder wenn er bereits weiß, dass ein Verfahren gegen ihn läuft.
info@finanzen.net
Geschickt nutzt die Bundesregierung die Angst vor dem Terror, um die Jagd nach Steuersündern weiter zu perfektionieren. Was die Herren Eichel & Co. planen, wann die Steuerfahnder stutzig werden.
von UrsulaWanders und Martina Wewetzer
Für Schwarzgeld-Besitzer wird's jetzt richtig ungemütlich. Das von Hans Eichel geplante Anti-Terror-Paket taugt auch dazu, Steuersündern auf die Spur zu kommen. Per Rasterfahndung will der Finanzminister die Geldquellen des Terrors austrocknen. So sollen Banken künftig einer "Konten-Evidenz-Zentrale" beim Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen alle Konten melden. Noch beschwichtigt das Ministerium: Erfasst würden nur Stammdaten wie Namen und Datum der Konto-Eröffnung, nicht aber Umsätze. Offen ist, ob Finanzbehörden Zugriff auf die Datei bekommen. Eine weitere Neuerung ist die geplante "Zentralstelle für verfahrensunabhängige Finanzermittlungen". Sie soll Geldwäsche-Verdachtsanzeigen aus dem ganzen Land sammeln, auswerten und an die Ermittlungsbehörden weiterleiten. Zudem will der Finanzminister die Banken dazu verpflichten, verdächtige Kontobewegungen per EDV herauszufiltern. Doch schon vor dem 11. September galten strenge "Spielregeln". Bei Bargeschäften ab 30000 Mark nehmen die Banken die Personalien des Kunden auf. So will es das Geldwäschegesetz. Ein Problem für Steuersünder mit Schwarzgeld. Durch die Euro-Einführung droht es zu Spielgeld zu werden. Wer sein Bares außer Landes bringen will, muss ebenfalls aufpassen. Zollfahnder patrouillieren auf der Suche nach Geldwäschern in Grenznähe: auf Straßen, in Zügen und sogar auf Wanderwegen. Stichprobenartig werden Reisende gefragt, ob sie Geld oder Wertgegenstände im Wert von 30000 Mark oder mehr dabei haben. Wer das bejaht, muss eine Erklärung parat haben. Wer nein sagt, kann gefilzt werden. Finden die Beamten Bares, können sie es bei Geldwäscheverdacht beschlagnahmen. Für die Schwindelei ist ein Bußgeld fällig. Ebenso wie die Kontrollmitteilung ans Finanzamt. Das gleiche gilt, wenn Kontobelege gefunden werden. Das Geldwäschegesetz macht aber nicht nur Bargeld-Touristen zu schaffen. Wenn Banker hinter Kontobewegungen kriminelle Machenschaften vermuten, müssen sie Anzeige erstatten. Und die Staatsanwaltschaft schickt umgehend eine Kopie davon an den Fiskus. "Wir müssen aufpassen, dass die Geldwäschegesetzgebung nicht zu einem Instrumentarium gegen Steuerhinterziehung verkümmert", mahnt der Frankfurter Oberstaatsanwalt Günter Wittig.
Geht es nach dem Willen der SPD, könnten bald noch mehr Sünder im Netz des Fiskus zappeln. Die Genossen wollen schwere Steuerhinterziehung zum Verbrechen aufwerten. Damit wäre auch dieser Tatbestand vom Geldwäschegesetz betroffen: Banker müssten ihre Kunden bei Hinterziehungsverdacht selbst ans Messer liefern. Denn andernfalls "würden auch sie Geldwäsche betreiben", erklärt SPD-Rechtsexperte Jürgen Meyer, der geistige Vater der Idee. Er versucht zugleich zu beruhigen: Es gehe nur um "Steuerhinterziehung, die von Banden oder gewerbsmäßig betrieben wird". Doch Wittig warnt: "Wenn schwere Steuerhinterziehung als Verbrechen gilt, bietet das Gesetz die Möglichkeit, Steuerhinterzieher und deren Gehilfen wie Schwerstkriminrelle zu verfolgen, etwa mit Wanzen und Telefonüberwachung." Die geplante Änderung der Geldwäsche-Richtlinie auf EU-Ebene verleiht dem Ganzen weitere Brisanz: So sollen künftig auch Anwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer ihre Mandanten anzeigen, wenn sie Geldwäsche wittern. Da passt es ins Bild, dass SPD-Vize Joachim Poß laut darüber nachdenkt, das Bankgeheimnis ganz oder in Teilen abzuschaffen. Poß will "Kontrollen bei Banken auch ohne konkrete Verdachtsmomente vornehmen" dürfen - und er hat es eilig. Sein Vorschlag soll zusammen mit Eichels Anti-Terror-Paket schon nächstes Jahr Realität werden. Der Finanzminister ist auch sonst kaum zu bremsen: Auf Umsatzsteuersünder setzt er 50 Prüfteams an. Verdächtig sind bereits Unternehmer, die nicht in der Nähe der Firma wohnen oder einen Anwalt haben, der wiederholt Steuerhinterzieher verteidigt hat. Ab 2002 dürfen Betriebsprüfer außerdem direkt Firmen-EDV-Systeme anzapfen. Folge: mehr Zufallsfunde - und Infos über Kunden.
