Aus der FTD vom 12.2.2003
Fed bereitet Zinssenkung vor
Von Thomas Klau, Brüssel, und Andreas Krosta, Frankfurt
Die Finanz- und Geldpolitik in Europa und den USA bereitet sich darauf vor, bei einem Krieg gegen Irak gegen einen neuen weltweiten Konjunktureinbruch einzugreifen. Der Chef der US-Notenbank Federal Reserve (Fed), Alan Greenspan, deutete vor dem US-Senat eine weitere Zinssenkung an.
Alan Greenspan
Zugleich signalisierte EU-Finanzkommissar Pedro Solbes überraschend klar seine Bereitschaft, bei einem Krieg die zeitweilige Aussetzung der normalen Regeln für die Haushaltspolitik der EU-Mitglieder zu befürworten. Dann würde der harte Sparzwang eines streng ausgelegten Stabilitätspakts gelockert.
Bundesfinanzminister Hans Eichel gab am Dienstag zu verstehen, dass er den Spielraum ausschöpfen werde. "Der Stabilitätspakt ist ja nicht statisch", sagte Eichel. "Das heißt, wenn das Wachstum noch schwächer wird, werden wir da nicht hinterhersparen."
Aufschub für Deutschland und Frankreich
Um den Stabilitätspakt weicher auszulegen, müsste der drohende Irak-Krieg von der Kommission als "außergewöhnliches Ereignis" im Sinn des EU-Vertrags festgestellt werden. Bisher ist diese Ausnahmeklausel nie angewandt worden. Deutschland hatte Mitte der 90er Jahre vergeblich darum gekämpft, ihre Anwendung strikt auf ganz außergewöhnlich schwere Rezessionen und Naturkatastrophen zu beschränken. Dagegen hatten sich Frankreich und andere gesperrt. Trotz dieser Flexibilität würde eine Interpretation des Irak-Krieges als "außergewöhnliches Ereignis" im Vertragssinn den Interpretationsspielraum sehr weit ausschöpfen.
Die Folgen besonders für Deutschland und Frankreich wären groß. Das deutsche Etatdefizit müsste dann nicht schon 2004, sondern erst 2005 wieder unter die Schwelle von 3,0 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gedrückt werden. Ähnliches gilt für Frankreich, dessen Etatdefizit 2003 leicht über die Höchstschwelle klettern könnte und möglicherweise schon 2002 darüber gestiegen ist.
Auch die Fed baut für den Kriegsfall vor. In Washington bezeichnete Fed-Chef Greenspan am Dienstag den drohenden Irak-Krieg als "abschreckende Barriere" für neue Investitionen. Die US-Notenbank rechne damit, dass die Wirtschaft sich erholen werde, wenn die Unsicherheit schwinde. "Wenn aber im Gegensatz zu unseren Erwartungen die Investitionszunahme weiter beschränkt bleibt, werden geld- und fiskalpolitische Initiativen zweifellos höher auf der Agenda stehen", sagte Greenspan.
Fed nimmt Wachstumsprognose zurück
Die Fed nahm zudem ihre diesjährige Wachstumsprognose für die amerikanische Wirtschaft von ehemals bis zu 4,0 Prozent auf nun 3,25 bis 3,5 Prozent zurück. Auch der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Wim Duisenberg, hatte in der vergangenen Woche mit Verweis auf die Stagnation in der Euro-Zone einem Zinsschritt den Weg bereitet. Ökonomen rechnen mit einer Zinssenkung zwischen März und Mai.
Anders als in den Zentralbanken steht die Diskussion über Konjunkturstützung im Kriegsfall in der EU erst am Anfang. Ein Streit darüber scheint sicher, da aus dem niederländischen Finanzministerium Widerstand gegen eine Aussetzung der normalen EU-Etatregeln angemeldet wurde: "Es scheint, dass die betreffenden Länder nach Strohhalmen greifen, um schwierige und lange überfällige Haushaltsentscheidungen zu vermeiden", hieß es in Den Haag. Diskussionen über eine Lockerung sind finanzpolitischen Kreisen zufolge zwischen Deutschland, Frankreich und Großbritannien weit vorangeschritten.
Am Dienstag gab EU-Finanzkommissar Solbes der Debatte über einen weicheren Pakt einen womöglich entscheidenden Impuls, indem er andeutete, dass er den Vorstoß gutheißen dürfte: "Wenn ein Krieg keinen außergewöhnlichen Umstand darstellt, frage ich, was sonst ein außergewöhnlicher Umstand sein kann", sagte er in Straßburg. Damit äußerte sich erstmals ein hochrangiger EU-Politiker in dieser Richtung. In Berlin hofft man, dass Solbes die politische Verantwortung dafür übernehmen wird, den Irak-Krieg als Grund zur Anwendung der Ausnahmeklausel des Stabilitätspakts zu benennen.
