Den Dollar im Griff
Von Andreas Hoffbauer und Torsten Riecke
Die magische Grenze ist durchbrochen. China hatte mit seinen Währungsreserven bei der Zentralbank bereits vor einigen Monaten Japan überholt und ist heute das Land mit den größten Devisenreserven weltweit. Den Chinesen ist inzwischen selbst nicht mehr so ganz wohl dabei.
PEKING/NEW YORK. Die Währungsreserven der chinesischen Zentralbank haben die Marke von einer Billion Dollar überschritten. Das bestätigte gestern die staatliche Devisenaufsichtsbehörde SAFE in Peking. Wichtigste Quelle für den steigenden Zufluss ausländischer Währungen ist der riesige Exportüberschuss im Außenhandel. Die Devisen- und Handelspolitik der Regierung in Peking trägt jedoch zu den größer werdenden globalen Ungleichgewichten bei und sorgt insbesondere in Amerika für wachsenden Unmut.
Die USA werfen China seit Jahren vor, mit Hilfe seiner Devisenbestände eine Aufwertung der eigenen Währung Yuan zu verhindern, um so die Weltmarktpreise chinesischer Waren künstlich niedrig zu halten. Dadurch wächst der Handelsüberschuss und bringt noch mehr Devisen ins Land. Das Ergebnis sind massive globale Ungleichgewichte, die die Weltwirtschaft nach Meinung von Ökonomen in eine Rezession oder Finanzkrise stürzen könnten. Der Internationale Währungsfonds (IWF) versucht, das Problem mit multilateralen Gesprächen in den Griff zu bekommen.
Im Fokus stehen jedoch die USA und China. Die Schieflage ist hier nicht nur besonders groß, sondern hat auch zu einem Dauerstreit zwischen der heutigen und der kommenden Weltmacht geführt. Im August erreichte das US-Handelsdefizit mit etwa 70 Mrd. Dollar einen neuen Höchststand. Etwa ein Drittel davon geht auf das Konto des Handels mit China. Der amerikanische Markt wird mit Billigwaren aus China überschwemmt. Heimische Industriebetriebe geraten unter Druck, Arbeitsplätze gehen verloren oder werden in das Reich der Mitte verlagert.
Daraus entsteht in Washington ein explosives politisches Gemisch, das zu immer lauter werdenden Rufen nach protektionistischen Sanktionen gegen China geführt hat. Nur mit Mühe konnte US-Finanzminister Hank Paulson eine Gesetzinitiative im Kongress vereiteln, die auf alle Importe aus China einen Strafzoll von 27,5 Prozent verhängt hätte. „Wir können es nicht länger hinnehmen, dass China seine Waren mit Hilfe einer künstlich niedrig gehaltenen Währung auf den US-Markt schüttet“, sagt der US-Parlamentarier Phil English.
Durch den Handelsstreit wird jedoch eine nicht minder wichtige Frage in den Hintergrund gedrängt: Was macht China mit seinem Geld? Dass von der Antwort auf diese Frage heute auch das Schicksal der amerikanischen Wirtschaft abhängt, zeigen die neuen Machtverhältnisse in der Weltwirtschaft. Die riesigen Dollar-Bestände in Peking sind ein potenzielles Risiko für Preisstabilität und Wachstum in Amerika.
Um ihr Handelsdefizit zu finanzieren, müssen sich die USA jeden Tag etwa drei Mrd. Dollar auf den internationalen Kapitalmärkten leihen. Größter Kreditgeber ist China, das mit seinen Währungsreserven massenhaft amerikanische Staatsanleihen kauft. Solange die Chinesen sich mit einer stabilen, aber geringen Rendite zufrieden geben und das einseitige Währungsrisiko nicht scheuen, kann der heimliche Pakt zwischen den Supermächten noch eine ganze Weile halten. Eine Eskalation im Handelsstreit, politische Konflikte oder aber eine Umschichtung der Devisenreserven in andere Währungen könnten jedoch schnell in eine Krise münden. Sinkt die Nachfrage nach Dollar-Anleihen abrupt, könnte der Greenback abstürzen. Die US-Notenbank müsste mit Zinserhöhungen gegensteuern, und die amerikanische Wirtschaft geriete rasch an den Abgrund einer Rezession. Verlieren würde in diesem Fall jedoch nicht nur Amerika. Chinas Dollar-Reserven würden massiv entwertet.
Auch in Peking macht sich angesichts dieser Schreckensszenarien allmählich Unbehagen breit. Die Chinesen fragen sich, warum sie für ihr Kapital nur so wenig Zinsen bekommen und dabei noch ein hohes Währungsrisiko tragen sollen. Regierungschef Wen Jiabao hat eingeräumt, dass der hohe Devisenbestand die Geldmenge steigen lässt und einen kreditgetriebenen Investitionsboom ausgelöst hat.
Vergangene Woche wurde die Reservehaltung der Banken erneut erhöht, um so die Kreditvergabe zu dämpfen. Auch die Zentralbank in Peking hat erst vor einem Monat vor den Gefahren zu hoher Dollar-Reserven gewarnt. In dem Gremium werden vermehrt Stimmen laut, die einen langsameren Aufbau und eine breitere Anlagestrategie fordern. Als Alternativen werden in Chinas Notenbank auch Investments in Ölquellen und in Wertpapiere diskutiert. So hat sich Wu Xiaoling, stellvertretende Governeurin der Notenbank, öffentlich dafür ausgesprochen, die Devisenreserven zum Teil in ausländische Aktien anzulegen.
China könnte außerdem seine Reserven künftig verstärkt in Euro investieren, hat Yi Gang, Assistant Governor der chinesischen Zentralbank, erklärt. Das macht EU-Finanzexperten jedoch eher nervös. Steige die Volksrepublik stärker in andere Währungen ein, würde die Zentralbank in Peking großen Einfluss auf die Wechselkurse weltweit nehmen.
Experten wie Nicholas Lardy vom Institute for International Economics (IIE) in Washington fordern seit langem, dass China seine Mittel nutzt, um den lahmen Konsum im Reich der Mitte anzukurbeln. Minggao Shen, Analyst der Citigroup in Peking, schlägt vor, das Geld in ein Sozialsystem zu investieren. In China ist die Sparrate sehr hoch, was mit einem fehlenden sozialen Netz begründet wird. Eine Verbesserung der Situation „kann das Vertrauen der Konsumenten erhöhen und die Sparrate senken“, sagt Minggao. Es sei doch absurd, dass China seine Währungsreserven im Ausland investiert, „während die eigene Bevölkerung unter einem schlechten Gesundheits- und Rentensystem leidet“.
Gruss Ice
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Börsengewinne sind Schmerzengeld. Erst kommen die Schmerzen, dann das Geld...(A.K.)