ZB senkt Zinsen um 25 BP
Sie schlägt zu, wenn es keiner erwartet. Fast kein Analyst hat mit diesem
Schritt gerechnet. Damit hat die EZB die fühere Strategie der Deutschen
Bundesbank übernommen: Zinsschritte sind dann am effektivsten, wenn keiner
damit rechnet (?). Das Timing ist insoweit überraschend, als im April die
Preise in der Eurozone wieder deutlich anstiegen und auch für Mai noch mit
keiner Verbesserung gerechnet werden darf. Dies wurde auch bis zuletzt von
führenden Mitgliedern der EZB als Grund für das Zuwarten mit Zinssenkungen
angeführt. Ein Grund für den überraschenden Zinsschritt müsste daher eher in
den zuletzt deutlich schwächeren Konjunkturzahlen (insbesondere für
Deutschland) gesucht werden. Alles in allem dürfte dieser Schritt am Markt mehr
Verwirrung gestiftet haben, und die Glaubwürdigkeit der EZB neuerlich
untergraben haben.
Der für die Refinanzierung der Geschäftsbanken maßgebliche Mindestbietungssatz
beim Zinstender wurde um 25 BP auf 4,50 gesenkt. Dies dürfte die Einleitung der
lang erwarteten Zinssenkungsphase sein. Mit dem nächsten Schritt ist erst mit
Jahresmitte (weitere 25 BP) zu rechnen. Bis dahin sind weiterhin recht negative
Konjunkturzahlen zu erwarten. Vor dem Hintergrund enttäuschender
Inflationszahlen wird die EZB allerdings für die nächste Zinssenkung erst eine
Entspannung auf der Preisseite abwarten müssen.
Die erste Marktreaktion: Der Euro konnte nur vorübergehend gewinnen, am
Rentenmarkt profitierten kurze Laufzeiten deutlich, während der lange
Laufzeitenbereich ebenfalls nur vorübergehend zulegen konnte. Der 3-M Euribor
fiel ebenfalls stark, und befindet sich mit rund 4,50% bereits auf dem Niveau
unserer Juni-Prognose.
Der weitere Ausblick wird davon abhängen, ob es der EZB gelingt, das
Marktvertrauen (wieder)zugewinnen. Den EUR sehen wir die nächsten 3-6 Monate
unverändert in einer Bandbreite zwischen 0,87 - 0,93 schwanken. Das Vertrauen
des Rentenmarktes in die EZB wurde durch diesen Schritt eher geschwächt.
Dennoch solten lange Laufzeiten über die nächsten Monate auf Grund der
schwächeren Konjunkturzahlen profitieren können (Korrekturen auf Grund von
Inflationsängsten/mangelnden Vertrauens in die EZB-Politik sollten daher für
ein Übergewichten langer Laufzeiten genutzt werden).
Die europäischen Aktienmärkte befinden sich im Spannungsfeld positiver
Zinssignale und ungünstiger Wachstumsaussichten. Angesichts des derzeit
geringen Zinssenkungsspielraums der EZB scheinen mittelfristig die rückläufigen
Gewinnerwartungen die Oberhand zu gewinnen.
Bereits jetzt gehen die Gewinnerwartungen für das heurige Jahr im Eilzugstempo
nach unten. Berücksichtigt man die Telekomunternehmen - aufgrund der hohen
"Sondererträge" (Verkauf von Beteiligungen) im vergangenen Jahr nicht - so ist
die Wachstumsrate auf 3,9% (DJES50) gefallen. In den nächsten Monaten ist mit
weiteren starken Revisionen nach unten zu rechnen.
Wenngleich die schwer gewichteten Banken von der Zinssenkung profitieren, so
scheinen Gewinnwachstumsraten bei 15,3% - wie sie zur Zeit für dieses Jahr
erwartet werden - unrealistisch. Weitere Stärkephasen (+5 bis 10%) bei den
europäischen Aktienmärkten würden wir zu Gewinnmitnahmen nützen.