Auch aus dem Ausland bläst Steuersündern der Wind ins Gesicht. Beispiel Spanien: "Von dort bekommen wir kartonweise Mitteilungen über deutsche Finca-Besitzer", schwärmt Bernd Heine, Leiter des Referats für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung bei der Oberfinanzdirektion München. Auch EU-Kandidaten wie Ungarn sind um ihr finanzpolitisches Ansehen bemüht. Noch in diesem Monat will das Parlament eine Regierungsvorlage absegnen, die vorsieht, Anfang Juni 2002 die Anonymität von Konten aufzuheben. Rund 1,18 Milliarden Euro sollen nach Meinung von Experten in Ungarn schlummern.
Klassische Steueroasen trocknen langsam aus
Ungemach droht auch aus den klassischen Steueroasen. Im vergangenen November hatte sich die Europäische Union auf eine einheitliche Zinsbesteuerung geeinigt. Spätestens ab 2010 sollen die Mitgliedsländer Kontrollmitteilungen über Zinseinkünfte an die Heimatfinanzämter verschicken. Eine einvernehmliche Regelung ist jedoch nicht in Sicht. Luxemburg und Österreich drohten bereits, dass sie sich an den EU-Kompromiss nicht mehr gebunden fühlen, wenn die Schweiz den Informationsaustausch mit der EU weiterhin verweigert. Und Liechtenstein hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass es sich nicht als verlängerten Arm der deutschen Steuerbehörden sieht. Dabei hatte sich Österreich zunächst kooperativ gezeigt und erklärt, bis Juni 2002 die so genannten anonymen Sparbücher abzuschaffen. Danach sind Transaktionen über 200000 österreichische Schilling nur noch möglich, wenn der Banker den Sparbuchinhaber anhand des Personalausweises identifiziert hat. Allerdings ist der Kunde nur der Bank bekannt und genießt weiterhin den Schutz des Bankgeheimnisses. Werden Sparbücher nicht identifiziert, "gehen Meldungen der Banken an die zentrale Geldwäschebehörde des österreichischen Innenministeriums", sagt Alfred Wurzer, Geschäftsführer der Sektion Banken und Versicherungen bei der Wirtschaftskammer Österreich. Bei Amts- oder Rechtshilfe bleibt Österreich dagegen zugeknöpft. Auskünfte gibt es nur bei Strafverfahren - und nur mit Gerichtsbeschluss und konkreten Fragen. Selbst das Schweizer Bankgeheimnis bekommt Löcher. Bei Delikten aus den Bereichen Straf-, Konkurs- oder Verwaltungsrecht brechen Banker ihre Schweigepflicht. Bei einfacher Steuerhinterziehung - nach Schweizer Lesart - schweigen die Eidgenossen. Anders bei Steuerbetrug, da leisten sie staatsübergeifend Rechtshilfe. Unter Steuerbetrug verstehe die Schweiz Steuerhinterziehung mittels gefälschter Urkunden, erklärt Markus Leitner, diplomatischer Mitarbeiter des eidgenössischen Departments für auswärtige Angelegenheiten. Im harten Alltag der Steuerfahnder trotzt das Schweizer Bankgeheimnis derzeit noch allen Anfeindungen. Sehr zum Verdruss des obersten deutschen Schwarzgeld-Fahnders Hans Eichel.
