Schreiben des Bundesaufsichtsamtes für den Wertpapierhandel an die Vorstände der börsennotierten Aktiengesellschaften
Frankfurt am Main, 28. Juni 1999
Sehr geehrte Damen und Herren,
seit Mai 1998 ist es den Aktiengesellschaften in erweitertem Umfang gestattet, eigene Aktien zu erwerben. Die Gesellschaft darf nunmehr auch aufgrund einer höchstens 18 Monate geltenden Ermächtigung der Hauptversammlung, welche den niedrigsten und höchsten Gegenwert sowie den Anteil am Grundkapital, der 10% nicht übersteigen darf, festlegt, eigene Aktien erwerben (§ 71 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 AktG). Der Erwerb und auch eine spätere Veräußerung kann entweder über die Börse oder über ein öffentliches Kaufangebot bzw. Verkaufsangebot erfolgen. Weiterhin kann die Hauptversammlung den Vorstand ermächtigen, die eigenen Aktien ohne weiteren Hauptversammlungsbeschluß einzuziehen.
Die Gesellschaft, die sich zum Erwerb eigener Aktien entschließt, unterliegt auch folgenden Regelungen des Aktiengesetzes und des Wertpapierhandelsgesetzes, die Mitteilungspflichten gegenüber dem BAWe und die Publizität betreffen.
1. Unterrichtung des BAWe über den Beschluß der Hauptversammlung (§ 71 Abs. 3 Satz 3 AktG)
Die Gesellschaft hat dem BAWe den Beschluß der Hauptversammlung, aus dem auch die näheren Gründe, der Zweck und der Umfang des Erwerbs eigener Aktien hervorgehen, unverzüglich nach Beschlußfassung zu übermitteln. Ich erlaube mir, an dieser Stelle an diese Pflicht zu erinnern.
2. Veröffentlichung und Mitteilung kursbeeinflussender Tatsachen
a) Ad hoc-Tatsachen (§ 15 WpHG)
Erhebliche Kursrelevanz kann dem Aktienrückkaufbeschluß des Vorstandes zukommen, von der Ermächtigung der Hauptversammlung zum Aktienrückkauf Gebrauch zu machen, der dann als Ad hoc-Tatsache nach § 15 WpHG zu publizieren ist (z.B. beim Rückkauf eigener Aktien zum Zwecke der Einziehung). Anzugeben ist, unter Bezugnahme auf die Ermächtigung der Hauptversammlung, der wesentliche Inhalt des Rückkaufbeschlusses. Darf der Aktienrückkauf nur mit Zustimmung des Aufsichtsrates durchgeführt werden, entsteht die Publizitätspflicht in jedem Fall erst dann, wenn entsprechende Beschlüsse des Vorstandes und des Aufsichtsrates vorliegen.
In den Beschlüssen des Vorstandes und des Aufsichtsrates, der Hauptversammlung vorzuschlagen, den Vorstand zu ermächtigen, bis zu 10% des Grundkapitals zurückzukaufen, ist ebenso wie im Ermächtigungsbeschluß der Hauptversammlung in der Regel noch keine Ad hoc-Tatsache zu sehen. Ob und in welchem Umfang der Vorstand von der Ermächtigung zum Aktienrückkauf Gebrauch machen wird und wann gegebenenfalls mit dem Rückkauf begonnen wird, kann zum Zeitpunkt dieser Beschlußfassungen in der Regel nicht beurteilt werden. Sofern jedoch in Sonderfällen schon zu einem früheren Zeitpunkt die überwiegende Wahrscheinlichkeit für die Umsetzung der Aktienrückkaufermächtigung besteht, kann bereits zu diesem Zeitpunkt eine Ad hoc-Publizitätspflicht gegeben sein.
b) Insidertatsachen (§ 13 WpHG)
Die Beschlüsse des Vorstandes und des Aufsichtsrates, der Hauptversammlung vorzuschlagen, den Vorstand zu ermächtigen, bis zu 10% des Grundkapitals zurückzukaufen, können ebenso wie der Ermächtigungsbeschluß der Hauptversammlung eine Insidertatsache darstellen. Es kann ratsam sein, die Öffentlichkeit über die Insidertatsache zu informieren. Dabei muß durch die Verbreitung an einen weiten unbestimmten Personenkreis gewährleistet sein, daß keine unbefugte Weitergabe einer Insidertatsache erfolgt. Nicht zu beanstanden ist aus Sicht des BAWe der Weg, die Insidertatsache gleichzeitig mehreren Nachrichtenagenturen zuzuleiten, wenn diese die Nachricht umgehend über ihre elektronischen Informationssysteme veröffentlichen und somit an eine Vielzahl angeschlossener Zeitungsredaktionen weiterleiten.
3. Veröffentlichungspflicht der börsennotierten Gesellschaft (§ 25 WpHG)
Sind die Aktien der Gesellschaft zum Börsenhandel mit amtlicher Notierung zugelassen, muß die Gesellschaft, sofern sie mindestens 5% der eigenen Aktien zurückgekauft hat, dies wie eine Mitteilung eines Inhabers bedeutender Stimmrechtsanteile in einem überregionalen Börsenpflichtblatt veröffentlichen (§ 25 Abs. 1 Satz 3 WpHG). Das bedeutet, die Gesellschaft muß spätestens neun Kalendertage, nachdem sie 5% oder mehr an eigenen Aktien erworben hat, das Erreichen oder das Überschreiten des Stimmrechtsanteils unter Angabe der Gesellschaft und ihres Sitzes in einem überregionalen Börsenpflichtblatt veröffentlichen. Im Fall der Veräußerung der zuvor erworbenen eigenen Aktien ist eine dementsprechende Erklärung mit dem Unterschreiten des Schwellenwerts zu veröffentlichen. Werden zunächst 5% der eigenen Aktien zurückgekauft und erfolgt später eine Aufstockung auf exakt 10% der eigenen Aktien, muß eine weitere Erklärung veröffentlicht werden, da der Schwellenwert von 10% erreicht worden ist. Die Gesellschaft hat dem BAWe unverzüglich einen Beleg über die Veröffentlichung zu übersenden (§ 25 Abs. 3 Satz 1 WpHG).
4. Mitteilungspflichten der Inhaber von Stimmrechtsanteilen, wenn die Gesellschaft eigene Aktien zurückkauft (§ 21 WpHG)
Der Gesetzgeber hat in der Begründung zu Art. 5 des Gesetzes zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich ausgeführt, daß infolge des Eigenerwerbs der Gesellschaft die Stimmrechtsgrenzen der übrigen Aktionäre nicht verändert werden, solange keine Einziehung der Aktien stattfindet. Dies bedeutet, daß beim Aktienrückkauf der Gesellschaft von Dritten die übrigen Inhaber von Stimmrechtsanteilen nicht kontrollieren müssen, ob sich ihr Anteil an den Stimmrechten verändert hat. Lediglich im Falle einer Einziehung der Aktien, also einer Herabsetzung des Grundkapitals, obliegt den übrigen Inhabern von Stimmrechtsanteilen die Pflicht zu prüfen, ob die Meldeschwellen berührt worden sind. Gegebenenfalls müssen die Inhaber von Stimmrechtsanteilen neue Mitteilungen nach § 21 Abs. 1 WpHG gegenüber der Gesellschaft und dem BAWe abgeben.
Mit freundlichen Grüßen
Wittich
Präsident
www.bawe.de/schr990628.htm