© 2003 Financial Times Deutschland , © Illustration: AP
Fed bereitet Zinssenkung vor
Von Thomas Klau, Brüssel, und Andreas Krosta, Frankfurt
Die Finanz- und Geldpolitik in Europa und den USA bereitet sich darauf vor, bei einem Krieg gegen Irak gegen einen neuen weltweiten Konjunktureinbruch einzugreifen. Der Chef der US-Notenbank Federal Reserve (Fed), Alan Greenspan, deutete vor dem US-Senat eine weitere Zinssenkung an.
Alan Greenspan
Zugleich signalisierte EU-Finanzkommissar Pedro Solbes überraschend klar seine Bereitschaft, bei einem Krieg die zeitweilige Aussetzung der normalen Regeln für die Haushaltspolitik der EU-Mitglieder zu befürworten. Dann würde der harte Sparzwang eines streng ausgelegten Stabilitätspakts gelockert.
Bundesfinanzminister Hans Eichel gab am Dienstag zu verstehen, dass er den Spielraum ausschöpfen werde. "Der Stabilitätspakt ist ja nicht statisch", sagte Eichel. "Das heißt, wenn das Wachstum noch schwächer wird, werden wir da nicht hinterhersparen."
Aufschub für Deutschland und Frankreich
Um den Stabilitätspakt weicher auszulegen, müsste der drohende Irak-Krieg von der Kommission als "außergewöhnliches Ereignis" im Sinn des EU-Vertrags festgestellt werden. Bisher ist diese Ausnahmeklausel nie angewandt worden. Deutschland hatte Mitte der 90er Jahre vergeblich darum gekämpft, ihre Anwendung strikt auf ganz außergewöhnlich schwere Rezessionen und Naturkatastrophen zu beschränken. Dagegen hatten sich Frankreich und andere gesperrt. Trotz dieser Flexibilität würde eine Interpretation des Irak-Krieges als "außergewöhnliches Ereignis" im Vertragssinn den Interpretationsspielraum sehr weit ausschöpfen.
Die Folgen besonders für Deutschland und Frankreich wären groß. Das deutsche Etatdefizit müsste dann nicht schon 2004, sondern erst 2005 wieder unter die Schwelle von 3,0 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gedrückt werden. Ähnliches gilt für Frankreich, dessen Etatdefizit 2003 leicht über die Höchstschwelle klettern könnte und möglicherweise schon 2002 darüber gestiegen ist.
Auch die Fed baut für den Kriegsfall vor. In Washington bezeichnete Fed-Chef Greenspan am Dienstag den drohenden Irak-Krieg als "abschreckende Barriere" für neue Investitionen. Die US-Notenbank rechne damit, dass die Wirtschaft sich erholen werde, wenn die Unsicherheit schwinde. "Wenn aber im Gegensatz zu unseren Erwartungen die Investitionszunahme weiter beschränkt bleibt, werden geld- und fiskalpolitische Initiativen zweifellos höher auf der Agenda stehen", sagte Greenspan.
Fed nimmt Wachstumsprognose zurück
Die Fed nahm zudem ihre diesjährige Wachstumsprognose für die amerikanische Wirtschaft von ehemals bis zu 4,0 Prozent auf nun 3,25 bis 3,5 Prozent zurück. Auch der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Wim Duisenberg, hatte in der vergangenen Woche mit Verweis auf die Stagnation in der Euro-Zone einem Zinsschritt den Weg bereitet. Ökonomen rechnen mit einer Zinssenkung zwischen März und Mai.
Anders als in den Zentralbanken steht die Diskussion über Konjunkturstützung im Kriegsfall in der EU erst am Anfang. Ein Streit darüber scheint sicher, da aus dem niederländischen Finanzministerium Widerstand gegen eine Aussetzung der normalen EU-Etatregeln angemeldet wurde: "Es scheint, dass die betreffenden Länder nach Strohhalmen greifen, um schwierige und lange überfällige Haushaltsentscheidungen zu vermeiden", hieß es in Den Haag. Diskussionen über eine Lockerung sind finanzpolitischen Kreisen zufolge zwischen Deutschland, Frankreich und Großbritannien weit vorangeschritten.
Am Dienstag gab EU-Finanzkommissar Solbes der Debatte über einen weicheren Pakt einen womöglich entscheidenden Impuls, indem er andeutete, dass er den Vorstoß gutheißen dürfte: "Wenn ein Krieg keinen außergewöhnlichen Umstand darstellt, frage ich, was sonst ein außergewöhnlicher Umstand sein kann", sagte er in Straßburg. Damit äußerte sich erstmals ein hochrangiger EU-Politiker in dieser Richtung. In Berlin hofft man, dass Solbes die politische Verantwortung dafür übernehmen wird, den Irak-Krieg als Grund zur Anwendung der Ausnahmeklausel des Stabilitätspakts zu benennen.
© 2003 Financial Times Deutschland , © Illustration: AP