STEUERHINTERZIEHUNG: Volkssport mit teuren Folgen
Am Stammtisch sind Steuersünder die großen Helden. Fliegen sie auf, wird aus ihnen schnell ein Häufchen Elend.
Bei der mündlichen Verhandlung bricht Helmut Reimer (Name geändert) in Tränen aus: "Wenn ich ins Gefängnis muss, kann ich meinen Beruf an den Nagel hängen." Der Grund: Der 50-jährige Handwerker hatte vor vier Jahren schwarz verdientes Geld nach Luxemburg geschafft und kassierte seitdem fleißig Zinsen. Der deutsche Fiskus bekam Wind davon, als Zöllner bei einer Routinekontrolle verdächtige Kontoauszüge im Handschuhfach von Reimers Auto fanden. Vorsätzliche Steuerhinterziehung, lautete der Vorwurf. Und die ahndet der Staat nicht eben zimperlich: mit einer Geldstrafe oder einer Haftstrafe von bis zu fünf Jahren, in besonders schweren Fällen sogar bis zu zehn Jahren. Doch damit nicht genug. Die Steuern müssen nachgezahlt werden. Zudem fallen pro Jahr sechs Prozent Hinterziehungszinsen an. Besonders bitter: Strafrechtlich werden vorsätzliche Steuersünden zwar nur fünf Jahre verfolgt, doch steuerrechtlich verjähren sie erst nach zehn Jahren. Die Höhe der Geldstrafe errechnet sich anhand von Tagessätzen - einem Dreißigstel des Monatseinkommens. Faustregel: Bis 20000 Mark hinterzogener Steuern wird pro 250 Mark ein Tagessatz fällig. Von 20001 bis 100000 Mark kommt für jede weiteren 500 Mark ein Tagessatz hinzu. Die Frage Knast oder Kohle entscheiden die Gerichte im Einzelfall. Neben der Höhe der hinterzogenen Steuern spielt auch die kriminelle Energie des Sünders eine Rolle. "Ersttätern droht erst bei mehr als 360 Tagessätzen eine Haftstrafe. Bei mehreren Steuersünden beträgt die Geldstrafe maximal 720 Tagessätze", sagt Jörg Burkhard, Steuerstrafverteidiger aus Wiesbaden. Ab 90 Tagessätzen ist der Steuersünder vorbestraft. Bei Freiheitsstrafen ab zwei Jahren ist Bewährung nicht möglich. Ein großes Problem bei der Strafzumessung: die regionalen Unterschiede (siehe Tabelle). "In Berlin müssen Ersttäter schon ab 200000 Mark ins Gefängnis, in Frankfurt erst bei mehr als einer Million Mark", klagt Burkhard. Hätte Steuersünder Reimer sich nur wegen "leichtfertiger Steuerverkürzung" verantworten müssen, hätte ihm keine Strafe, sondern nur ein Bußgeld von höchstens 100000 Mark geblüht. Und: Das Finanzamt könnte Steuern plus Zinsen nur für fünf Jahre nachfordern. "Die Behörden unterstellen aber meist Vorsatz", weiß Rechtsanwalt Burkhard aus Erfahrung. Und so brummt das Gericht Reimer eine saftige Geldstrafe auf. Ins Gefängnis müsste er nur, wenn er nicht zahlen könnte. Umrechnungskurs: pro Tagessatz ein Tag Haft. Vielen Steuersündern bleibt eine Strafe erspart, weil sie sich mit den Behörden gegen Geldauflage außergerichtlich einigen. Anwalt Ingo Flore aus Dortmund: "Der Steuersünder kauft sich frei." Weiterer Ausweg in die Straffreiheit: die Selbstanzeige. Wer schriftlich beim Fiskus beichtet, muss weder Bußgeld noch Geld- oder Haftstrafe befürchten, wenn er die Steuer nebst Hinterziehungszinsen pünktlich nachzahlt. Das Finanzamt setzt eine Frist. Wichtig auch: Die Selbstanzeige muss rechtzeitig beim Finanzamt sein. Steht bereits ein Betriebsprüfer oder Steuerfahnder vor der Tür, ist es zu spät. Das gilt auch, wenn die Sünde bereits entdeckt ist und der Missetäter das wissen müsste, oder wenn er bereits weiß, dass ein Verfahren gegen ihn läuft.
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